Am Anfang stand eine kleine Liebeserklärung. Die Fahrer und Fahrerinnen der 58. Bremer Sixdays versammelten sich zur obligatorischen Besprechung, und der Vorjahressieger Theo Reinhardt sagte hinterher zum WESER-KURIER: „Ich mag die Atmosphäre in Bremen, ich mag die Leute. Und ich mag im Hintergrund der Organisation die Menschen, die das alles bewerkstelligen hier.“ An der Spitze der Bewerkstelliger steht Erik Weispfennig, Sportchef und Geschäftsführer beim Sixdays-Veranstalter ESN. Der frühere Weltmeister begrüßte das Fahrerfeld und damit auch aktuelle Weltmeister und Olympiasieger, warnte die Neulinge vorm „tricky track“ der besonders steilen und engen Bremer Bahn – und schritt zum ersten großen Tusch der auf vier Tage komprimierten Veranstaltung: der Startschuss-Zeremonie.
Während die gesamte Veranstaltung im Zuge der dreijährigen Corona-Unterbrechung von sechs auf vier Tage gekürzt worden ist, hat diese Zeremonie quasi ein Wachstum vorzuweisen. Am Freitagabend fielen um Punkt 20.39 Uhr so viele Schüsse wie noch nie in der Geschichte des Rad- und Party-Events in der ÖVB-Arena. Zur Pistole griffen nicht nur die Bundesinnenministerin Nancy Faeser, gleichzeitig höchste Vertreterin der deutschen Sportpolitik, und Natalie Horler, die Sängerin von Cascada. Auch die Feuerwehrfrau Yvonne Dommaschke bekam ihren Auftritt auf der großen Bühne. Als Stellvertreterin für die Tausenden Ehrenamtlichen, ihr Engagement sollte damit ins Rampenlicht gerückt werden.
Als dann geschossen wurde, war das Damen-Trio nicht ganz synchron: Horler und Dommaschke schossen auf den Punkt, Faesers Pistole hatte Ladehemmungen, der Schuss kam zwei Sekunden später. Zuvor auf einer Pressekonferenz im Hotel Courtyard hatte die Popsängerin zugegeben, wie „extrem privilegiert“ sie sich fühlt, das Traditionsrennen anschießen zu dürfen. Und die Feuerwehrfrau hatte zugegeben, wie „wahnsinnig aufgeregt“ sie sei. Die Bundesministerin stellte unter Beweis, wie sehr der Umgang mit Medien zu ihrem Alltagsgeschäft gehört. Geduldig beantwortete sie alle Frage, egal, ob sie aus der Boulevard-Ecke kamen oder auch von einer eifrig fragenden Kinderreporterin.
Dass sie mit Veranstaltungen wie den Sixdays, die Leistungssport und Partyspaß als Markenkern mitbringen, nicht fremdelt, hat Nancy Faeser dabei auch verraten. Ja, sie habe schon einmal auf einem Rennrad gesessen, bestätigte sie. Und ja, sie wisse auch, wer DJ Toddy ist. Ansonsten würdigte Faeser das Ehrenamt „als Kitt unserer Gesellschaft“ und hob die Bedeutung des Spitzensports hervor, ohne den es der Breitensport an der Basis ungleich schwerer hätte. In diesem Zusammenhang erwähnte sie auch die angestrebte Bewerbung Deutschlands für die Olympischen Spiele.
„Wenn man sich auf einen Bewerbungsprozess einlässt, das zieht mit sich, dass man in die Sportstätten investieren muss. Davon wird der gesamte Breitensport profitieren. Das ist einer meiner größten Anreize“, sagte sie dem WESER-KURIER. Die glamourösen und emotionsgeladenen Spiele von Paris im vergangenen Sommer hätten gezeigt, welche Effekte Sportereignisse bringen könnten. Seit Paris 2024 gebe es an den 38.000 Schulen Frankreichs täglich eine Sportstunde. Für alle.
Und dann rollten sie endlich los, die 24 Fahrer, die in zwölf Teams bis Montag darum kämpfen, Nachfolger der 2024er-Sieger Theo Reinhardt und Roger Kluge zu werden. Selbstredend wollen auch die Titelverteidiger um den erneuten Triumph fahren. Für Theo Reinhardt wäre es die letzte Gelegenheit, der Bremer Redensart vom dreifachen Bremer Recht gerecht zu werden. Er hatte das Rennen nicht nur im Vorjahr gewonnen, sondern auch 2018 an der Seite von Kenny De Ketele. „Na klar wollen wir um den Sieg mitfahren“, sagte er.
Neben Theo Reinhardt und Roger Kluge, dem amtierenden Weltmeister im Madison, der Hauptdisziplin der Sixdays, gelten vor allem zwei Mannschaften als Kandidaten für den Sieg, der am Montag wohl erst kurz vor Mitternacht feststehen wird: Zum einen sind es die Gäste aus Italien, die als Olympiasieger nach Bremen kommen: Elia Viviani und Simone Consonni. Viviani, der kurzfristig für seinen Bruder Attilio eingesprungen ist, gewann 2016 in Rio de Janeiro Gold im Omnium-Fahren. Consonni siegte 2021 in Tokio in der Mannschaftsverfolgung.
Ein weiteres Favoritenduo bilden Nils Politt und Yoeri Havik. Straßenprofi Politt, der 2020 in Bremen gewann, bestätigte im Rahmen der Fahrerbesprechung Theo Reinhardt. „Ich mag diese Atmosphäre, dieses Feeling der Sixdays. Ich finde es gut, dass Bremen diese Tradition aufrechterhält, und unterstütze das sehr“, sagte Nils Politt.
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