Es geht ganz schnell an der Bushaltestelle am Flughafendamm in der Neustadt: Der Bus fährt an die Seite, die Tür geht auf, Franziska Donzelmann steigt ein, tauscht die Schlüssel mit ihrem Kollegen, setzt sich, stellt kurz Sitz und Spiegel ein und schon schließen sich die Türen, und die Fahrt geht mit nur minimaler Unterbrechung weiter. Donzelmann ist eine von über 1200 Fahrerinnen und Fahrer der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) und ist Tausende Kilometer im Jahr auf Bremens Straßen unterwegs. Ein Traumjob? Auf jeden Fall ein gefragter Job mit vielen positiven Seiten und manchen negativen – das wird auf der Fahrt quer durch Bremen deutlich.
Donzelmann, blondes, halblanges Haar, türkis lackierte Fingernägel, trägt Turnschuhe und schwarze Jeans. Wenn die Sonne blendet, setzt sie eine Sonnenbrille auf. Eine junge Frau von 33 Jahren. Aber das Alter täuscht ein wenig über ihre Erfahrung hinweg, denn schon mit 18 Jahren begann die in Blumenthal aufgewachsene Frau eine Ausbildung als "Fachkraft im Fahrbetrieb", wie der in den 2000er-Jahren ins Leben gerufene Ausbildungsberuf heißt. Donzelmann erwarb dabei in drei Jahren ihre Fahrpatente für Straßenbahn und Bus.
Mit 353 PS durch Bremen
Es geht auf die B75 Richtung Huchting, hier ist Dauerbaustelle, Autos reihen sich hintereinander, die Spuren sind verschwenkt. Von ihrer Kabine mit den zwei Durchreichen – "Hier bezahlen" und "Wechselgeld" – hat die Fahrerin aber einen guten Überblick. Und den muss sie haben, denn der Niederflur-Gelenkbus vom Typ Citaro G Hybrid ist über 18 Meter lang, 2,55 Meter breit und 3,35 Meter hoch. 44 Fahrgäste können auf Sitzen Platz nehmen, dazu kommen 91 Stehplätze. Mit 260 Kilowatt Leistung – annähernd 353 PS – zieht der Bus trotz seines Gewichts zügig an. In einem voll besetzten Bus trägt Donzelmann die Verantwortung für über 100 Menschen.
Richtung Huchting-Center ist der Bus aber von seiner Maximalkapazität weit entfernt. Nur einzelne Sitze sind besetzt. "Das ist nicht meine Lieblingsroute", sagt Donzelmann. Die Dauerbaustelle auf der B75, die Fahrt auf der A1, wo seit Anfang August eine Spur gesperrt ist, machen es schwierig, den Fahrplan einzuhalten. Stattdessen fahre sie lieber die 24 oder die Buslinie 26 von Links der Weser in die Überseestadt.
Auch am Huchting-Center Baustelle. Hier laufen die Vorbereitungen für die Verlängerung der Straßenbahnlinien 1 und 8. Hier wird aus der Linie 52 die Linie 29, Ziel: die Neue Vahr. Zeit für ein Gespräch vor Donzelmanns Arbeitsmobil.
Freiheit hinterm Steuer
"Ich mag es, frei zu sein", sagt Donzelmann über ihren Beruf. Kein Chef sitze ihr beim Fahren im Nacken. "Man fährt einfach los und die Zeit geht schnell rum." Und noch einen positiven Aspekt gewinnt sie ihrem Beruf ab: "Wenn Feierabend ist, zieht man den Schlüssel und muss sich keine Gedanken mehr über die Arbeit machen." Sprich: Die Arbeit bleibt bei der Arbeit. Donzelmann arbeitet annähernd 80 Stunden im Monat – manchmal mehr. Sie ist alleinerziehend und wird daher im Tagdienst eingesetzt.
Denn das wäre wohl für einige Menschen der negative Aspekt der Arbeit: Als Fahrerin oder Fahrer der BSAG ist Schichtdienst und Wochenendarbeit angesagt. Die Jobperspektiven aber sind gut. Laut BSAG werden laufend Fahrerinnen und Fahrer gesucht – auch als Quereinsteiger. Es locken ein sicherer Job und Tarifbezahlung.
Ein Schild über der Fahrerkabine verkündet: Während der Fahrt nicht mit dem Fahrpersonal sprechen. Tatsächlich reduziert sich der Kontakt mit den Fahrgästen während der Fahrt ohnehin auf ein Minimum. "Das ist sehr beschränkt inzwischen, da nur noch sehr wenige Fahrkarten verkauft werden", sagt Donzelmann. Hin und wieder eine Auskunft, mal ein Ticket, so sieht der Kontakt zwischen Fahrerin und Fahrgäste an diesem Tag aus.
Zeit, um die Gedanken kreisen zu lassen? Dafür muss sich Donzelmann im Stadtverkehr zu sehr konzentrieren, sonst drohen Unfälle. Auch sie habe schon mehrere gehabt, teils fremd-, teils eigenverschuldet. "Das bleibt nicht aus, wenn zum Beispiel bei Glatteis das Heck ausbricht", erklärt die erfahrene Lenkerin.
Der Ton wird ruppiger
Hat die Aggressivität zugenommen im Straßenverkehr? "Auto- und Radfahrer passen immer weniger auf und treffen keine guten Entscheidungen", sagt Donzelmann. Ein Beispiel seien Radfahrer, die rote Ampeln missachteten. "Oder Kopfhörer im Ohr haben." Aber verurteilen möchte sie andere nicht. "Man ist ja auch selbst Mensch und ist selbst mal abgelenkt oder nicht bei der Sache." Auch der Ton der Fahrgäste ist ruppiger geworden, hat sie beobachtet. Tatsächlich gibt es immer wieder Übergriffe auf Personal. Im Tagdienst komme dies aber eher selten vor.
In der Neuen Vahr füllt sich das Fahrzeug, ein beinahe babylonisches Sprachgewirr herrscht hier. Unebenheiten auf der Kurt-Schumacher-Allee lassen auch den modernsten Bus klappern und knarzen. Doch die Fahrerin lässt sich von dem Lärm nicht aus der Ruhe bringen. "Ich kann das einfach ausblenden, ich habe ein Kind zu Hause, da ist immer Lärm."
Wo viele Fahrgäste sind, da gibt es auch Fundsachen. "Regenschirme, Mützen, Taschen – das ist das Übliche", zählt Donzelmann auf. Doch ihr kuriosester Fund war etwas anderes: "Das waren zwei Kinder, etwa drei und fünf Jahre alt. Die sind bis zum Depot Gröpelingen mitgefahren." Dort rief Donzelmann die Polizei. Wo die Kinder hin wollten? "Sie haben mir gesagt, dass sie Bonbons kaufen wollten."
Eine letzte Frage vor dem Schichtende: Fährt sie denn privat auch gerne Auto? Donzelmann lacht: "Ich bin froh, dass ich einen Partner habe, der gerne Auto fährt, mich selbst nervt der Verkehr."