Es ist nun rund sieben Jahre her, da wurde ein großes Projekt gestartet im Bremer Amateurfußball. Es ging um Livestreaming, also bewegte Bilder in Echtzeit, vorrangig aus der Bremen-Liga, der höchsten Spielklasse im Bereich des Bremer Fußball-Verbandes. Irgendwann – so die Visionen der Beteiligten – sollte auf Fussball.de nicht nur ein Liveticker von den Spielen dieser Oberliga laufen. Über das große Portal wären danach auch die Livebilder von allen Partien zu sehen gewesen. Es wurde jedoch nichts daraus. Der WESER-KURIER gibt einen Überblick über das ambitionierte Projekt und sein Scheitern.
Das war der Plan
Im Sommer 2017 machte sporttotal.tv den Bremer Vereinen ein Angebot: Für 9,95 Euro im Monat würde die Streaming-Plattform eine Kamera auf deren Plätzen installieren, die für Livebilder sorgen sollte. Diese Geräte „wissen“, wo der Ball ist, dank einer komplizierten Software. Sie stammt aus dem militärischen Bereich, verfolgt den Ball und ermöglicht so eine vollautomatische Übertragung von Fußballspielen. Die Kosten für die Kameras übernahm sporttotal.tv, sie wurden beziffert auf eine Summe zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Die Plattform versprach sich nach guten Erfahrungen in den Regionalligen etwas von ihrer Investition: Eine flächendeckende Übertragung von Amateurfußballspielen sollte sich gut vermarkten, also mit entsprechenden Werbepartnern ausstatten lassen. Zumal sporttotal.tv bereits damals mit dem DFB zusammenarbeitete: Zu den Livespielen gelangte man über Fussball.de, dem großen Amateurfußballportal des Dachverbandes.
So war die Nachfrage
Bis zum Ende des Jahres 2017 hatten sich vier Vereine für das Angebot von sporttotal.tv und somit die Installation einer Kamera entschieden. Das waren der FC Oberneuland, der ESC Geestemünde, der Brinkumer SV und der Blumenthaler SV. Weitere Klubs äußerten ihr Interesse. Deutlich vergrößern sollte sich der Kreis der mit einer Kamera ausgestatteten Vereine jedoch nicht. „Gefühlt war es mal ein halbes Dutzend“, erinnert sich David Dischinger. Er ist als Social Media-Manager des Bremer Fußball-Verbandes auch für das Streaming-Projekt zuständig.
Das waren die Probleme
Es begann schon bei der Zuständigkeit: Die meisten Bremen-Ligisten sind nur Gast auf einer Sportanlage der Stadt. Also mussten die entsprechenden Behörden in die Installation der Kameras eingebunden werden. Zudem bot nicht jeder Fußballplatz eine Tribüne oder einen Flutlichtmast, an dem eine Kamera befestigt werden konnte. Dort hätte extra ein Mast gebaut werden müssen – und eine solche Maßnahme benötigt ein Statik-Gutachten.

Eine neue Kamera inklusive einer verbesserten Software und integrierten Router sollte die Übertragungsqualität steigern.
Für die vielleicht größte Schwierigkeit sorgte das Bremer Klima: Nahezu alle Mannschaften wechseln im Herbst auf einen weniger empfindlichen Kunstrasenplatz und kehren erst im Frühjahr auf den eigentlich Hauptplatz zurück. Um deren Spiele lückenlos übertragen zu können, wären also zwei der kostspieligen Kameras nötig gewesen. Da jedoch allenfalls ein Gerät installiert war, taten sich Lücken auf. David Dischinger geht davon aus, dass selbst in den guten Jahren des Projekts nicht einmal „die Hälfte der Spiele“ übertragen wurde. Es habe sich mangels entsprechender Bilder jedenfalls zu keinem Zeitpunkt gelohnt, die eigentlich angedachten „Spieltags-Highlights“ zu schneiden.
Das ist die neue Kamera
In 2022 schloss die Telekom eine Zusammenarbeit mit sporttotal.tv, und das hatte auch Auswirkungen auf das Streaming von den Amateursportplätzen. Denn das Unternehmen brachte eine neue Kamera mit, inklusive einer verbesserten Software und integrierten Router. Sie steigerte die Übertragungsqualität deutlich und versprach auch ein leichteres Handling. Dafür stiegen die Preise: Zukünftig sollte das Streaming 69,90 Euro im Monat kosten, und wer auch seine Trainingseinheiten aufzeichnen wollte, musste 119,95 Euro zahlen. „Es wurde recht teuer, und das konnten viele Vereine nicht stemmen“, sagt David Dischinger. Mit den neuen Preisen verlief das ohnehin durchwachsene Projekt noch ein wenig schleppender: Heute gibt es aus der Bremen-Liga nur noch Livebilder, wenn der FC Oberneuland und der ESC Geestemünde ein Heimspiel austragen – so es denn auf einem Hauptplatz stattfindet.
So sieht die Zukunft aus
Das Projekt wird wohl kaum noch einmal an Fahrt aufnehmen. Bereits seit längerer Zeit besteht jedenfalls kein Kontakt mehr zwischen sporttotal.tv und dem Bremer Fußball-Verband. „Ich glaube, dass die Vereine zukünftig auf anderen Plattformen selbst streamen werden“, vermutet David Dischinger. Für sporttotal.tv bestünden jedenfalls längst keine exklusiven Rechte mehr, und so könne sich jeder Fußballklub seinen eigenen Partner suchen. „Wir sind dafür ziemlich offen und ja auch froh, wenn die Vereine das angehen“, so der Experte.
Im BFV hatte man zwischenzeitlich auch überlegt, dem Beispiel des Norddeutschen Fußball-Verbandes zu folgen und das Streaming zentral zu organisieren. Der Regionalverband macht das seit 2023: Für eine Gesamtsumme im sechsstelligen Bereich – jeweils zur Hälfte vom Verband und den Vereinen getragen – wurde ein Dienstleister beauftragt. Er organisiert die Übertragungen der Spiele in der Regionalliga Nord und stellt auch einen Teil der Technik bereit. „Wir hatten das überlegt, aber da kommen utopische Summen auf den Tisch“, so Dischinger. Für die Bremen-Liga wäre es zwar deutlich günstiger geworden. Doch selbst den kolportierten Betrag im hohen fünfstelligen Bereich hätten weder Verband noch die Vereine stemmen können.