Rund um den Bremen-Marathon entwickelt sich nach und nach: ein Marathon. Einer im übertragenen Sinne. Es handelt sich dabei nicht um das Laufevent selbst, sondern um eine an Wucht zunehmende Affäre um die Austragung des Events. Fernab von der offenen Frage, ob die Pandemie nach dem Ausfalljahr 2020 für die Traditionsveranstaltung, fest verankert im Bremer Veranstaltungskalender, im Jahr 2021 überhaupt wieder eine Austragung zulässt. Die Fragen nach dem Ob und Wie werden seit Wochen überlagert von der Frage nach dem Wer. Gibt es Anfang Oktober den 17. Bremer-Marathon, wie es Veranstalter Utz Bertschy beziehungsweise sein Marathon Club Bremen (MCB) neuerdings nennt? Oder gibt es den 16. SWB-Marathon mit Veranstalter Bremer Leichtathletik-Verband (BLV)?
Position Utz Bertschy: Der BLV sei doch laut Satzung gehalten, etwas für den MCB zu tun. Tue er aber nicht und trete jetzt stattdessen als Konkurrent auf. Setzte sich quasi ins gemachte Nest. Das gesamte Knowhow für den Marathon käme doch vom MCB. "Sehr speziell" fände er das. Ein neuer Veranstalter könne ja gern einen Frühjahrsmarathon anbieten, aber doch nicht einfach im Herbst übernehmen.
Position BLV, vertreten durch Vizepräsident Matthias Reick: Der Verband ist von den Titel- und Hauptsponsoren SWB beziehungsweise AOK gebeten worden, als Veranstalter einzuspringen. Sie wollen den Traditionslauf nicht sterben lassen, wollen aber nicht mehr mit Utz Bertschy zusammenarbeiten. "Wir wurden da oft vor vollendete Tatsachen gestellt, obwohl Verträge bestanden", sagt Angela Dittmer von der SWB. Für den geschäftlichen Bereich, für Themen wie Anmeldung, Zeitmessung, Abrechnung, habe man dem Laufenthusiasten Utz Bertschy die Berliner Firma Davengo als Ausrichter an die Seite gestellt. Um im Februar registrieren zu müssen, dass Davengo gekündigt worden ist. "So geht man nicht miteinander um", sagt Angela Dittmer.
Team BLV hier, Team Bertschy dort. Stand jetzt hat das eine Team die Sponsoren, das andere die Läufer. Weil das eine die Läufer noch nicht ansprechen konnte und dem anderen die Sponsoren, nun ja: weggerannt sind. Die Sache fühlt sich inzwischen an wie ein beginnender Rosenkrieg. Es ist ein immer schwerer lösbarer Knoten geworden zwischen Verband, Geldgebern, Dienstleistern, Laufmanagern. Zum Team BLV würden praktisch alle bisherigen Mitspieler gehören, abzüglich Utz Bertschy, sagt Matthias Reick. Ausrichter, quasi Manager der neuen Veranstaltung ohne alten Veranstalter: weiterhin Davengo. Schirmherr, laut Reick nach dessen Prüfung der Fakten: weiterhin Willi Lemke.
Anmeldeportal ist anwählbar
Utz Bertschy wirbt seinerseits online für Teilnehmermanagement und Zeitvermessung durch die Firma Runtime, einen Anbieter aus Delmenhorst. Seit einiger Zeit ist ein Anmeldeportal anwählbar. Die Domäne swb-marathon.de hat Bertschy zurückgeben müssen, stattdessen können Startwillige über bremer-marathon.de das Startgeld überweisen. Seit Juni sind das für den Marathon 64 Euro, bis Ende Mai waren es 56. Für den Halbmarathon sind es jetzt 39 statt 36 Euro. Inklusive des 10-Kilometer-Laufes haben sich bereits knapp 1000 Läufer angemeldet. Sollte sein Lauf nicht zustande kommen, bekämen alle abzüglich einer 15-prozentigen Hygiene-Pauschale ihr Geld zurück, sagt Utz Bertschy.
Der Umgang mit dem Geld, das Einhalten von Zahlungsverpflichtungen sei aber ein Problem bei Utz Bertschy, sagen viele. Sagt auch die SWB, sagt Davengo, sagt der BLV. Angeblich laufen mehrere Gläubigerverfahren. Für Davengo bestätigt Andreas Dobrawa, dass es ein Gläubigerverfahren gegen den MCB gibt. Für den BLV bestätigt das Matthias Reick. Der Verband bekäme – wie andernorts auch üblich – eine sogenannte Finisher-Gebühr von 50 Cent pro Läufer. Eine Art Gemeinwohl-Abgabe, die ein Veranstalter üblicherweise beim Startgeld einkalkuliere. Bei rund 6000 Läufern, die vor Corona durch die Hansestadt rannten, wären das 3000 Euro. Der Verband schicke ihm kein Vermessungsprotokoll und fordere nun auch noch Geld, schimpft Bertschy. Der Verband habe mit der Streckenvermessung überhaupt nichts zu tun, das habe mal Herwig Renkwitz als Privatperson gemacht, erwidert Reick. Im Übrigen habe der Verband den Marathon sehr wohl unterstützt, auch finanziell. Habe auch Anzeigen im Laufkalender bezahlt, die dort Utz Bertschy geschaltet, aber nicht bezahlt habe.
Seit Freitag, sagt Matthias Reick, ist zumindest die Domäne swb-marathon.com freigeschaltet. Es kann geworben, verlinkt, angemeldet werden. Demnächst wolle man auch die Anträge beim Ordnungsamt, zuständig für den Start- und Zielbereich Marktplatz, sowie beim Amt für Straßen und Verkehr (ASV) einreichen, zuständig für Streckensperrungen. Bislang liege erst ein Antrag von Utz Bertschy beim ASV vor, sagt Sprecherin Andrea Voth.
Wie der Wettlauf um den Lauf ausgehen wird? Wenn nicht Corona gewinnt, kann nur einer gewinnen, Team BLV oder Team MCB. Am Ende werde es wohl auf eine politische Entscheidung hinauslaufen, schätzt Matthias Reick. Es könnte quasi um die Frage gehen: Was will Bremen beim Bremen-Marathon? Ober besser: Wen will Bremen beim Bremen-Marathon?