In einer Petition an die Bremische Bürgerschaft wird die Situation rund um den Burger Bahnhof drastisch geschildert. Personen, die in der Arztpraxis an der Bremer Heerstraße mit Methadon und anderen Wirkstoffen substituiert werden, heißt es darin, "belagern die Treppen, dealen, kochen ihre Drogen an den Gleisen, pöbeln die an den Bahnsteigen wartenden Fahrgäste an, oder betteln, oder versuchen anderweitig an Geld zu kommen. Teilweise sitzen, stehen und liegen dort bis zu 50 Personen". Die Petition wurde im November eingereicht.
Tatsächlich werden in der genannten Praxis bereits seit Sommer vergangenen Jahres keine Drogenersatzstoffe mehr ausgegeben. Ende Mai 2022 hat es in dem Haus gebrannt, das Substitutionsangebot wurde nach Marßel verlegt. Sind die Verhältnisse am Burger Bahnhof trotzdem so, wie in der Petition beschrieben? Immerhin beschweren sich Anwohner, Pendler und Geschäftsleute schon seit Jahren immer wieder über die Umstände vor Ort. Die Polizei, Mitarbeiter der Substitutionspraxis und Streetworker bemühten sich ebenso lange um eine Verbesserung.
Im dortigen Brepark-Parkhaus "leben einige dieser Personen, meist begleitet von ihren Hunden", schreibt der Petent außerdem. Und weiter: "In den Abendstunden ist es erschreckend, wie viel Müll sich dort in den Treppenhäusern angehäuft hat." Sein Fazit: "Das Parkhaus sollte man meiden, wenn man nicht täglich in Müll, Spritzen, Erbrochenem oder Fäkalien treten möchte."

Mitarbeiter der Brepark kontrollieren das Parkhaus am Bahnhof Burg nach Angaben der Parkhausgesellschaft mindestens zweimal täglich.
Bei zwei Besuchen vor Ort stellt sich die Situation anders dar. Zwar riecht es im Treppenhaus des Parkhauses penetrant nach Urin. Müll oder gar Spritzen sind jedoch nicht zu sehen. Allerdings liegen hinter dem Gebäude an Gleis 2, in dem sich der Bahnhofskiosk befindet, zwischen Rattenköderstationen zahlreiche Kronkorken und Glas zerbrochener Bierflaschen – offenbar Hinterlassenschaften vergangener Trinkgelage. Trotz des Sonnenscheins hält sich – abgesehen von Fahrgästen – zu diesem Zeitpunkt niemand am Bahnhof auf.
Als Verkehrsknotenpunkt steht der Bahnhof ohnehin im Fokus der Polizei. Hinzu kamen bereits in der Vergangenheit Einsätze, die unter anderem mit Beschwerden von Anliegern und Fahrgästen über Belästigungen durch Menschen unter Alkohol- und Betäubungsmittel-Einfluss zusammenhingen. In den vergangenen Wochen wurden die Maßnahmen noch einmal intensiviert. "Infolge der in der Petition dargelegten Situation wurden die regionalen Einsatzkräfte sowie die zuständigen Kontaktpolizistinnen und Kontaktpolizisten des Polizeikommissariats Lesum schriftlich sensibilisiert", teilt Jana Schmidt aus der Polizei-Pressestelle mit. Uniformierte und zivile Polizisten seien regelmäßig vor Ort.
Laut Polizei reisen die substituierten Personen häufig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln über den Bahnhof Burg an- und wieder ab, halten sich jedoch nur vereinzelt länger vor Ort auf. "Dennoch ist feststellbar, dass sich im Bereich des Bahnhofs Personen treffen, die erkennbar der Drogen- und Alkoholszene zuzuordnen sind." Kleingruppen verteilten sich im gesamten Bahnhofsbereich sowie im Parkhaus. Drogenhandel oder öffentlichen Konsum könne die Polizei bisher nicht bestätigen. Auch nicht, dass Menschen im Parkhaus übernachten. "Das schließt nicht aus, dass dies in Einzelfällen dennoch geschieht."
Mitarbeiter der Parkhausgesellschaft Brepark kontrollieren das Parkhaus mindestens zweimal täglich, betont Darja Koch, die bei der Brepark als Assistenz der Geschäftsleitung und in der Öffentlichkeitsarbeit tätig ist. Sollte sich Unrat oder Sonstiges in dem Parkhaus befinden, werde dies unverzüglich entfernt. "Personen, die sich unberechtigt in unserem Parkhaus aufhalten, werden des Gebäudes verwiesen, erhalten im Wiederholungsfall ein Hausverbot und gegebenenfalls eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch."
Seit die Drogensubstitution etwa 2,7 Kilometer entfernt in einer Praxis an der Stockholmer Straße angeboten wird, hat sich die Situation fühlbar entspannt, sagt Anke Hausmann, die mit ihrem Mann Niels Hausmann das benachbarte Geschäft „Inside Möbel“ betreibt. "Es ist ruhiger geworden", berichtet die Geschäftsfrau. Allerdings geht sie nicht von einer dauerhaften Entspannung der Lage aus. "Wir wissen ja nicht, ob die Praxis wieder öffnet." Sechs bis acht Personen aus der Drogenszene seien noch regelmäßig vor Ort, so Hausmann. "Auch auf dem Oberdeck des Parkhauses sind regelmäßig Leute", hat sie beobachtet.
Wolfgang Adlhoch, Mitarbeiter in der Leitung des ambulanten Drogenhilfe-Trägers Comeback GmbH, der bis Mai 2022 mit Sozialarbeitern am Bahnhof Burg im Einsatz war, berichtet ebenfalls von etwa acht Personen, die sich dort derzeit noch regelmäßig aufhalten. Das Streetworker-Projekt vor Ort war bereits vor dem Brand in der Arztpraxis eingestellt worden, weil kein Bedarf mehr gesehen wurde. Trotzdem schauen zwei Sozialarbeiterinnen immer noch in unregelmäßigen Abständen vorbei. "Sie berichten, dass die Leute jetzt vermehrt in Marßel an einem Rondell sind, seit dort das Methadon ausgegeben wird." Bei Bedarf sei die Comeback GmbH bereit, die Sozialarbeit vor Ort wieder aufzunehmen. Aus Sicht der Streetworker sei das derzeit aber nicht notwendig. In Marßel sei der Bedarf aktuell größer.
Offenbar sind nicht allein Menschen aus der Drogenszene verantwortlich für die Missstände. Laut Polizei ist abgesehen vom Parkhaus im Bereich des Bahnhofs samt Umgebung eine "grundsätzliche Verschmutzung durch Müll oder andere Verunreinigungen, insbesondere an den Wochenenden" feststellbar. "Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass an den Wochenenden der Bahnhof vermehrt von feiernden, alkoholisierten Personen frequentiert wird", so Jana Schmidt. Eine regelmäßige Reinigung werde durch die Deutsche Bahn und die Bremer Straßenbahn AG veranlasst.
Neben einem Einbruch in ihr Geschäft Ende vergangenen Jahres sind für Anke und Niels Hausmann aktuell – wie bereits seit Jahren – die fehlenden Toiletten am Bahnhof ein riesiges Problem. "Die Leute pinkeln überall hin, auch direkt an unseren Parkplatz, auf dem unsere Kunden parken. Es stinkt entsetzlich." Auch das Parkhaus wird offensichtlich als Toilettenersatz genutzt. Nach Ansicht von Anke Hausmann hatte auch das Urinal, das auf behördliche Anordnung im Mai 2022 wieder abgebaut werden musste, keine Besserung gebracht, "weil der Abfluss einfach über einen Schlauch in einen Kanal lief".