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Erinnerungskultur Friedensschule will Gedenken an nächste Generation weitergeben

Seit vielen Jahren bemüht sich die Internationale Friedensschule darum, die Erinnerung an die Naziverbrechen aufrechtzuerhalten. Nun ziehen die engagierten Bürger Bilanz und haben einen Wunsch für die Zukunft.
02.06.2025, 17:45 Uhr
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Friedensschule will Gedenken an nächste Generation weitergeben
Von Björn Josten

Die Gedenkwoche auf der Bahrsplate Anfang Mai sollte die letzte große Aktion der Internationalen Friedensschule sein. Da waren sich Renate Sonnenberg und Karsten Ellebrecht im Vorfeld der Veranstaltung ziemlich sicher. Zu groß sei der Aufwand und zu klein die aktive Gruppe. "Und wir werden alle nicht jünger", hieß es damals unisono. Nun, einige Wochen später und im Eindruck dieser Woche, klingen die beiden anders. "Wir ruhen uns jetzt erst mal aus und dann schauen wir weiter", sagt Renate Sonnenberg. "Wir haben noch eine Menge Ideen."

Ideen hatten die Mitglieder der Internationalen Friedensschule und ihres Vorläufers, des Antifaschistischen Arbeitskreises, immer schon. Im Mittelpunkt stand stets das Erinnern an die Verbrechen der Nazidiktatur. Im Sommer 1980 gründete Gerd Meyer, der damalige Leiter des Bürgerhauses in Vegesack, den Arbeitskreis. Der organisierte zunächst eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen aus dem KZ Theresienstadt. Ab 1982 gab es sogenannte antifaschistische Stadtrundfahrten durch den Bremer Norden. Diese führten die Teilnehmer an die Tatorte der Nazigräueltaten: nach Grohn, zum Vulkan-Gelände, auf die Bahrsplate, zum Bunker Valentin in Farge und an viele Orte mehr. "Ich habe damals geglaubt, wir müssen den Leuten nur erzählen, wie schlimm die Nazizeit war; dann würde so etwas nie wieder geschehen", sagt Renate Sonnenberg. Das habe sie und ihre Mitstreiter angetrieben. Damals mehr als heute war auch noch ein anderer Gedanke präsent, wie Ellebrecht ergänzt: "Die Täter sind unter uns."

Also wurde recherchiert. Dabei ging es auch darum, bis dato nicht bedachte Opfergruppen sichtbar zu machen. "Unser Wahlspruch war: Wir müssen allen Opfern gedenken." Und das nicht nur in Publikationen und bei Veranstaltungen, sondern auch an explizit ausgewiesenen Gedenkorten. So setzte sich auch die Friedensschule dafür ein, die Bahrsplate zu einem solchen Ort zu machen. 1985 war es soweit. "Damals hat die aktive Zivilgesellschaft diese Gedenkstätte eingefordert", erinnert sich Renate Sonnenberg. Auch beim Bestreben, den U-Boot-Bunker in Farge zur Gedenkstätte zu machen, war die Friedensschule unterstützend aktiv. 2015 wurde der Dokumentations- und Erinnerungsort schließlich als Denkort Bunker Valentin offiziell eröffnet.

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Für die engagierten Bürgerinnen und Bürger waren das schöne Erfolge. Allerdings stellen sie für Karsten Ellebrecht nur Etappenziele dar – wenn auch große und wichtige. "Gedenken ist ein Lack, der immer wieder aufgetragen werden muss", betont er.

Offiziell gegründet wurde die Friedensschule nach den Worten von Karsten Ellebrecht 1997. Ursprünglich sollte eine internationale Bewegung von Friedensschulen entstehen. "So etwas haben wir in Marzabotto gesehen", erinnert sich Sonnenberg. Allerdings sei der Ansatz dort ein anderer. Dort war die Friedensschule ein realer Ort. Die Bremer Auslegung war eine im Themenfeld aktive Gruppe. So ist es bis heute. Eine Massenbewegung war die Internationale Friedensschule dabei nie. "Wir waren eigentlich immer so um die zehn Aktive", sagt Sonnenberg, die selbst eine längere Pause bei ihrem Engagement eingelegt hatte und seit einiger Zeit wieder dabei ist. Heute ist der Kreis der stetig Engagierten auf eine Handvoll zusammengeschrumpft.

Mit den Jahren hat sich der Fokus der Gedenkarbeit verändert. "Die Historie ist relativ ausrecherchiert", sagt Ellebrecht, der selbst einschlägig publiziert hat. Seine Mitstreiterin sieht das leicht anders, weiß aber auch um den Aufwand dieser Nachforschungen – zumal diese auch institutionell betrieben würden. Bisher konzentriere sich die Forschung auf Täter und Opfer, auf Mittäter und Profiteure. "Aber was ist mit allen anderen?", fragt sie.

Einig sind sich beide in ihren Vorstellungen zur künftigen Ausrichtung der Gedenkarbeit. Es müsse nun darum gehen, Kontakte zu pflegen, neue herzustellen und in die nächste Generation zu tragen. Das schließt an einen Grundgedanken der internationalen Friedensschulen an, ehemalige Feinde in den gemeinsamen Dialog zu bringen. Diese Kontaktpflege gibt es schon seit vielen Jahren, beispielsweise mit Menschen im italienischen Marzabotto. In dem Ort nahe Bologna hatte die SS 1944 ein Massaker mit vielen Hunderten Toten angerichtet.

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Anfang Mai waren sieben Nachfahren von Spartaco Casarotto auf der Bahrplate bei der Friedensschule zu Gast. Er hatte als Insasse des dortigen Lagers Tagebuch geführt. Auszüge daraus haben seine Familienangehörigen nun vorgelesen. Der Kontakt zwischen Friedensschule und der italienischen Familie ist enger geworden. So stellt sich Ellebrecht die Kontaktpflege vor und verleiht seiner Hoffnung für die Zukunft Ausdruck: "Jetzt ist die jüngere Generation gefragt."

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