Gehen den Bremer Schulen möglicherweise Sonderpädagogen verloren, weil die Zuteilung dieser raren Fachkräfte künftig zentral gesteuert wird? Auf diese Gefahr macht der Huchtinger Schulleiter Achim Kaschub aufmerksam. Er könnte zum nächsten Halbjahr zwei Sonderpädagoginnen einstellen, doch hinter diesem Plan steht gerade ein großes Fragezeichen.
Dass Bremen seinen Bedarf an Sonderpädagogen nur teilweise decken kann, ist schon länger ein Problem. Die Bildungsbehörde würde gern mehr von ihnen einstellen, doch der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Aus einer aktuellen Senatsantwort auf eine Anfrage der CDU zur Lage an den Schulen geht hervor, dass zu Beginn des laufenden Schuljahres 81 Lehrkräfte mit einer sonderpädagogischen Qualifikation fehlten. Vor diesem Hintergrund hat die Bildungsbehörde entschieden, die Verteilung der knappen Ressourcen an Sonderpädagogen ab Februar 2023 zentral zu steuern. Bisher konnten Schulleiter, sofern sie über vakante Stellen verfügten, auch eigenständig Bewerber für ihre Schule verpflichten.
Das ist nun nicht mehr möglich. Die Behörde will so dafür sorgen, dass bevorzugt sogenannte Bedarfsschulen mit sonderpädagogischen Fachkräften versorgt werden. Also Schulen, in denen es eine besondere Ballung von problembehafteten Kindern und Jugendlichen mit Unterstützungsbedarf gibt. Das betrifft sowohl den Bereich "Wahrnehmung und Entwicklung" mit geistig beeinträchtigten Kindern als auch solche mit Förderbedarf LSV (Lernen/Sprache/Verhalten). Die Vorgabe an neu eingestellte Sonderpädagogen lautet künftig: Ihr müsst zumindest ein Jahr an der zugeteilten Bedarfsschule arbeiten, bevor ein Wechsel an die eigentliche Wunschschule infrage kommt.
An der Huchtinger Oberschule an der Hermannsburg gibt es aktuell drei vakante Stellen für Sonderpädagogen. Schulleiter Achim Kaschub ist von zwei Interessentinnen angesprochen worden, die sich gut vorstellen könnten, zum Halbjahr bei ihm anzuheuern. In das große Personalkarussell der Bildungsbehörde würden sie allerdings nicht einsteigen wollen. Entweder Hermannsburg oder Niedersachsen, lautet die Alternative, mit der die beiden jungen Fachkräfte Achim Kaschub konfrontiert haben. Für niedersächsische Schulen liegen ihnen bereits Einstellungszusagen vor. Der Schulleiter sieht sich nun in einer verzwickten Lage. Durch längere Krankheiten ist sein Stamm an sonderpädagogischen Fachkräften bereits reduziert. Er bräuchte die beiden Anwärterinnen also dringend. Doch für sie würde der Weg in den bremischen Schuldienst zunächst für mindestens ein Jahr an eine "Bedarfsschule" führen, bevor sie an die Hermannsburg wechseln könnten. Da sie das nicht wollen, läuft es auf eine Absage an Bremen hinaus. Kaschub, der auch Vorsitzender der Bremer Schulleitervereinigung ist, hält das für eine absurde Folge der zentralisierten Fachkräftezuteilung durch die Bildungsbehörde. "Wir können es uns nicht leisten, auch nur eine einzige sonderpädagogische Kraft an ein anderes Bundesland zu verlieren."
Am Donnerstag haben rund 30 Schüler und Eltern aus Huchting in der Bildungsbehörde auf das Problem aufmerksam gemacht. Mit Transparenten ausstaffiert, statteten sie Bildungsstaatsrat Torsten Klieme einen Besuch ab und bekundeten ihren Unmut. Klieme reagierte zunächst mit einem leichten Tadel. Er finde es zwar gut, dass die Kinder und Eltern für ihre Interessen einträten. Doch der Protest hätte nicht unbedingt während der Unterrichtszeit stattfinden müssen, ließ er die Huchtinger Abordnung wissen. In der Sache blieb die Behörde hart. Wie Sprecher Aygün Kilincsoy im Anschluss mitteilte, werde es beim Vorrang für die Bedarfsschulen bleiben. Bremen gehe ja bereits auf einstellungswillige Sonderpädagogen zu, indem sie nur für ein Jahr an der zugeteilten Schule bleiben müssten. "Sie sollen dort ja nicht für alle Ewigkeit bleiben", sagte Kilincsoy. Andere Bundesländer gingen da viel rigider vor.