Blumenthal. „Jeder Besucher soll beim Betrachten der Bilder seine Perspektive wechseln und einen anderen Blick gewinnen können“, sagt der Künstler Martin Koroscha. Teilnehmer der Malgruppen in Hemelingen, die von ihm geleitet werden, zeigen im Dokumentationszentrum (Doku) Blumenthal ausgewählte Bilder in Acrylfarben und Mischtechnik.

Deshalb heiße die Ausstellung auch „Blickwechsel“, so Koroscha: Die unterschiedlichen Arten zu malen sollen beim Besucher zu neuen Seherfahrungen führen. Und in der Tat sind die 21 Gemälde von sieben Kunstschaffenden so unterschiedlich, dass man die Welt immer wieder mit anderen Augen sieht. „Um einen solchen vorurteilsfreien Blick zu ermöglichen, tragen die Bilder auch keine Titel“, sagt Martin Koroscha, „jeder Besucher ist angehalten, das Werk auf eigene Art zu sehen.“ Die Mehrzahl der Gemälde verzichtet darauf, Objekte abzubilden und ist also abstrakt – was nicht ausschließt, dass der Betrachter Gegenständliches assoziieren kann: Bei Martina Bombkes vielfältigen Schichtungen aus Rot, Weiß und Blau denken wohl viele an einen dramatischen Wolkenhimmel, den eine untergehende Sonne durchglüht, und auch bei Petra Kirstens abstrakten Malereien lassen die ineinander verlaufenden Farben an Details aus der Natur denken. „Meine Bilder entstehen von selbst, ohne Skizze und ganz frei“, sagt Petra Kirsten, die schon mehrere Jahre die Malgruppe von Martin Koroscha besucht. Ein Mal in der Woche treffen sich die Teilnehmer für zweieinhalb Stunden, doch viele malen auch zuhause weiter.
Malen kann anstrengend sein
Für Petra Kirsten ist das Malen zwar manchmal anstrengend, wie sie sagt, doch sie sei dann ganz im Augenblick, und ein inneres Fließen setze ein.
Ingrid Döpkens hingegen lässt auf ihren Bildern Gegenständliches zu, wie Bäume oder Landschaften: Buchenstämme in tiefer Nacht sind in ein mystisches, blaues Licht getaucht, oder in eine leere Halle schießen gelbe Sonnenstrahlen.

In den Bildern des Leiters der Kunstgruppen, Martin Koroscha, treten geometrische Formen mit realistisch gemalten Wäldern oder Bergen in einen Dialog – in ihnen gehen die Grenzen zwischen Objektwelten und Abstraktem ineinander über. „Ich betreue in Hemelingen mehrere Gruppen“, sagt Martin Koroscha, „und ich gebe den Teilnehmern zwar Ratschläge oder Tipps, doch jeder geht beim Malen seinen eigenen Weg.“ Die meisten seien schon mehrere Jahre dabei und arbeiten frei, ohne Vorlagen, nur wenige würden auch Fotos mitbringen.

„Besonders intensiv war eine Malwoche auf Norderney“, sagt Petra Kirsten, eine der Kunstschaffenden, „dort haben wir im Schullandheim schon morgens mit dem Malen begonnen.“ Auch Martina Kraft war mit dabei und hat dort zum Beispiel am Strand Angespültes gesammelt und in ihre Bilder eingearbeitet. „Ich habe zum Beispiel Fasern gefunden, die ich auseinander geflochten habe und die dann Eingang in mein Gemälde gefunden haben“, sagt sie. In ihren Bildern, in denen lang gestreckte Flächen durchs Bild ziehen und sich auf kleinstem Raum Farben intensiv durchdringen, ist der Bezug zur Natur noch zu erahnen: „Ich habe zum Beispiel auf einem Bild mit einem Baumstamm begonnen, der mir die Formen vorgab, habe mit Kohle die Kontur umrissen und dann die Flächen mit Rot-, Gelb- und Blautönen ausgefüllt“, sagt Martina Kraft, die in der Hemelinger Malgruppe schon seit 24 Jahren arbeitet. Besonders anregend findet sie die Malreisen, die das Team einmal jährlich auf die ostfriesische Insel führt, aber auch in andere Länder, wie zum Beispiel nach Griechenland. Martina Kraft bevorzugt es, aus gegebenen Formen der Natur ihre eigenen abstrakten Bildvorstellungen zu entwickeln. „Doch nicht jeder kann diese ungegenständlichen Bilder aushalten“, sagt sie, „eine Bekannte sagte mir, dass sie von einem meiner Gemälde zu sehr aufgewühlt werde.“ In den Bildern von Kathrin Constantin herrschen die Farbenergien in Reinform vor, entstanden aus gestischen Bewegungsabläufen von hoher Intensität. Von solchen unbewussten Kräften geprägt sind auch die Werke von Elke Paul - jedenfalls in den Anfangsphasen des Bildes, bis schließlich mehr und mehr ornamentale Elemente einfließen. Am Ende bedeckt eine stimmige, fröhliche Komposition die Leinwand.

Die 21 Bilder zeigen insgesamt, welche Intensität an Ausdruck in der Malerei liegen kann – von erkennbarer Wirklichkeit bis zu rein seelischen Räumen, die den Besucher zu intensiver Betrachtung einladen.