Stop-and-go, Stau, Zeitverlust, Chaos auf den Umleitungsstrecken – seit mehr als einem Jahr arbeitet die Autobahn GmbH an der A 270. Ebenso lange leiden viele Nordbremer unter Verkehrseinschränkungen. In beide Richtungen steht jeweils nur ein Fahrstreifen zur Verfügung, es gilt Tempo 60 und Überholverbot. Immer wieder gibt es – arbeits- oder unfallbedingt – Vollsperrungen. Seit Anfang vergangener Woche hat sich die Verkehrssituation noch einmal erheblich verschärft, denn seitdem saniert die Autobahngesellschaft des Bundes auch den Verkehrsknotenpunkt in Ihlpohl. Hier läuft der Verkehr von A 27, A 270 und B 74 zusammen. Ralf Stahl, Mitgeschäftsführer des in Blumenthal ansässigen Unternehmens Gebrüder Stahl GmbH, bezeichnet die Situation als absolute Katastrophe.
Wegen der Bauarbeiten in Ihlpohl können Verkehrsteilnehmer, die von der A 27 kommen und die Abfahrt Bremen-Nord nehmen, seit dem 13. Mai nicht direkt auf die A 270 fahren. Den Weg zu finden, ist besonders für ortsunkundige Fahrer ein riesiges Problem, weiß Stahl. Sein Unternehmen, das auf die Logistik und den Transport von Haushaltsgroßgeräten spezialisiert ist, wird regelmäßig von Herstellern aus dem In- und Ausland beliefert. "Sie kommen alle verspätet an. Die Fahrer stecken irgendwo in Lesum fest und wissen überhaupt nicht mehr, wo sie sind."
Überstunden und höhere Kosten
Das Unternehmen selbst beliefert wiederum mit 40 eigenen Lkw Händler im Umkreis von 150 Kilometer. "Wir haben unsere Mitarbeiter wegen der Sperrung in Ihlpohl in der vergangenen Woche angewiesen, dass alle, die über die A 27 kommen, bis Schwanewede fahren sollen", so Stahl. Von dort ist Blumenthal über die Schwaneweder Straße erreichbar. "Die ist aber ebenfalls überlastet." Die Folgen seien Überstunden und höhere Kosten.
Der Firmenmitinhaber kritisiert die Kommunikation der Autobahn GmbH. Auch die Ausschilderung müsste besser sein, findet er. Weitere Baustellen in Bremen-Nord verschärften die Situation zusätzlich. "Nun ist auch noch die Landrat-Christians-Straße in Richtung Vegesack gesperrt. Wir kommen momentan nicht einmal zu unserem Reifenhändler", ärgert sich Ralf Stahl. Er ist nicht der einzige, der massive Auswirkungen der Verkehrssituation beklagt.
Auswirkungen in Nachbargemeinde
Die Gemeinde Ritterhude teilt mit, dass die Bauarbeiten an der Kreuzung und Auffahrt auf die A 270 in Ihlpohl zu einem massiven Verkehrschaos in Ihlpohl und Platjenwerbe geführt haben. "Die von den zuständigen Verkehrsbehörden vorgesehenen Umleitungen, ausschließlich über Bremer Gebiet, werden wenig genutzt. Stattdessen führt ein sogenannter Baustellenschleichverkehr dazu, dass Platjenwerbe und Ihlpohl, gerade der Rosenhügel bei Kaufland massiv genutzt werden." Auch die Freie Feldflur in der Bremer Schweiz sei verbotenerweise befahren worden. Beeinträchtigungen habe es auch in den Straßen Klemperhagen und Dorfstraße gegeben. Für den Zeitraum des zweiten Bauabschnitts, der am 24. Mai gestartet ist und bis zum 6. Juni dauern soll, rechnet die Gemeinde Ritterhude ebenfalls mit Problemen.
Für Mathias Hartmann, Geschäftsführer der Bauplan Bauelemente Bremen GmbH in Blumenthal, sind die Auswirkungen der Arbeiten an der A 270 allein schon problematisch: "Wir sind massiv betroffen. Wir sind mit vier Fahrzeugen im Service und Kundendienst unterwegs und fahren mehrfach täglich über die A 270. Für uns verlängert sich die Fahrtzeit insgesamt schnell mal um zwei Stunden am Tag." Hartmann ärgert, dass die Fahrbahn in Richtung Blumenthal nicht wieder freigegeben wird, obwohl sie scheinbar schon längst fertig zu sein scheint.
Arbeiten sind nicht sichtbar
Auch dass wochenlang kein einziger Arbeiter auf der gesamten Strecke zu sehen ist, regt ihn auf. Von der Politik in Bremen wünscht er sich, dass sie sich für eine schnellere Fertigstellung der Autobahn in Bremen-Nord einsetzt. "Sie sollten sich nicht auf Sonderprojekte wie Fahrradzonen konzentrieren, sondern darauf, dass der Verkehr läuft, damit Handwerker, Zulieferer, Spediteure und Pendler von A nach B kommen."
Das Team des in Aumund ansässigen ambulanten Pflegedienstes Rass Pflegeservice GmbH steht infolge der Bauarbeiten ebenfalls häufig im Stau. Sabine Foss, Koordinatorin für Betreuungs- und Haushaltsdienstleistungen, schildert: "Die Fahrtzeiten verlängern sich für uns durch den Stop-and-go-Verkehr im Baustellenbereich." In der Folge erhöht sich der Verbrauch der Fahrzeuge, die Tankkosten steigen. "Die Pauschalen der Kranken- und Pflegeversicherungen erhöhen sich natürlich nicht", so Foss.
Zu spät zu den Pflegestellen
Sie erläutert: "Wenn es bei der ersten Pflegestelle vier Minuten Verzug gab, sind es bei der zweiten schon sieben Minuten und so weiter. Der gesamte Dienst verzögert sich und wird gehetzt beendet." Die Mitarbeiterin des Pflegedienstes zieht einen Vergleich zu anderen Ländern: "Dort sind die Trupps in 24-Stunden-Schichten im Einsatz und in sieben Monaten fertig. Bei uns wird nur von 8 bis 16 Uhr gearbeitet und es dauert zwei Jahre. Ich kann nicht verstehen, dass die Vergabe so läuft."
Sebastian Hadler, Inhaber des Getränkefachgroßhandels Getränke Gehlert, beliefert mit seinem Team Privatkunden, Vereine und Firmen. Mit insgesamt drei Wagen bringen sie Getränke vom Betriebsgelände an der Hermann-Fortmann-Straße aus zu den Kunden. Das Unternehmen ist zusätzlich von der Sperrung der Eisenbahnunterführung in Vegesack betroffen. Sie ist seit mittlerweile drei Jahren dicht. "Ich habe kürzlich eine Stunde gebraucht, um nach einer Auslieferung von den Industriehäfen zum Firmengelände zu kommen", erzählt Hadler, der sich darüber ärgert, dass die Abfahrt Vegesack Hafen noch immer gesperrt ist. "Meiner Meinung nach hätte man die schon längst wieder freigeben können." Ansonsten sieht er die Situation pragmatisch. "Fakt ist, dass die A 270 neu gemacht werden muss. Das steht außer Frage. Dass das Zeit kostet, ist auch klar. Es bringt nichts, sich aufzuregen."