Das Ziel ist nicht neu, aber der Zeitpunkt, es zu erreichen, scheint günstig wie nie zuvor. Die Sportbetonte Schule an der Ronzelenstraße möchte eine vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) offiziell anerkannte Eliteschule des Sports werden. Vor einem Jahr setzte die Schulleitung die Arbeitsgemeinschaft (AG) „Eliteschule des Sports“ ein, seitdem erarbeiten Lehrkräfte Konzepte und stehen in engem Austausch mit Vertretern aus Politik und Sport.
In sportlicher Hinsicht hat die Schule im September perfekte Eigenwerbung betrieben. Beim Herbstfinale des Schulwettbewerbs „Jugend trainiert für Olympia“, dessen 50. Geburtstag 2019 gefeiert wurde, stellte die aus elf Mannschaften bestehende Delegation der Sportbetonten Schule an der Ronzelenstraße einmal mehr ihr Leistungsvermögen unter Beweis. Herausragend waren in Berlin die Auftritte der Hockey-Mannschaften, die in den Wettbewerben III gegen die bundesweite Konkurrenz bei den Mädchen den ersten und bei den Jungen den zweiten Platz belegten. Für die größte Überraschung hatte im Wettkampf II das Mixed-Team im Beachvolleyball mit seinem Triumph gesorgt.
Lehrer und Schüler der Horner Bildungseinrichtung sind zu Recht stolz auf ihre Leistungen, die in Wettkämpfen wie „Jugend trainiert für Olympia“ weit über die Grenzen Bremens hinaus strahlen. Die Botschaft auf dem Weg zur Eliteschule des Sports: Deutschland, schau her, das kleinste Bundesland kann auf Bundesebene durchaus mithalten. „Den Titel Eliteschule des Sports haben wir fest im Visier“, sagt Schulleiterin Hermi Auner. Rückenwind erhält dieses Projekt durch die jüngsten sportlichen Erfolge der Schule und die positive Entwicklung bei der Schaffung des Hauses der Athleten in der Bürgermeister-Smidt-Straße.
Finanzierung steht noch nicht
Dieses Projekt in der Nähe des Hauptbahnhofs nimmt gerade Gestalt an, auch wenn frühestens im kommenden Jahr mit der Eröffnung der Internat-ähnlichen Einrichtung zu rechnen ist. Derzeit laufen viele Gespräche zwischen Vertretern des bremischen Sports, der Wirtschaft und der Politik, doch die Finanzierung steht noch nicht. Nach Informationen des WESER-KURIER sind jährlich 350 000 bis 400 000 Euro erforderlich, um die pädagogische Betreuung der minderjährigen Sportler im Haus der Athleten gewährleisten zu können. Spenden wie die 600 000 Euro Ende August helfen dem Projekt zwar weiter, stellen aber keine Nachhaltigkeit für Jahre sicher.
„Ohne Haus der Athleten gibt es keine Eliteschule des Sports“, sagt Harald Wolf. Das ist nicht etwa die persönliche Einschätzung des Koordinators Leistungssport an der Horner Schule, sondern Folge einer Vereinbarung zur Förderung leistungssportorientierter Schülerinnen und Schüler zwischen dem Deutschen Olympischen Sportbund, der Sportministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz der Länder. In diesem Papier ist aufgelistet, was in den drei relevanten Handlungsfeldern Schule, Sport und Internat erfüllt sein muss, damit aus einer Schule eine Eliteschule des Sports werden kann.
Schulvertreter an der Ronzelenstraße hatten zwischenzeitlich mal darüber nachgedacht, auf dem Schulgelände ein Wohngebäude für auswärtige Sportler zu errichten, diese Gedanken aber wieder verworfen. In Zeiten leerer öffentlicher Kassen wäre ein solches Projekt wohl auch kaum zu realisieren – ganz abgesehen von der langen Zeit, die es von der Planung bis zur Fertigstellung dauern würde. Logisch daher, dass die Sportbetonte Schule ein großes Interesse an einem Haus der Athleten hat. Mit ihm wäre das Handlungsfeld Internat abgedeckt.
Die beiden anderen Felder, Schule und Sport, werden von der Arbeitsgemeinschaft der Sportbetonten Schule gerade beackert. „Alle Kollegen tragen die Idee mit, nicht nur die Sportlehrer“, sagt Hermi Auner und freut sich über die Einigkeit in ihrem Kollegium. Beispielsweise müssen die Lehrpläne – das betrifft das Handlungsfeld Schule – so ausgerichtet sein, dass die Schüler einen bestmöglichen Abschluss im Einklang mit ihrer Sportkarriere erreichen können. Trainingseinheiten müssen im täglichen Stundenplan berücksichtigt werden. Außerdem muss gewährleistet sein, dass Schüler, die aufgrund von Trainingsmaßnahmen oder Wettkämpfen Unterricht verpassen, die Lerninhalte auf anderem Weg und zu anderen Zeiten vermittelt bekommen. Das erfordert Personal – und damit ebenfalls Geld.
Im Handlungsfeld Sport soll die optimale Entfaltung des sportlichen Talents eines Schülers ermöglicht werden. Deshalb benötigt die Schule unter anderem die Unterstützung der Sportfachverbände, von Bundes- oder Olympiastützpunkten. Auch soll hoch qualifiziertes Training mit hauptamtlichen Übungsleitern den Übergang des Juniorensportlers in den Spitzensportbereich erleichtern. Inzwischen haben 14 Fachverbände der Schule Unterstützung zugesagt, die ihre sportliche Ausrichtung im Schuljahr 2000/2001 mit 18 Athleten aus drei Sportarten aufnahm. Aktuell sind unter den etwa 850 Schülern an der Ronzelenstraße 350 Leistungssportler – eine imponierende Entwicklung.
Im Bestreben um den Status einer Eliteschule hat die Sportbetonte Schule auch einen Forderungskatalog aufgestellt. Ganz oben auf der Liste: eine eigene große Sporthalle. „Die ist für uns ganz wichtig“, sagt Schulleiterin Hermi Auner auch vor dem Hintergrund, dass der Ronzelenstraße im Falle einer Wiedereinführung des Studiengangs Sport an der Universität Bremen dringend benötigte Hallenzeiten wegbrechen könnten.
Bremen und Schleswig-Holstein noch ohne Eliteschule des Sports
Die Bundeskonferenz der Eliteschulen des Sports hat 2002 folgende Definition festgelegt: „Eine Eliteschule des Sports ist eine Fördereinrichtung, die im kooperativen Verbund von Leistungssport, Schule und Wohnen Bedingungen gewährleistet, damit talentierte Nachwuchsathleten sich auf künftige Spitzenleistungen im Sport bei Wahrung ihrer schulischen Bildungschancen vorbereiten können.“ Derartige Eliteschulen gibt es in 14 deutschen Bundesländern. Nur Bremen und Schleswig-Holstein sind ein weißer Fleck auf der Landkarte – noch, denn die Sportbetonte Schule an der Ronzelenstraße forciert gerade ihre Bemühungen um Aufnahme in den begehrten Kreis.
An den 43 Eliteschulen werden derzeit mehr als 11 500 Talente gefördert. Die Einrichtungen – 22 in westdeutschen Ländern, 18 in ostdeutschen, drei in Berlin – haben ein Internat und sind an Olympiastützpunkte gebunden. Bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang waren 80 der 154 nominierten Sportlerinnen und Sportler aktuelle (5) oder ehemalige (75) Schüler an diesen besonderen Schulen. Sie waren an 26 von 31 Medaillengewinnen des Olympia-Teams Deutschland beteiligt.