Die Justizbehörde hat weitere Maßnahmen getroffen, um die Infektionsgefahr durch das Coronavirus in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oslebshausen zu verhindern. Eine Reihe von Gefangenen wurde vorzeitig aus der Haft entlassen, andere kommen in den Genuss von Langzeitausgang. In Niedersachsen sind vorzeitige Entlassungen bislang nicht geplant, Nordrhein-Westfalen hat ähnliche Regelungen wie Bremen verfügt.
Bislang gebe es noch keinen Corona-Fall in der JVA Oslebshausen, sagt Matthias Koch, Pressesprecher der Bremer Justizbehörde. Die für die Bremer Haftanstalt getroffenen Maßnahmen sollen das Einschleppen des Virus verhindern, die Beschäftigten entlasten und Raum für gegebenenfalls nötige Isolierung von Gefangenen schaffen.
Diesem Zweck diente bereits die Mitte März bis zum 15. Mai verfügte Aussetzung der Besuchszeiten sowie die Entlassung aller Frauen und Männer, die in Oslebshausen eine Ersatzfreiheitsstrafe absaßen, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt hatten. Jetzt hat das Justizressort nachgelegt: Analog zu den bekannten Weihnachtsamnestien wurden Gnadenerweise erlassen. Alle Gefangenen, deren Entlassung bis zum 18. Mai 2020 ansteht, wurden bereits in der vergangenen Woche entlassen.
Bedingung dafür: Die Gefangenen müssen mindestens 50 Jahre alt sein oder aufgrund einer Vorerkrankung einer Covid-19-Risikogruppe angehören. Darüber hinaus mussten die Gefangenen mit dem Gnadenerweis einverstanden sowie ihre Unterkunft und ihr Lebensunterhalt in Freiheit sichergestellt sein. Bislang wurden 26 Gefangene entlassen, zwei weitere sollen dies abgelehnt haben. Für Gefangene, die sich aufgrund schwerwiegender Verbrechen wie etwa grobe Gewaltdelikte oder Sexualstraftaten in Haft befinden, gilt diese Maßnahme nicht.
Eine weitere Entscheidung betrifft Gefangene, die bereits im offenen Vollzug sind und deren Strafende innerhalb der nächsten sechs Monate liegt. Sie können einen Langzeitausgang erhalten, gewährt zunächst bis zum 21. April. In dieser Zeit unterliegen sie Melde- und Erreichbarkeitspflichten.
Schließlich gilt ein sogenannter Vollstreckungsaufschub. Bei Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr und sechs Monaten sieht die Staatsanwaltschaft bis zum 18. Mai davon ab, die Betroffenen zum Haftantritt aufzufordern. In den Fällen, in denen bereits Ladungen erfolgt sind, sollen diese ebenfalls bis Mitte Mai aufgehoben werden. „All dies aber nur unter der Bedingung, dass keine Verjährung droht oder zwingende spezialpräventive Gründe entgegenstehen“, betont Koch.
Ebenfalls einen Haftaufschub bis zum 18. Mai erhalten Verurteilte mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren – aber auch hier nur, wenn sie mindestens 50 Jahre alt sind oder aufgrund einer Vorerkrankung einer Corona-Risikogruppe angehören. Auch von dieser Regelung sind wegen schwerwiegender Verbrechen Verurteilte ausgenommen.
Strafen wegen Sexualdelikten nicht ausgesetzt
In Niedersachsen erhalten derzeit alle Verurteilten, die zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwölf Monaten verurteilt wurden, keine Ladung zum Haftantritt, es sei denn, dass im Einzelfall zwingende Gründe dagegen sprechen, erläutert Christian Lauenstein, Sprecher des Justizministeriums. Strafen wegen Sexualdelikten werden zum Beispiel nicht ausgesetzt. Diese Regelung gilt zunächst für die Dauer von drei Monaten. Das Gleiche gilt für Ladungen zum Haftantritt zu einer Ersatzfreiheitsstrafe, und auch die Vollstreckung von Jugendarresten wird bis Mitte Juni aufgeschoben. Eine vorzeitige Entlassung von Gefangenen ist dagegen laut Lauenstein gegenwärtig nicht geplant.
In Nordrhein-Westfalen werden wie in Bremen Kurzzeit-Häftlinge auf freien Fuß gesetzt, wie das Magazin „Focus“ berichtet. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) hat demnach die Leiter der 36 Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen angewiesen, ihre Gefangenen sofort freizulassen, die Haftstrafen bis zu 18 Monaten absitzen und ohnehin bis zum 20. Juli entlassen worden wären. Ebenfalls in den Genuss einer Amnestie kommen die JVA-Insassen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Verurteilte Straftäter, die nur ein Jahr oder weniger absitzen müssen, sollen zunächst nicht festgesetzt werden. Auch in Nordrhein-Westfalen sind Sexualstraftäter von diesen Regelungen ausgenommen.