Herr Roth, für Ihren Vorgänger gab es zwischen dem Norden und Westen der Stadt kaum Unterschiede. Wie ist Ihr Eindruck nach den ersten zwei Monaten?
Nicolai Roth: Die Bevölkerungsstruktur weist zum Teil große Unterschiede auf. Mancherorts ist sie bürgerlich, andernorts – zum Beispiel in Teilen des nördlichen Stadtgebiets – auch geprägt durch den Zuzug von Geflüchteten. Das ist eine Herausforderung. Jeder Stadtteil hat, wenn man so will, eine eigene Note.
Welche eigenen Noten haben denn Burglesum, Vegesack und Blumenthal aus polizeilicher Sicht?
Es gibt in allen drei Stadtteilen ähnliche Problemlagen, was den Verkehr angeht. Überall wird abschnittsweise schneller gefahren als erlaubt. Darum bin ich froh, dass wir mit den neuen Bußgeld-Sätzen mittlerweile ein anderes Instrument der Sanktionierung haben.
Und was ist mit den Unterschieden?
Im Bereich der Straftaten gibt es bestimmte Phänomene, die nicht auf alle Stadtteile übertragbar sind. Nehmen wir zum Beispiel das Wohnumfeld der Grohner Düne, das eine Herausforderung darstellt, die es so in Blumenthal und Burglesum nicht gibt.
Welches Gebiet hat Sie bisher mehr beschäftigt: der Norden oder der Westen?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Fest steht, dass ich mit dem Senatsbeauftragten für den Norden und dem Ortsamtsleiter von Blumenthal verabredet habe, auf Entwicklungen im Stadtteil anders zu reagieren als bisher.
Was meinen Sie damit?
Ich meine beispielsweise die Situation in der Mühlenstraße und der George-Albrecht-Straße. Beide Straßenzüge sind für uns Schwerpunktthemen, wenn es um Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung geht. Und alle drei Themen wollen wir verstärkt in den Fokus nehmen und mit anderen Institutionen begleiteten.
Inwiefern?
Wir denken an ein Projekt, das etwas kleiner angelegt ist als unsere Sicherheitspartnerschaft in Gröpelingen.
Warum kleiner – beim Partnerschaftsprojekt in Gröpelingen geht es doch auch um Sauberkeit und Ordnung?
Kleiner deshalb, weil die Problemlagen doch etwas anders gelagert sind als in Blumenthal. In Gröpelingen geht es beispielsweise auch um öffentlich wahrnehmbaren Drogenhandel.
Man könnte meinen, dass Sie sich im Norden hauptsächlich mit Blumenthal beschäftigt haben. Was ist denn mit Burglesum und Vegesack?
Burglesum hat mich bisher vor allem verkehrspolizeilich beschäftigt. Wir wollen uns dort noch einmal bestimmte Strecken anschauen, auf denen schneller gefahren wird als erlaubt. Zum Beispiel die Richthofenstraße. Zum Beispiel die Bremerhavener Heerstraße.
Und wann kommt Vegesack dran?
Vegesack ist schon dran. Im Bereich der Grohner Düne setzen wir auf Schwerpunktmaßnahmen.
Manche sagen, dass der Norden und Westen der Stadt problematischer sind als andere Gebiete Bremens. Was sagen Sie?
Ich sage, dass jedes Stadtgebiet seine Problembereiche hat. Die Erscheinungsformen sind jedoch unterschiedlich – und deshalb muss die polizeiliche Antwort auch individuell passen.
Im Blumenthaler Zentrum und bei der Grohner Düne ist es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit größeren Bewohnergruppen gekommen. Wie oft hatten Sie bisher mit solchen Einsatzlagen zu tun?
Die Dynamik und Motivlage mag von Gruppe zu Gruppe verschieden sein, aber als Polizeiführer hatte ich immer wieder mit Tumultlagen zum Beispiel im Silvestereinsatz auf der Sielwall-Kreuzung im Viertel oder anlässlich von Fußballspielen und Versammlungen zu tun.
Und wie häufig sind Sie dabei in Situationen geraten, in denen sich Beamte erst einmal zurückziehen mussten, um auf Verstärkung zu warten, wie es bei der Grohner Düne passiert ist?
Wir versuchen, das nach Möglichkeit zu vermeiden. Bei hoch dynamischen Einsatzlagen kann es jedoch immer passieren, dass Kräfte in einem bestimmten Bereich vorübergehend nicht ausreichen und umgruppiert werden müssen. Ich spreche allerdings nicht von Rückzug, sondern von taktischem Abwarten.
Es gibt Politiker, die finden, dass die Personalstärke der Polizei nicht ausreicht. Wird es mit einem neuen Abteilungsleiter auch zusätzliche Beamte geben?
Die Zielzahl von 2900 Beamten für Bremen gilt nach wie vor. In den nächsten Jahren werden komplette Hundertschaften von neuen Mitarbeitern bei der Polizei anfangen. Davon kommen auch viele im Norden und Westen an.
Aber die Beamten fehlen jetzt: Wann werden denn die beiden vakanten Stellen wieder besetzt, wegen der 389 Ermittlungsvorgänge in Nord nicht bearbeitet werden können?
Jede Akte, die nicht zügig bearbeitet werden kann, ist eine Akte zu viel. Ich weiß, dass alles versucht wird, die Zahl der unerledigten Vorgänge weiter abzubauen.
Und wann werden nun die beiden Stellen ersetzt?
Das kann ich nicht sagen, weil das die Kriminalpolizei entscheidet. Aber ich sehe auch, dass die Problematik in anderen Bereichen erheblich größer ist. Im Bremer Norden liegen nur 2,5 Prozent der stadtweiten Aktenhalde.
Können Sie denn sagen, bis wann alle Stellen der Nordbremer Kontaktpolizisten wieder besetzt sind?
Anfang des nächsten Jahres werden alle Kontaktpolizisten da sein. Das Auswahlverfahren hat längst begonnen.
Neue Chefs machen meistens etwas anders als alte. Wie lang ist denn Ihre Liste an Ideen für Veränderungen?
So lang ist die gar nicht. Im Moment konzentriere ich mich darauf, die Polizeireform abzuschließen und die neuen Kräfte, die in der nächsten Zeit kommen werden, zu integrieren, um die Abteilung zukunftsfähig zu machen. Danach geht es mit Augenmaß weiter.
Verändern wird sich auf jeden Fall die Adresse der Vegesacker Polizei. Gibt es mittlerweile einen Termin, wann das Revier von der Kirchheide an den Hafen zieht?
Nach derzeitigem Stand soll es Mitte 2024 so weit sein.
Und wo wird Ihr Büro hauptsächlich sein, in Vegesack oder in Gröpelingen?
Meine Bürosituation bleibt dieselbe: Ich werde einen Schreibtisch im Norden haben und im Westen – und an dem sitzen, wie es mein Wochenplan gerade vorsieht. Das kann auch bedeuten, dass ich vormittags mal in Vegesack bin und nachmittags in Gröpelingen. Oder umgekehrt.