Seit Anfang des Jahres sind Stadtplaner dabei, das Blumenthaler Zentrum zu analysieren. Jetzt liegen erste Ergebnisse vor. Und die belegen nicht nur, was Stadtteilpolitiker seit Jahren beklagen, sondern machen zum ersten Mal das Ausmaß der Probleme anhand von Zahlen deutlich. Um sie zu lösen, soll der Ortskern zum Fördergebiet, wenn nicht sogar zum Sanierungsgebiet werden. Wie es aus Sicht der Behörde um den Ortskern steht – und wann sich entscheiden soll, welche städtebaulichen Instrumente eingesetzt werden. Die Bestandsaufnahme im Überblick.
Die Missstände: Jan Casper-Damberg sagt es gleich: Das Blumenthaler Zentrum hat seine Funktion verloren. Der Handel, meint er, ist kein Leitfaktor mehr. Der Stadtplaner der Baubehörde spricht von Verfall, Leerstand, Armutsfolgen. Und davon, dass vor Jahren der Versuch, den Niedergang der Geschäftsstraßen aufzuhalten, fehlgeschlagen ist. Mit der Folge, dass sich die Situation noch einmal verschlechtert hat. Casper-Damberg sagt, dass inzwischen nahezu alle Stadtzentren vor Problemen stehen – und dass sie in Blumenthal wirklich eklatant sind.
Nach den Zahlen der Gutachter, die eine Fläche von fast 64 Hektar im Ortskern untersuchen, steht jede fünfte Erdgeschosseinheit leer, in der Mühlenstraße sogar jede dritte. Unterm Strich kommen sie auf eine Leerstandsquote von rund zehn Prozent. Casper-Damberg sagt, dass das sehr, sehr viel ist. Der Zustand der Gebäude wird in 87 Prozent der Fälle als mittelmäßig bis schlecht bewertet. Bei drei Viertel der Häuser besteht entweder Modernisierungs- oder Instandsetzungsbedarf. Das gilt auch für fast alle öffentlichen Grünanlagen und Plätze.
Das Potenzial: Jedes zweite Gebäude im Blumenthaler Zentrum wird als stadtbildprägend eingestuft – und als bedeutend, weil historisch. Zu dieser Einschätzung kommen die Stadtplaner nicht nur bei Immobilien rund ums alte Rathaus und den Marktplatz, sondern auch bei vielen Bauten in umliegenden Straßen und Vierteln. Zum Beispiel dem Woll-Kämmerei-Quartier. Die Gutachter glauben, was auch die Politiker annehmen: Dass der Ortskern profitieren wird, wenn der Berufsschulcampus kommt – und aus dem Industriestandort auch einen Bildungsstandort macht.
Bahrsplate wichtiger Freiraum für Freizeitgestaltung
Unterschiedlicher Ansicht sind beide Seiten allerdings bei der Anbindung des Ortskerns durch Bus und Bahn. Die Planer der Baubehörde halten das öffentliche Nahverkehrsangebot für gut, die meisten Beiratsfraktionen dagegen für ausbaufähig. Genauso wie die Aufenthaltsqualität der Bahrsplate. Nach Ansicht der Gutachter ist die Grünanlage einer der wichtigsten Freiräume für die Freizeitgestaltung im Ortskern – und dessen unmittelbare Nähe zur Weser ein großes Plus für den Stadtteil, das unbedingt weiter ausgebaut werden sollte.
Die Forderungen: Auch wenn die Behörde noch prüft, ob das Zentrum nun Förder- oder Sanierungsgebiet wird, stellt sich für die Parteien des Stadtteilparlaments diese Frage nicht mehr. Sie wollen das Maximum an Unterstützung: eine Sanierung. Die Fraktionen argumentieren, dass durch eine Förderung zwar viele Probleme des Ortskerns gelöst werden können, aber eben nicht alle – und schon gar nicht solche, bei denen es um den Zustand und die Umnutzung von diversen Immobilien geht, die nicht der Stadt gehören, sondern verschiedenen Privatpersonen.
Die Beiratspolitiker wollen, dass das Zentrum zum Sanierungsgebiet wird, weil es den Behörden mehr Möglichkeiten bietet, Einfluss zu nehmen. Planer Casper-Damberg sagt es ähnlich. Ihm zufolge bekommt die Stadt in diesem Fall mehr Macht als im anderen. Nur bei einem Sanierungsgebiet hat sie das Vorkaufsrecht, kann jemanden enteignen und das Instrument des sogenannten Genehmigungsvorbehalts anwenden. Momentan gibt es kein Gebiet im Norden, das Sanierungsgebiet ist. Die Lüssumer Heide soll mithilfe eines Förderprogramms vorangebracht werden.
Gesprächsrunden und Onlinebefragung in Planung
Das Vorgehen: Was für ein Gebiet das Zentrum wird, soll sich im Herbst entscheiden. Dann ist ein Senatsbeschluss vorgesehen. So sieht es zumindest der Zeitplan von Casper-Damberg vor. Für den Stadtplaner ist die jetzige Analyse eine vorbereitende Untersuchung, quasi die Grundlage für eine Entwicklungsstrategie. Und an der sollen nach seinen Worten nicht nur sämtliche Ressorts mitarbeiten, sondern nach Möglichkeit auch alle Vereine, Parteien und Gremien des Stadtteils. Mehrere Gesprächsrunden sind geplant. Auch eine Onlinebefragung soll es geben.
Der Auftakt der Debatte ist für Juni anberaumt. Casper-Damberg sagt, dass die endgültigen Ergebnisse der Untersuchung dann im Beirat vorgestellt werden. Wie schnell erste Projekte fürs Zentrum umgesetzt werden können, wird sich zeigen. Fest steht, das Förder- und Sanierungsgebiete für mehrere Jahre eingerichtet werden. Eine Summe, die für Vorhaben im Blumenthaler Zentrum vorgesehen sind, kann der Stadtplaner bislang nicht nennen. Nach seinen Zahlen liegt der Bremer Anteil an Fördermitteln des Städtebaus für die Lüssumer Heide bei knapp zwölf, für Gröpelingen bei 23 Millionen Euro.