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Finanzielle Hilfe Experten fordern mehr Unterstützung gegen Altersarmut in Gröpelingen

Altersarmut in Bremen nimmt zu, besonders in Gröpelingen. Trotz Anspruch auf finanzielle Hilfen, beantragen viele Betroffene diese nicht. Experten fordern mehr Beratung und Unterstützung.
09.12.2024, 05:00 Uhr
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Von Anke Velten
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Die Zahl älterer Menschen, deren monatliches Budget unter der Armutsschwelle liegt, ist in den vergangenen Jahren im ganzen Land deutlich angestiegen – so auch in Bremen. Gröpelingen liegt dabei deutlich über dem stadtweiten Schnitt. Nicht in gleichem Maße gestiegen ist dagegen die Quote derjenigen, die finanzielle Hilfen beantragen, obwohl sie ihnen zustünde, hörte der Gröpelinger Fachausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Soziales bei seiner aktuellen Sitzung. Um Altersarmut effektiv zu bekämpfen, benötige es daher mehr niedrigschwellige, zielgruppengerechte Beratung und praktische Unterstützung vor Ort, hieß es. Auch im Sinne der Gesundheitsförderung und der Ermöglichung sozialer Teilhabe spielten die wohnortnahen Angebote eine unverzichtbare Rolle.

Was sagen die Zahlen?

Menschen im Alter über 65 Jahre tragen das größte Armutsrisiko. Unter allen Menschen in Deutschland, die von Armut betroffen sind, machen sie mit 24 Prozent die größte Gruppe aus. „Das heißt, jeder vierte deutsche Haushalt, in dem Rentner leben, gilt als arm“, erklärte Sozialwissenschaftler René Böhme vom Bremer Institut für Arbeit und Wirtschaft den Ausschussmitgliedern. Im Land Bremen liegt der prozentuale Anteil dieser Bevölkerungsgruppe mit knapp 17 Prozent leicht darunter. Gesamtgesellschaftlich betrachtet deutlich größer ist hier der Anteil Erwerbstätiger mit niedrigem Einkommen (27,8 Prozent), Erwerbsloser (24,9 Prozent) sowie Kinder und Jugendlicher unter 18 Jahren (25,8 Prozent).

Was heißt überhaupt arm?

Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Die „Armutsschwelle“ lag im Jahr 2023 bei 1247,40 Euro pro Monat für eine alleinstehende Person. Die Renteneinkommen von etwa drei Viertel aller Frauen liegen unter diesem Schwellenwert. Faktoren für den „Gender Pension Gap“ – die Schere zwischen den Altersbezügen der Geschlechter – sind geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede durch Teilzeitarbeit oder Anstellungen im Niedriglohnsektor, sowie durch lückenhafte Erwerbsverläufe etwa durch familiäre Erziehungs- und Pflegezeiten. Bei der Erwerbstätigkeit von Frauen schneidet Bremen seit Jahren zudem im Bundesvergleich am schlechtesten ab, so Böhme. Für die Berechnung der Armutsschwelle wird allerdings das gesamte Haushaltseinkommen berücksichtigt. Für ein Rentnerehepaar lag die Armutsschwelle 2023 bei 1871,10 Euro.

Wie liegt Gröpelingen im stadtweiten Vergleich?

Laut Böhme schlüsseln die Daten des statistischen Landesamts die Armutsquote älterer Menschen nicht nach Stadt- und Ortsteilen auf. Kleinräumige Zahlen gibt es dagegen für den Bezug von Grundsicherung, die sich zwischen 2007 und 2021 von 4,5 auf 8,3 Prozent nahezu verdoppelt haben. Gröpelingen lag und liegt deutlich über dem stadtweiten Niveau. Im Jahr 2011 erhielten acht Prozent der älteren Menschen im Stadtteil Grundsicherung. 2021 waren es 14 Prozent. Noch dramatischer sind die Zahlen in den einzelnen Ortsteilen Ohlenhof (18 Prozent), Lindenhof (16 Prozent) und Gröpelingen (15 Prozent). Oslebshausen mit einer Quote von acht Prozent senkt den Gröpelinger Schnitt. Den größten Anteil an der Grundsicherungsquote haben ausländische Rentnerinnen und Rentner (37,9 beziehungsweise 33,4 Prozent). Böhme verwies aber auch auf eine bundesweite Studie aus dem Jahr 2019, die zu dem Ergebnis kommt: Mehr als 60 Prozent der Menschen, denen die bundfinanzierte Grundsicherung zustünde, nähmen diese nicht in Anspruch.

Warum ist das so?

Die Studie besage: Vor allem Personen mit nur geringem Anspruch, Immobilieneigentümer, ältere oder verwitwete Menschen verzichteten häufig darauf, Grundsicherung zu beantragen – nicht selten aus Scham oder Stolz. „Armut wird tabuisiert“, bestätigte David Brazier, Leiter des AWO-Dienstleistungszentrums an der Gröpelinger Heerstraße 248. Oftmals sei der Verzicht auf Grundsicherung sowie auf Pflegegeld auch mit Unwissenheit zu erklären, oder mit Unterstützungsbedarf beim Antragsverfahren.

Was könnte helfen?

Wünschenswert seien daher eine Vereinfachung des Antragsverfahrens sowie die Verlängerung der Bewilligungsdauer, so Böhme. Zielführender als Informationskampagnen, die erfahrungsgemäß eher Menschen mit höheren oder mittleren Einkommen erreichten, sei die niedrigschwellige und mehrsprachige Beratung und praktische Unterstützung durch Multiplikatoren in den Quartieren. Brazier betonte zudem die Bedeutung der „Peer-Beratung“ in den Treffpunkten für ältere Menschen. „Wir bekommen immer wieder mit, dass man sich gegenseitig berät, austauscht und Tipps gibt.“ An solchen Einrichtungen dürfe man daher „nicht sparen.“

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