Der Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft zum massenhaften Sozialbetrug in Bremerhaven wird voraussichtlich Ende September / Anfang Oktober seine praktische Arbeit aufnehmen. Davon geht die Vorsitzende der Links-Fraktion, Kristina Vogt, aus.
Nach der Einsetzung des Gremiums durch das Parlament in der kommenden Woche werden sich die neun Mitglieder zunächst einen Überblick verschaffen, welche schriftlichen Unterlagen aus diversen Behörden zur Klärung des Sachverhalts angefordert werden sollen. Sobald das Material vorliegt, kann der Ausschuss das Aktenstudium aufnehmen. „Mit dem Beginn der eigentlichen Beweisaufnahme ist deshalb wohl erst im Herbst zu rechnen“, schätzt Vogt.
Die Linken-Politikerin und CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp begründeten am Mittwoch gemeinsam, warum sie – parallel zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen – eine Aufklärung der Bremerhavener Vorgänge durch das Parlament für erforderlich halten. CDU und Linken geht es um unterschiedliche Ebenen der Verantwortung. Die Strafverfolger interessieren sich in erster Linie für die mutmaßlich kriminellen Machenschaften der beiden Vereine „Agentur für Beschäftigung und Integration“ (ABI) und „Gesellschaft für Familie und Gender Mainstreaming“, die massenhaft südosteuropäische Migranten nach Bremerhaven gelockt und sie dort mit Scheinarbeitsverträgen ausgestattet haben sollen.
Opposition interessiert sich für „sozialdemokratische Netzwerke"
Eine andere Frage ist es aus Sicht von CDU und Linken, welche Personen und Institutionen der Seestadt die Aktivitäten der beiden Vereine möglicherweise begünstigt haben – und sei es durch Passivität. Im Blick haben CDU und Linke dabei vor allem das Jobcenter Bremerhaven und Teile des Magistrats. So sei es erklärungsbedürftig, sagte Röwekamp, warum die hohen, bundesweit einzigartigen Steigerungsraten bei den Zuzügen mittelloser Menschen aus Bulgarien seit 2012 bei den Behörden der Seestadt keine Aktivitäten auslösten.
Dass niemand den Dingen auf den Grund ging und Alarm schlug, könnte nach Röwekamps Einschätzung auch mit „sozialdemokratischen Netzwerken“ zu tun haben. Deren Rolle aufzuklären, sei eine der Aufgaben des Untersuchungsausschusses. Dessen Vorsitz wird voraussichtlich den Linken zufallen, die Stellvertreterfunktion der CDU.
Vogt und Röwekamp gingen auch auf die Frage ein, was sie vom SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Patrick Öztürk erwarten, der zumindest zeitweilig in den Vorständen der beiden Vereine tätig war und dessen Vater bei ihren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft als Hauptverdächtiger gilt. Röwekamp appellierte an Öztürk, sich vor dem Parlament zu seiner Rolle bei den Vereinsaktivitäten zu erklären.