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Absage an Millionenprojekt Bremen stoppt Planungen für Sozialzentrum in Blumenthal

Die „Ermlandstraße 2020“ in Bremen-Blumenthal hätte für Kinder ein Paradies werden können. Doch die Stadt hat die Planungen gestoppt. Ursache ist die Kritik am missionarischen Eifer der Evangelikalen.
04.04.2020, 07:17 Uhr
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Bremen stoppt Planungen für Sozialzentrum in Blumenthal
Von Björn Struß

Ein Sozialzentrum mit Kita, Wohngruppe, Begegnungsstätte, Kantine und Indoor-Spielplatz – dieses Bauvorhaben stieß im Beirat Blumenthal vor fast genau einem Jahr auf breite Zustimmung. In einem Stadtteil, der mit Armut zu kämpfen hat, hielten die Politiker „Ermlandstraße 2020“ für ein wichtiges Zukunftsprojekt. Doch das Sozialzentrum hatte für Kritiker einen Haken. Bauherr des Zentrums und Träger der Kita sollte die Freie Christengemeinde des Sozialwerks Oldenburg sein. Zwei offene Briefe warnten damals vor den missionarischen Absichten der Evangelikalen. Inzwischen hat die Stadt Bremen dem Investor eine Absage erteilt. Das bestätigte Beiratssprecher Hans-Gerd Thormeier (CDU) auf Nachfrage.

„Wir brauchen Kita-Plätze in unserem Stadtteil. Umso trauriger ist es, dass dieses Sozialzentrum nicht kommt“, sagt Thormeier. Die Mehrheit der Beiratsmitglieder beurteile das Sozialwerk Oldenburg immer noch grundsätzlich positiv. „Der Beirat konnte bei dem Bauvorhaben nichts Negatives erkennen“, argumentiert Thormeier. Diese Aussage spiegelt auch das damalige Abstimmungsverhalten wider. Mit zehn Ja-Stimmen und drei Enthaltungen erntete die „Ermlandstraße 2020“ viel Zustimmung.

Die entsprechende Beiratssitzung am 1. April 2019 verfolgte Andreas Bähr damals noch als interessierter Bürger. Nach der Neuwahl der Bürgerschaft und der Stadtteilparlamente zog er für die Linke in den Blumenthaler Beirat ein. „Ich habe damals nur nebenbei mitbekommen, dass das Sozialwerk Oldenburg zu den Evangelikalen gehört“, erinnert sich der jetzige Mandatsträger.

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Die Institution tritt auf den ersten Blick so auf, wie andere Sozialverbände auch, die sich auf christliche Werte berufen. Dass die Evangelikalen und sogenannten „Pfingstler“ den Glauben deutlich konservativer auslegen, als staatlich anerkannte Kirchen, ist für Außenstehende auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen. Einige Freikirchen agieren aber offen homophob, bezeichnen Homosexualität als Krankheit. Kritiker werfen den Evangelikalen auch eine Nähe zu reaktionärem Gedankengut vor, welches etwa Teile der Republikaner in den USA verbreiten. Da Freikirchen aber – wie die Bezeichnung schon nahelegt – sehr autonom agieren, ist ein pauschales Urteil kaum möglich.

Das Engagement des Sozialwerks war für die Beiratsmitglieder im vergangenen Jahr unbedenklich. Sogar das damalige Beiratsmitglied der Linken stimmte nicht gegen das Bauvorhaben. „Das hat sich zunächst alles toll angehört“, sagt Bähr. Im Raum habe eine Investitionssumme von fünf Millionen Euro gestanden. „Die Problematik haben wir schlicht nicht erkannt“, beteuert Bähr. Erst die zwei offenen Briefe führten nach seinen Worten danach zu empörten Reaktionen.

Im Brief des Internationalen Bunds der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) wurde argumentiert, dass die Freie Christengemeinde Oldenburg eine Pfingstkirche sei und der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) angehöre. In diesem Dachverband der Evangelikalen seien auch „ultrareligiöse Sekten“ organisiert. Der Verfasser Herbert Thomsen störte sich auch am wachsenden politischen Einfluss der deutschlandweit rund 1,5 Millionen Evangelikalen, die sich „in einer permanenten Mission“ befänden. Doch der von Thomsen organisierte Widerstand kippte das Projekt zunächst nicht.

Erst die Koalitionsverhandlungen waren für die „Ermlandstraße 2020“ der Anfang vom Ende. Vor der Wahl hieß es, Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) wolle sich das Konzept des Sozialwerks noch einmal genauer ansehen. Vor etwa zwei Monaten bereitete Rot-Grün-Rot dem Bauvorhaben dann aber ein Ende. Laut Beiratssprecher Hans-Gerd Thormeier läuft die derzeitige Suche nach einem neuen Investor. Er bezeichnet die Gespräche als erfolgversprechend.

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