Im Bremer SPD-Landesverband sorgt eine Bremerhavener Personalie für Wirbel: Bei der Kandidatenaufstellung für die Bürgerschaftswahl 2023 ist Häfen- und Wissenschaftssenatorin Claudia Schilling am Donnerstagabend in ihrem Ortsverein Lehe-Nord durchgefallen. Sieben Parteimitglieder stimmten für die 54-jährige Juristin, neun gegen sie, sechs enthielten sich.
Eine schwere Schlappe also, die im Vorfeld der Versammlung niemand aus der Parteiführung der Seestadt erwartet hatte – offenbar auch nicht der Bremerhavener Unterbezirksvorsitzende Martin Günthner, der normalerweise eine gute Antenne für Stimmungen an der Basis hat. Günthner sagte dem WESER-KURIER, der Vorgang sei "ärgerlich" und müsse "im Interesse der SPD geheilt werden". Im Gespräch ist nun, Schilling – statt durch den Ortsverein – von der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) für die Bürgerschaft zu nominieren. Dies könnte in der kommenden Woche geschehen.
Claudia Schilling war bei der Regierungsbildung 2019 von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) in den Senat berufen worden. Sie ist das einzige Regierungsmitglied aus der Seestadt. Die frühere Richterin war vor ihrem Wechsel in die Politik Sozialdezernentin in Bremerhaven. In der Theorie bedürfte es keiner Bürgerschaftsnominierung, um auch nach der Wahl 2023 wieder in den Senat berufen zu werden. Anders als auf Bundesebene nehmen Regierungsmitglieder in Bremen ein errungenes Parlamentsmandat ohnehin nicht wahr. Gleichwohl ist die Nichtberücksichtigung eines amtierenden Senatsmitglieds bei der Listenaufstellung durch die Parteibasis eine schwere persönliche Niederlage, die ein Fragezeichen hinter die weitere politische Karriere setzt.
Mangelnde Vor-Ort-Präsenz von Schilling Grund für die Schlappe?
Aber wie kam es dazu, dass der eigene Ortsverein Schilling durchfallen ließ? Genossen, die die Seele der Bremerhavener SPD zu kennen glauben, führen die Schlappe auf eine zu große Basisferne der Häfen- und Wissenschaftssenatorin zurück, die zugleich das Justizressort führt. Allzu selten habe sie sich in ihrem Ortsverein, aus dem sie zwischenzeitlich auch weggezogen ist, blicken lassen, um die einfachen Parteimitglieder über ihre Arbeit im Senat auf dem Laufenden zu halten. Die verweigerte Bürgerschaftsnominierung sei nun die Quittung dafür gewesen. Schilling ist nicht der erste Promi, der in Lehe-Nord von der selbstbewussten Basis abgewatscht wird. Der frühere Unterbezirkschef Siegfried Breuer, ein ausgesprochen durchsetzungsstarker Parteifürst, rasselte Ende der Neunzigerjahre einmal bei der Kandidatur zur Stadtverordnetenversammlung durch. Ganze zwei Stimmen konnte er auf sich vereinigen.
Ortsvereinsvorsitzender Sergej Strehlow äußerte sich am Freitag zu Schillings Niederlage. Er bestätigte, dass die mangelnde Vor-Ort-Präsenz der Senatorin eine Rolle gespielt hat. Er habe Verständnis dafür, "dass unsere Senatsmitglieder einen vollen Kalender haben. Ich hätte mir trotzdem gewünscht, dass Claudia häufiger an unseren Diskussionen teilgenommen hätte", sagte Strehlow. Die Betroffene selbst zeigte sich gegenüber dem WESER-KURIER deutlich verstimmt. In der Politik werde leider nicht immer mit offenem Visier gekämpft, sagte Schilling. Sie strebe aber weiterhin eine Bürgerschaftskandidatur an, auch weil viele Personen innerhalb und außerhalb der Bremerhavener SPD ihr "deutlichen Rückhalt gegeben" hätten.