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Bundestagswahl Der AfD-Stadtteil: Reaktionen auf das hohe Ergebnis in Blumenthal

25,3 Prozent: Nirgendwo in Bremen bekam die AfD stadtteilweit so viele Stimmen wie in Blumenthal. Was ein Unternehmer befürchtet und wie Beiratssprecher und Ortsamtschef reagieren.
26.02.2025, 17:45 Uhr
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Von Christian Weth

Überall hat die AfD bei der Bundestagswahl in Bremen dazugewonnen, aber nirgendwo kam sie stadtteilweit auf ein so hohes Ergebnis wie in Blumenthal: 25,3 Prozent der Stimmen. In manchen Ortsteilen wie Farge und Lüssum-Bockhorn waren es sogar noch mehr. Was nicht nur Vertreter der Volksparteien mit Sorge betrachten. Auch Unternehmer machen das. Was ein Rönnebecker Firmenchef befürchtet und wie Beiratssprecher und Stadtteilverwaltung das Ergebnis bewerten – ein Überblick.

Der Unternehmer: Jan-Gerd Kröger weiß, dass es in Blumenthal schon immer mehr AfD-Wähler gab als in anderen Stadtteilen – aber so viele, wie es jetzt sind, hat ihn nach eigenen Worten regelrecht schockiert: mehr als doppelt so viele nämlich wie bei der vorangegangenen Bundestagswahl. 2021 war die AfD nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Farge noch auf 12,5 Prozent der Stimmen gekommen, in Lüssum auf 13,2 Prozent. Innerhalb von vier Jahren so ein Plus – Kröger sagt, dass er das noch immer kaum fassen kann. Und sich nicht vorstellen mag, wie die Sitzverteilung im Blumenthaler Parlament nach der nächsten Bürgerschafts- und Beiratswahl in zwei Jahren ausschaut. Wenn denn die anderen Parteien so weitermachen wie bisher.

Er argumentiert, wie manche ostdeutschen Unternehmer vor der Wahl argumentiert haben: Dass die AfD schlecht für den Standort ist. Dass sie für manche Projektentwickler der Grund ist, sich mit Vorhaben zurückzuhalten. Und dass wegen ihr Arbeitskräfte nicht mehr kommen wollen. Schon jetzt, sagt Kröger, falle es immer schwerer, Personal zu finden. Der Unternehmer will nicht, dass der Stadtteil wirtschaftlich noch weiter abgehängt wird. Er will, dass die Politik gegensteuert. Dass sie die Unzufriedenen mit realisierten Vorhaben überzeugt und nicht nur über Vorhaben spricht. Kröger kündigt an, die Parteien und was sie machen künftig noch genauer zu beobachten als bisher. Und sich noch genauer zu überlegen, ob er investiert.

Der Beiratssprecher: Marcus Pfeiff sagt, die Sorgen zu teilen, die Unternehmer im Osten wegen der AfD offen ausgesprochen haben. Und sich nicht erst welche zu machen, seitdem feststeht, dass am Sonntag jeder Vierte in Blumenthal die rechtspopulistische Partei gewählt hat. Darum ist der SPD-Stadtteilpolitiker mit anderen vor der Bundestagswahl in die Innenstadt gefahren, um mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte zu sprechen: über die Dauerbaustelle Autobahn, über den Mangel an Ärzten in Blumenthal, über fehlende Schul- und Arbeitsplätze. Und vor allem darüber, was das alles mit den Menschen macht, die immer wieder erklären, in einem Stadtteil zu leben, der abgehängt ist – und die aufgerufen werden, ihre Stimme abzugeben.

Der Beiratssprecher ist für ein weiteres Treffen mit dem Bürgermeister – und für eine Wahlanalyse im Sprecherausschuss, in dem alle Fraktionsspitzen vertreten sind. Außerdem will er die nächste Sitzung des Stadtteilparlaments nutzen, um über die Stimmenergebnisse zu sprechen. Vielleicht auch darüber, wofür er sich einzusetzen plant, damit es bei der nächsten Bürgerschafts- und Beiratswahl nicht so kommt, wie Firmenchef Kröger befürchtet. Pfeiff spricht davon, in den Politikunterricht der Schulen gehen zu wollen. Und von mehr Angeboten der Stadtteilpolitik, mit Blumenthalern ins Gespräch zu kommen. Solchen, bei denen die Parteien zu den Leuten kommen. Wie beim Projekt Beirat to go, bei dem Mandatsträger mal hier, mal dort einen Stand aufbauen.

Der Ortsamtsleiter: Oliver Fröhlich war dabei, als mit dem Bürgermeister vor der Wahl im Rathaus über Blumenthal gesprochen wurde – insbesondere darüber, warum Menschen den Stadtteil immer wieder als abgehängten Stadtteil sehen, der von den Behörden vergessen wird. Dabei, findet der Ortsamtschef und finden Politiker, gibt es in Blumenthal gerade jetzt so viele Projekte von den Ressorts wie lange nicht, die das nördlichste Gebiet Bremens voranbringen sollen. Auf Fröhlichs Liste stehen der Sportplatzneubau und die Zusage für eine weitere Schule für Farge, ein zusätzliches Wohngebiet in Rönnebeck mit Kita und Schule, die Sanierung des Zentrums mit Millionen-Zusagen vom Bund, der Bildungscampus im Kämmerei-Quartier.

Der Chef der Stadtteilverwaltung geht deshalb davon aus, dass der hohe Stimmenanteil der AfD nicht nur etwas mit Entscheidungen der Landes-, sondern nicht zuletzt der Bundespolitik zu tun hat. Aber auch damit, dass es noch dauern wird, bis die angekündigten Vorhaben in Blumenthal sichtbar werden. Ob es tatsächlich so ist, sollten ihm zufolge jetzt die Parteien in Gesprächen mit Blumenthalern klären. Was seiner Meinung nach zu einer Wahlanalyse unbedingt dazugehört. Genauso wie eine Reaktion darauf, was bei diesen Gesprächen herauskommt. Dass die AfD nicht im Beirat vertreten ist, hat ihm zufolge bisher an ihr selbst gelegen: Entweder traten ihre Vertreter aus der Partei aus oder legten ihr Mandat nieder. Aber das, meint er, muss ja nicht für immer so sein.

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