Sie sind zur Stelle, wenn Menschen Hilfe brauchen. Nach einem Unfall, wenn es brennt und in anderen Notlagen: Bei lebensbedrohlichen Gefahren sind Einsatzkräfte schnell vor Ort. Die Ausnahmesituationen, auf die sie treffen, sind nicht nur für die Betroffenen belastend. Manchmal leiden auch die Kräfte im Rettungsdienst, Feuerwehrleute und Polizisten unter den Erlebnissen. Und dann kann es sein, dass die Helfer selbst Hilfe benötigen. Für diesen Fall gibt es Einsatznachsorge-Teams. Demnächst wird dieses Angebot noch abgerundet durch ein Trainingszentrum in Lesum, das die Frauen und Männer auf belastende Situationen vorbereiten soll.
Sowohl die Feuerwehr als auch die Polizei, das THW und das Deutsche Rote Kreuz haben Einheiten, die sich um die psychosoziale Versorgung der Helfer kümmern. Marco Dodt, Leiter des Einsatznachsorge-Teams der Feuerwehr Bremen, weiß, welche Einsätze oftmals schwieriger zu verarbeiten sind, als andere. "Wenn Kinder beteiligt sind, ist die Anspannung auch für uns von Anfang an besonders groß. Das löst immer einen hohen Stresslevel aus", nennt der 61-Jährige, der als Fachberater für Gefahrgut in der Feuerwache 5 an der Gottlieb-Daimler-Straße arbeitet, ein Beispiel.
Dodt gehört schon zum Einsatznachsorge-Team, seit es 2009 bei der Feuerwehr Bremen fest installiert wurde. Als Peer (englisch für Kollege oder Gleichberechtigter) steht er Kolleginnen und Kollegen bei Bedarf nach belastenden Situationen zur Seite. Neben ihm gehören noch zwei weitere Peers zum speziell geschulten Team, außerdem eine Psychologin, die bei Bedarf hinzugezogen werden kann. "Weitere fünf Kollegen arbeiten als Lotsen und stellen den Kontakt zum Einsatznachsorge-Team her", erläutert der Vater von sechs Kindern.
Die Hilfe von Kollegen für Kollegen sei besonders wichtig. "Es ist von Vorteil, wenn der Ansprechpartner aus den eigenen Reihen kommt." Das weiß er aus eigener Erfahrung. Weil die Peers ebenfalls Feuerwehrleute sind, können sie die Situationen gut nachvollziehen und kommen nicht als Außenstehende hinzu. Er erinnert sich an eine Situation, die ihn besonders beschäftigte. Damals, im Jahr 2005, war er Wachabteilungsleiter. Er erlebte mit, wie ein junger Mann von einem Dach sprang. "Er hat überlebt, sich nur den Oberschenkel gebrochen. Das Geräusch höre ich noch heute." Dodt sprach damals mit seinem Stellvertreter über das Erlebte. "Er war ein gestandener Hauptmeister, kurz vor der Pensionierung". Das Gespräch habe ihm geholfen. "Das war ein Grund für mich, in das Einsatznachsorge-Team zu gehen."
Nach potenziell belastenden Einsätzen bietet das Team eine Nachbesprechung für die gesamte Gruppe an. Anders als bei anderen Einsatznachbesprechungen, steht dabei nicht die technische Seite im Vordergrund. Es geht um emotionale Aspekte. "Warum hat der eine Kollege so reagiert und der andere ganz anders? So etwas besprechen wir. Ziel ist, die Kollegen zu stärken", sagt Dodt. Hilfe direkt vor Ort, womöglich während der Einsatz noch läuft, sei dagegen kontraproduktiv, betont er.
Die Unterstützung des Einsatznachsorge-Teams ist nicht nach jedem belastenden Einsatz erforderlich. "Die erste und wichtigste Prävention sind Gespräche mit Kollegen", sagt Dodt. Er betont, dass bestimmte Reaktionen nach belastenden Ereignissen zudem normal seien. Wenn bestimmte Anzeichen wie Schlaflosigkeit, Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle oder Angst jedoch über Wochen andauern und sich nicht bessern, dann sei es wichtig, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Trainingszentrum in Planung
Ob eine Situation sich belastend auf die Psyche auswirkt, hat auch mit anderen Faktoren zu tun, weiß der erfahrene Feuerwehrmann. "Wenn der Stresslevel schon vorher, zum Beispiel aus privaten Gründen, hoch war, dann wirkt sich der Stress durch den Einsatz zusätzlich aus", erläutert er. Wichtig sei deshalb Prävention. Das Einsatznachsorge-Team stellt sich künftigen Feuerwehrleuten bereits im Grundausbildungslehrgang an der Feuerwehrschule vor. "Es geht unter anderem darum zu zeigen, welche Belastungen auf die Einsatzkräfte zukommen können und schon vorab Ressourcen aufzubauen." Einigen helfe die Familie, andere stärkten sich durch Sport oder Hobbys.
In diesem Zusammenhang freut sich Marco Dodt über das geplante Trainingszentrum für Einsatzkräfte, das der ASB in Lesum bauen wird. Durch ein sogenanntes reflexives Einsatztraining sollen Einsatzkräfte dort künftig gestärkt werden, damit sie professionell mit belastenden psychischen Situationen im Beruf umgehen können. Der Feuerwehrmann betont: "Wir kommen nur ins Spiel, wenn alle Ressourcen nicht mehr ausreichen."
Im Notfall ist das Einsatznachsorge-Team für die Feuerwehrleute rund um die Uhr über die Einsatzleitzentrale erreichbar. In der Regel stehen die Mitglieder ihren Kollegen aber montags bis freitags für den Erstkontakt telefonisch zur Verfügung. "Häufig ist es so, dass der Betroffene nicht selbst anruft. Oftmals sind es Kollegen oder Vorgesetzte, die sich bei uns melden." In jedem Fall, so Dodt, sei es wichtig, Hilfe in Anspruch zu nehmen.