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Nach der Flut Hochwasser in Borgfeld: Betroffene fordern besseren Schutz

Borgfelder Bürger fordern nach der Flutkatastrophe besseren Hochwasserschutz und kritisieren die mangelnde Unterstützung von offizieller Seite. Worum es geht, das berichteten einige von ihnen im Beirat.
17.01.2024, 16:02 Uhr
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Hochwasser in Borgfeld: Betroffene fordern besseren Schutz
Von Antje Stürmann

Bewegende Momente im Borgfelder Beirat: Vom Hochwasser betroffene Menschen in Borgfeld und Timmersloh berichteten am Dienstagabend, wie sie die Flut und den Kampf gegen die Wassermassen erlebt haben. Sie appellieren an die Verantwortlichen, die Deiche in Timmersloh zu verstärken und bessere Hilfsstrukturen für den Notfall zu schaffen.

"Unklar, ob der Deich hält"

Der Timmersloher Jürgen Scheer war einer derjenigen, die mit Nachbarn, Feuerwehrleuten und Vertretern des Deichverbands acht Tage lang involviert waren. "Wir haben mit 300 Menschen geholfen, den Deich zu schützen", sagte er. Tag und Nacht hätten sie unter anderem 20.000 Sandsäcke gefüllt und an verschiedenen Stellen platziert. Am zweiten Weihnachtsfeiertag sei das Wasser auf einem Deichabschnitt von rund 70 Metern nur noch von den Sandsäcken aufgehalten worden. "Die Deichkrone lag zehn Zentimeter unter Wasser. Wenn wir nicht noch einmal 10.000 Sandsäcke draufgepackt hätten, wäre das Wasser drübergegangen." Auf einen Deichbruch, sagte Scheer, hatte man sich in Timmersloh schon vorbereitet. "Sechs Tage lang war unklar, ob der Deich hält. Wenn die SPD behauptet, die Deiche sind sicher, dann kann man sagen: Das stimmt nicht."

Unterstützungsangebote oder Nachfragen von den Bremer Behörden und aus Borgfeld, sagte Scheer, habe es in dieser akuten Phase des Hochwassers wenige gegeben. Seine Kritik richtet sich an den Senat und an den Beirat. Er sei fassungslos über dessen Nichtpräsenz während der Akutphase. "In Timmersloh haben Leute aus Achim, Fischerhude und Landwirte aus Grasberg mit ihren Treckern Sandsäcke gefahren und geholfen, dass die Deiche stabil bleiben; eine Familie hat eine Woche lang auf einer Insel gelebt." Außer Heike Klatte und Birgit Wellhausen (beide CDU) habe sich vor Ort kein Beiratsmitglied blicken lassen und Unterstützung angeboten. Umso mehr hoffe er darauf, dass sich der Beirat nun dafür einsetzt, dass der Deichverband finanziell besser ausgestattet wird, um den Hochwasserschutz zu stärken.  

Büsche behindern den Wasserabfluss

Dass die Deiche verbessert werden müssen, bestätigte Jürgen Schilling, der seit mehr als zwei Jahrzehnten dem Deichamt des Bremischen Deichverbands am rechten Weserufer angehört. "Das sind alles Sanddeiche, die müssen mit Klei überzogen werden, um sie stabiler zu machen." Ein anderes Problem seien Büsche, die den Wasserabfluss stoppen. Außerdem sollten die Politiker in Niedersachsen und Bremen gemeinsam überlegen, wie sie steigende Flusspegel besser managen. Eine Idee sei, sich nicht, wie bisher, an den Pegelständen zu orientieren. "Wenn abzusehen ist, dass das Wasser hoch steigt, muss reguliert werden", so Schilling. "Es muss hier etwas passieren, das Hochwasser kommt wieder, das kann schon morgen nach der großen Schneeschmelze sein".

Der ehemalige, langjährige Deichhauptmann Michael Schirmer dagegen wiederholte, was der Geschäftsführer des Bremer Deichverbands am rechten Weserufer am Montag sagte. "Die Deiche entsprechen dem Stand der Technik, auch die Ringdeiche." Es handele sich jedoch um uralte Deiche. "Dieses ist ein Hochwasser, wie es alle hundert Jahre zu erwarten ist." Schirmer sprach von einer Herausforderung.

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Diese erlebten viele Borgfelder und Timmersloher hautnah. Anwohnerinnen vom Erbrichterweg und aus Timmersloh schilderten, wie hilflos und "völlig abgeschnitten" sie sich fühlten. Der schlimmste Moment sei der gewesen, als ohne Ankündigung für eine Woche der Strom abgestellt wurde. Die Pumpen fielen aus und die Keller liefen voll, bis nach Tagen benzinbetriebene Generatoren zur Verfügung standen. "In dieser ersten Zeit war man sehr alleine."

Gefehlt habe eine zentrale Koordination, die auch jene im Blick hat, die sich nicht selbst helfen können, hieß es. Helga Dwortzak fasste die Situation für Timmersloh so zusammen: "Keine Müllabfuhr, kein Essen für ältere Menschen, keine Tageszeitung – es ist befremdlich, von der Außenwelt ausgeschlossen zu sein." Timmersloh habe sich selbst organisiert und geholfen.

Problematisch sei auch die Kommunikation gewesen. Das Hochwasser habe die Menschen über Nacht getroffen. "Wir sind nicht gewarnt worden, obwohl Bremen am 23. Dezember in den Krisenmodus gewechselt ist", kritisierte eine Betroffene. Eine Hausbesitzerin, deren Keller an der Katrepeler Landstraße vollgelaufen ist, beklagte, dass die Behörden in Bremen kein Wort über den "brutal steigenden Grundwasserspiegel" verloren hätten. "Es bedarf dringend einer Verbesserung dieser Strukturen", forderte eine Borgfelderin. Zur Verteidigung des Beirats sagte Sprecher Jörn Broeksmid: "Wir als Feierabendpolitiker haben keine Ressourcen, einen Whatsapp-Kanal wie in Lilienthal zu betreuen." Das müsse Bremen organisieren. FDP-Politiker Gernot Erik Burghardt sagte, der Beirat verfüge auch nicht über die finanziellen Mittel, um den Deichschutz voranzubringen. 

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Gedanken machen sich einige Borgfelderinnen und Borgfelder auch darüber, wie sie die Reparaturen der massiven Schäden an ihren Häusern bezahlen sollen. Jürgen Scheer bat den Beirat, sich vor allem für drei besonders betroffene landwirtschaftliche Betriebe in Timmersloh einzusetzen, wenn es um Soforthilfen gehe. "Es wäre schade, wenn diese Bauern ihren Betrieb einstellen würden."

Der Borgfelder Beirat verabschiedete mit großer Mehrheit drei Anträge der CDU, mit denen er die Aufarbeitung des Hochwassers, größere und schnelle finanzielle Unterstützung für Geschädigte sowie die Verbesserung des Hochwasserschutzes in Bremen forcieren möchte.

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