Wer ein Kind in der Familie hat, das nach den Sommerferien in die fünfte Klasse kommt, der weiß: Die Wahl der weiterführenden Schule ist für viele Kinder und Eltern ein aufwühlendes Thema. In Bremen können Familien drei Wunsch-Schulen benennen. Anfang Februar fand die Schulwahl statt, nun stehen die Ergebnisse fest. Laut Bildungsressort haben 95,6 der angehenden Fünftklässler einen Platz an einer ihrer drei Wunsch-Schulen bekommen. Gut 87 Prozent der Kinder erhielten ihren Erstwunsch. Insgesamt 167 Schülerinnen und Schüler wurde keiner ihrer drei Wünsche erfüllt. Sie werden in Absprache mit den Eltern nach Beratungsgesprächen mit dem Schulamt einer anderen Schule zugewiesen.
Insgesamt wurden 3.736 Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf für eine weiterführende Schule angemeldet, gut 100 mehr als im Vorjahr. Hinzu kommen rund 550 Kinder mit Förderbedarf. In diesem Herbst sollen 192 neue fünfte Klassen in der Stadt starten.
Im vergangenen Jahr wurden bei der Schulwahl mehr Wünsche erfüllt, die Quote lag 2020 auch deutlich über dem Wert der Jahre zuvor. Zum Vergleich: Diesmal bekamen 167 Kinder keine ihrer Wunsch-Schulen, 2020 galt das für 70 Kinder, 2019 für 151 Kinder. Dass die Schulwahl im vergangenen Jahr besonders gut aufging, ist vor allem auf ein demografisches Phänomen zurückzuführen, sagt Behördensprecherin Annette Kemp. In Borgfeld, Oberneuland und Mitte, wo klassischerweise viele Familien auf Gymnasien setzen, gab es 2020 schlicht rund 200 Kinder weniger als sonst, so die These von Elternvertretern, die nun von der Behörde bestätigt wurde.
In diesem Jahr ist zudem eine besondere Konzentration auf bestimmte beliebte Schulen zu beobachten. Insbesondere die Gymnasien in der Innenstadt wurden sehr stark angewählt. Aufgrund der hohen Anwahlzahlen richtete die Behörde am Alten Gymnasium eine fünfte Klasse mehr ein als geplant. Sehr beliebt mit Blick auf Erst-, Zweit- und Drittwünsche waren auch die Gesamtschule Ost und die Gesamtschule West, die Oberschule Ronzelenstraße, die Oberschule am Leibnizplatz, die Oberschule Rockwinkel, die Wilhelm-Kaisen-Oberschule und die Oberschule an der Egge.
„Es ist eine sehr schwierige und äußerst belastende Zeit für alle Schülerinnen und Schüler, Eltern und für die Teams in den Schulen“, sagt Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD). Dies gelte auch besonders für Viertklässler, die an eine weiterführende Schule wechseln. Trotz der Pandemie sei der Übergang von vier nach fünf planmäßig bearbeitet worden, so die Senatorin.
Die starke Fokussierung auf die Gymnasien erklärt man sich in der Behörde zumindest teilweise mit Sprachbarrieren und mangelndem Verständnis des Schulsystems bei einigen Eltern. Einigen Eltern sei nicht klar gewesen sei, dass ihre Kinder nicht nur am Gymnasium, sondern auch an einer Oberschule Abitur machen könnten, so Kemp. Manche hätten deshalb drei Gymnasien angewählt. Das habe sich in Beratungsgesprächen des Schulamts mit einigen Familien gezeigt, die keinen ihrer Wünsche bekamen. „Und in diesem Jahr konnten die Schulen sich den Eltern nicht vor Ort und im direkten Gespräch vorstellen.“
Die Behördensprecherin verweist zudem darauf, dass an Gymnasien jenseits des Zentrums im Bremer Süden Plätze frei blieben. Die Plätze der Innenstadt-Gymnasien habe man in den vergangenen Jahren bereits aufgestockt: „Mehr geht nicht“, so Kemp. Ein neues Gymnasium einzurichten, sei nicht geplant. Dies sei 2018 auch so im Bremer Schulkonsens vereinbart worden.
Schulbesuche am Tag der offenen Tür konnten in diesem Jahr wegen der Pandemie kaum stattfinden. Vieles musste digital gelöst werden. Darin sieht der Elternbeirat die Hauptursache für die starke Ballung: „Wir sehen eine viel stärkere Konzentration“, sagt Martin Stoevesandt vom Zentralelternbeirat. „Wahrscheinlich sind viele Eltern diesmal mehr nach dem Ruf einer Schule und dem Hörensagen gegangen.“ Viele Oberschulen könnten sich sonst am Tag der offenen Tür sehr gut darstellen und Eltern überzeugen.
Die Plätze an den Schulen werden knapper
Insgesamt gebe es zu wenig Luft im System, kritisiert Stoevesandt: „Dass weniger Wünsche erfüllt wurden, ist nicht überraschend, es wird enger an den Schulen.“ Bremen habe nur 99 mehr Schulplätze als Kinder, das System sei bei 102,6 Prozent (3736 Kinder, 3835 Plätze). „Vor ein paar Jahren hatten wir noch 107 oder 108 Prozent.“
Auch die CDU-Fraktion übt Kritik: „Die Eltern denken sich etwas bei ihrer Wahl, hinter jedem Kind stecken ein Wunsch und ein Plan“, sagt CDU-Bildungspolitikerin Yvonne Averwerser. „Egal welches Kind keine seiner Wunschschulen bekommt, dieses Kind ist gekniffen.“ Sie verweist zudem auf die Situation der Schulen, die wenig beliebt sind. „Es gibt einzelne Oberschulen, die immer weniger angewählt werden, die Behörde muss analysieren, woran das liegt und diese Schulen gezielt stärken.“ Es dürften keine „Reste-Schulen“ entstehen, denen viele Kinder zwangsweise zugewiesen würden.