Fotografien entstehen häufig mit der Absicht, Dinge und Situationen als Abbild der Realität festzuhalten. Sie sollen deutlich erinnern: an Momente, Eindrücke, Erlebnisse. Auch die Fotografien von Isabella Berr rufen Erinnerungen wach. Dabei sind ihre Motive eines nicht: eindeutig. Die Künstlerin arbeitet mit Unschärfe, mit Spiegelungen, sie deutet an, lässt den Betrachter nach Greifbarem suchen. Sie fotografiert durch Milchglasscheiben, Vorhänge oder Folien, dahinter wirken die zufällig anwesenden Menschen schemenhaft, schattenartig. Häufig erfasst sie mehrere Räume und Dimensionen gleichzeitig, so entsteht der Eindruck von Zwischenwelten. Sie lässt Farben und Formen wirken, erzeugt dadurch zum Teil den Eindruck, die Bilder seien gemalt. Beim Betrachter rufen ihre Fotos ganz individuelle Assoziationen hervor – und wecken damit jeweils eigene Erinnerungen.

Isabella Berr fotografiert durch Milchglasscheiben oder durchsichtige Folien, dahinter wirken die zufällig anwesenden Menschen schemenhaft, schattenartig.
Isabella Berrs Werke sind Teil des stadtteilübergreifenden Kunstprojekts "Mnemosyne – Erinnerung.Wirklichkeit.Geschichte(n)", das Inga Harenborg, Kuratorin der Stiftung Haus Kränholm, für öffentliche Orte in Bremen-Nord entworfen hat: Kränholm und Knoops Park, das Geschichtenhaus in Vegesack und den Denkort Bunker Valentin. Konzipiert hat sie es im Auftrag der Wirtschaftsförderung Bremen im Zusammenhang mit dem Freizeit- und Naherholungskonzept (Funk) für Bremen-Nord. Die Stiftung Haus Kränholm und der Förderverein Knoops Park sind beteiligt. Kooperationen gibt es unter anderem mit der Landeszentrale für politische Bildung und der Arbeitnehmerkammer.
Mnemosyne: eine Gestalt der griechischen Mythologie
Mnemosyne, erläutert Inga Harenborg den Titel des Kunstprojekts, ist eine Gestalt der griechischen Mythologie sowie ein Fluss in der Unterwelt, dessen Wasser Erinnerung herbeiführte. "Das Projekt erkundet unterschiedliche Erinnerungsräume und Ebenen, individuelle, privat und kollektiv gesellschaftlich", sagt sie. Woran, wie und warum erinnern Menschen sich? Wie lässt sich Erinnerung bewahren? Welche Funktion haben Gedenkstätten? Diese und weitere Fragen stehen hinter Harenborgs Konzept. Durch die Präsentation der künstlerischen Arbeiten an unterschiedlichen Orten will sie verschiedene Zugänge zum Thema ermöglichen, zum Nachdenken anregen, die Wahrnehmung verändern.
Start in der Langen Nacht der Museen
Bereits ab kommenden Sonnabend, in der "Langen Nacht der Museen", sind Fotografien von Isabella Berr unter dem Titel "Momente von Realität und Wirklichkeit" in der Galerie des Kunstcafés Kränholm zu sehen. Dann wird auch die eigens für den Denkort Bunker Valentin entwickelte Filmprojektion "Rivka" der Künstlergruppe Mabel 4711, zu der neben Inga Harenborg ihre Söhne Itamar und Yarin Harenborg Reuveni gehören, erstmals präsentiert. Die Projektion nimmt den historischen Bezug zwischen dem Denkort in Farge und der Gedenkstätte Bergen-Belsen in einer künstlerischen Form auf. Rivka ist der Vorname einer Überlebenden, die im Konzentrationslager Bergen-Belsen war. In den ersten Ankündigungen zur "Langen Nacht der Museen" wurde er versehentlich mit "f" geschrieben. Ab dem Sommer sollen dann zwei weitere Orte bespielt werden: die Außenfassade des Geschichtenhauses in Vegesack und Knoops Park.
Fotos von Isabella Berr in Knoops Park
In den nächsten Wochen werden ausgewählte Arbeiten von Isabella Berr auf große transparente Bildträger aus Acrylglas aufgebracht und wie Skulpturen an mehreren Stellen im Park aufgestellt. Ihren vielschichtigen Fotografien wird durch die Platzierung im Landschaftspark auf diese Weise eine weitere Dimension hinzugefügt.

Fotografien von Isabella Berr sollen ab Sommer auch in Knoops Park gezeigt werden.
"Bewegungen von Gräsern, Sträuchern, Bäumen und Wasser können direkt in den fotografischen Bildraum einwirken und so zu einem aktiven Teil des Bildes werden", erläutert Inga Harenborg. Hinzu kommt die Wirkung der Natur, Gerüche, Geräusche, Wind, die wiederum Einfluss auf die Wahrnehmung des Betrachters hat.
Bild in Verbindung mit Architektur
Ähnlich, allerdings in Verbindung mit Architektur, soll die Wirkung sein, wenn ein transparentes Foto vor dem Treppenhaus des Vegesacker Geschichtenhauses angebracht wird. Harenborg: "Der Raum hinter dem Foto wird zur Bewegungsebene, wenn Menschen durch das Treppenhaus laufen oder der Fahrstuhl sich auf- oder abwärts bewegt." Und auch durch die Projektion im Denkort Bunker Valentin werden Orte verbunden. Häftlinge aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen wurden als Zwangsarbeiter nach Farge geschickt, von dort wiederum kamen Menschen auf Todesmärschen nach Bergen-Belsen, erläutert die Kuratorin den Zusammenhang.
Filmaufnahmen aus der Gedenkstätte Bergen-Belsen
Sie hat in der Gedenkstätte Bergen-Belsen Filmaufnahmen gemacht. Gefilmt hat sie durch eine Fensterscheibe vom Innen- in den Außenraum. Harenborg: "Zu sehen sind Bäume, die auf dem Gelände stehen. Früher standen dort die Baracken der Gefangenen. Sie wurden nach der Befreiung durch die britische Armee aufgrund von Seuchengefahr niedergebrannt. Eine unüberschaubare Zahl von Leichen liegt vermutlich noch heute in der Erde. Der Ort ist ein großes Grab." Auf der Fensterscheibe spiegelt sich gleichzeitig der Innenraum der Gedenkstätte. Diese Aufnahmen werden auf das Innenfenster zum Tauchbecken des Bunkers Valentin projiziert. "So verbinden sich die Räume Bergen-Belsens mit dem Wasser des Bunkers Valentin", sagt Harenborg, die damit unterschiedliche Erinnerungsräume miteinander in Verbindung bringt.