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Ankommen in Harvard Wie die Bremerin Nilay Ersoy ihre erste Zeit an einer Eliteuni erlebt

Sie wuchs in Tenever auf, jetzt studiert sie in Harvard. Nilay Ersoy ist Stipendiatin der US-Eliteuniversität. Wie die Bremerin in Harvard Fuß fasst - und eine Kakerlake überraschend zu etwas Gutem führte.
22.09.2023, 05:00 Uhr
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Wie die Bremerin Nilay Ersoy ihre erste Zeit an einer Eliteuni erlebt
Von Sara Sundermann

Nilay Ersoys Traum ist in Erfüllung gegangen: Die Bremer Abiturientin wurde an der berühmten Harvard-University angenommen. Seit Ende August lebt und lernt sie im Osten der USA. Aufgewachsen ist sie in Tenever, in einem Gebiet, das als sozialer Brennpunkt gilt. In ihrem engeren Familienkreis ist sie die Erste, die studiert. Sie bewarb sich bei der Elite-Uni und erhielt als eine von wenigen ein Vollstipendium. 

Nun ist sie da, in Harvard, seit knapp einem Monat. Doch wie fühlt es sich real an, wenn ein Traum tatsächlich in Erfüllung geht? "Die Ankunft war echt schlimm, ich muss es gestehen", sagt Nilay Ersoy. "Erst hatte ich ein bisschen Pech, mein Flieger hatte Verspätung." Am Frankfurter Flughafen musste sie acht Stunden auf den Flug in die USA warten. "Und dann kam ich nach 20 Stunden Reisezeit in Boston an und dachte: Wow, ich bin jetzt einen Kontinent entfernt von meiner Familie, von meinen Freunden, von allem, was ich kenne." Und dann war auch die Angst da. Plötzlich war sie sich nicht mehr so sicher, ob ihr das, worauf sie so lange hingearbeitet hatte, wirklich gefallen würde. "Dann war ich hier, und mir war erst mal unwohl – aber zum Glück wurde ich so nett begrüßt."

Zwei internationale Studentinnen der Harvard-Universität holten sie am Flughafen in Boston ab und begleiteten sie zum Campus – ein von Harvard organisiertes Begrüßungskommando. "Sie haben mir auch geholfen, wie ich etwas zu essen bekomme, es war spät und die Dining Hall hatte schon zu."

Beginn einer Freundschaft

Nilay Ersoy teilt sich eine Wohnung mit drei anderen Studentinnen: zwei New Yorkerinnen und einer Rumänin. "Wir haben vier Schreibtische im Wohnzimmer und drei Schlafzimmer." Zwei der vier Mädchen haben ein eigenes Zimmer, die zwei anderen teilen sich eines. "Wir haben gelost, und eigentlich wurde dem rumänischen Mädchen ein Einzelzimmer zugelost." Doch dabei blieb es nicht: "Meine rumänische Mitbewohnerin hat unnormal Angst vor Krabbeltieren und dann hatten wir hier eine Kakerlake – da kam sie nachts zu mir und hat mich gefragt, ob sie bei mir im Zimmer schlafen kann." Nilay Ersoy sagte ja – und bezeichnet ihre Zimmergenossin heute als ihre Freundin. "Die Kakerlake hat uns zusammengeschweißt."

Und auch sonst hat die junge Bremerin schon einige Kontakte vor Ort geknüpft. Dabei half auch das Angebot der Uni: Vor Vorlesungsstart gab es eine Orientierungswoche für die internationalen Studierenden und eine weitere Woche für alle Neulinge. Teil davon war zum Beispiel eine Schnitzeljagd auf dem Campus. "Wir mussten zum Beispiel zur Jura-Fakultät gehen und dort eine Szene aus dem Film ,Natürlich blond' nachspielen", erzählt Nilay Ersoy. In der US-Komödie spielt Reese Witherspoon ein blondes Model, das mehr oder weniger freiwillig in Harvard landet – ein Film, den die Bremerin mehrfach gesehen hat.

Die Studienanfänger sind von Anfang an fester Teil ihres Jahrgangs. Nilay Ersoy gehört zur "Class of 2027", die in vier Jahren ihren Abschluss machen soll. Sie hat vor allem Seminare zu Politik und Geschichte gewählt, zum Beispiel zur Geschichte des modernen Iran und der Türkei. Aber in Harvard gehört immer auch Allgemeinbildung zum Programm: So besucht Nilay Ersoy zum Beispiel einen Literatur-Kurs, in dem Klassiker gelesen werden und ein Filmseminar, in dem es darum geht, vor welchem historischen Hintergrund Filme wie King-Kong oder Scarface entstanden sind. "Die Kurse, die ich gewählt habe, sind sehr klein, wir sind zum Teil nur zehn Leute – es gibt aber auch Vorlesungen mit 300 Studierenden."

Das größtes Uni-Bibliothekssystem der Welt

Mit einigen anderen aus ihrem Jahrgang hat die Bremerin bereits eine Lerngruppe gegründet. "Wir treffen uns in einer Bibliothek, die etwas sozialer ist, da darf man sich auch mal unterhalten, um sich gegenseitig zu helfen." Dabei haben die Studierenden die Wahl zwischen mehr als 25 verschiedenen Bibliotheken in Harvard. Die mit Säulen verzierte Widener Library ist das Hauptgebäude der Uni-Bibliotheken, das Gebäude birgt etwa 100 Kilometer an Bücherregalen. Die gesamten Bestände von Harvard gelten mit mehr als 16 Millionen Büchern als größtes Universitätsbibliothek-System der Welt.

"Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gelernt wie jetzt, weil ich wirklich jeden Tag etwas mache", sagt Nilay Ersoy. "Allein in dieser Woche muss ich für meine Kurse 400 bis 500 Seiten lesen." Am besten aber gefällt ihr in Harvard die Gemeinschaft. "Es gibt eine bedingungslose Unterstützung von allen." Auch Uni-Mitarbeiter würden ihre Hilfe anbieten. "Dann heißt es, ich kann jederzeit vorbeikommen, wenn ich Fragen habe oder etwas brauche." Die Bremerin stellt fest: "Ich fühle mich jetzt wirklich sehr wohl hier, es ist nichts mehr fremd."

Mit ihrer Familie und ihren Freundinnen in Bremen ist die 19-Jährige weiter eng im Kontakt. "Ich telefoniere jeden Tag mit meinen Eltern – Bremen wird immer ein Teil von mir bleiben, es ist ja noch mein Zuhause", stellt die Studentin fest. Und sie spürt zugleich: "Das Heimweh ist weg."

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