Egal, ob Drogenschnelltests, Untersuchung von DNA-Spuren oder das Auslesen digitaler Speichermedien – wenn es um kriminaltechnische Untersuchungen bei der Bremer Polizei geht, ist stets die Rede von Bearbeitungsstau und Bergen unerledigter Aufträge. Und das schon seit Jahren. Nun aber wird alles besser. So lautete zumindest die zentrale Botschaft, die Petra van Anken, Stabsleiterin im Landeskriminalamt, unlängst den Politikern der Innendeputation vermittelte. „Positive Entwicklungen“, wohin man schaut. „Wir sind auf einem guten Weg.“
Mit konkreten Zahlen belegte van Anken diese Aussagen nicht. Zwar gibt es bei der Kripo jeweils zum Quartalsende eine Auflistung der Bearbeitungsrückstände, intern „Haldenbericht“ genannt, allerdings fragte in der Innendeputation niemand nach diesen Zahlen. So blieb es bei allgemeinen Aussagen der Stabsleiterin. Bei der DNA-Analytik sei es zum Beispiel durch Einstellung einer dritten Sachverständigen und durch die Fremdvergabe von Aufträgen zu einer positiven Entwicklung gekommen.
Fremdvergabe der Aufträge wird geprüft
Ähnliches berichtete van Anken über die chemischen Untersuchungen. Gemeint ist damit die Analyse von Betäubungsmitteln. Die chemische Beschaffenheit von Drogen ist von entscheidender Bedeutung im Strafverfahren gegen mutmaßliche Täter. Auch in diesem Bereich wurde neues Personal eingestellt – chemisch-technische Assistenten, eine zusätzliche Verwaltungskraft und eine dritte Sachverständige, die derzeit allerdings noch eingearbeitet wird.
„Wir erwarten daher erst am Ende des vierten Quartals eine positive Entwicklung.“ Außerdem werde auch in diesem Bereich geprüft, ob eine Fremdvergabe der Aufträge möglich ist. 500 Vorgänge habe man bereits anlässlich eines Pilotprojektes ohne Ausschreibung vergeben können. Allerdings erst im Juni, bislang gebe es noch keine Ergebnisse. „Wir sind guter Hoffnung, ab Dezember positive Wirkung zu erzielen.“
Schließlich der Bereich Computer- und Mobilfunkforensik, den die Polizei unter „digitale Forensik“ zusammenfasst: Hier wurden zwei zusätzliche Sachbearbeiter und ein neuer Sachverständiger eingestellt, auch dies würde sich aber erst in den Zahlen des vierten Quartals auswirken. Eine leichte Reduzierung der Bearbeitungsrückstände sei wegen „vorangegangener Prozessoptimierungen“ allerdings schon im dritten Quartal zu verzeichnen gewesen, erläuterte van Anken. Man habe inzwischen eine Software, die beim Auslesen von Mobilfunkgeräten die Bearbeitung verkürze. „Wir werden schneller und entlasten die Mitarbeiter.“
Auf Nachfrage von Wilhelm Hinners (CDU) deutete die Stabsleiterin des LKA an, dass die zu verzeichnenden positiven Tendenzen sich vor allem um das Abarbeiten der neuen, aktuellen Fälle beziehen. Was bedeuten würde, dass die Halden zumindest nicht noch weiter anwachsen. Andererseits aber auch, dass sie bislang nicht nennenswert abgebaut werden konnten.
Nach wie vor nicht zufrieden
Eine ganz andere Überlegung brachte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) aufs Tapet. „Haben wir überhaupt eine Chance, die Rückstände abzuarbeiten?“, fragte er und regte an, darüber nachzudenken, an dieser Stelle einen Schnitt zu machen und sich auf die Bearbeitung der neuen, aktuellen Fälle zu konzentrieren. Gerade bei der digitalen Forensik sei außerdem zu fragen, „welche Erwartungen wir überhaupt für die Zukunft haben“? Schon heute würden im Zuge der Ermittlungen regelmäßig gigantische Datenmengen eingefahren. „Und das findet sicherlich kein Ende.“
Für Polizeipräsident Lutz Müller ist die Frage nach Fortschritten in der KTU eine Sache der „realistischer Zielsetzung“. Er wolle nichts schön reden, zufrieden sei man nach wie vor nicht mit der Situation. Festzuhalten sei jedoch, dass man zum ersten Mal seit Jahren wieder Personal habe einstellen können. Nun ginge es darum, die Eingänge zügig abzuarbeiten und im nächsten Schritt dann, die Halden abzubauen. Wozu auch die Fremdvergabe ihren Teil beitragen werde.
„Natürlich hat es Verbesserungen gegeben“, sagt auch Rüdiger Leefers, stellvertretender Vorsitzender des Bremer Landesverbandes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) mit Blick vor allem auf die Neueinstellungen. Dies sei allerdings nicht mehr als ein erster wichtiger Schritt. In der täglichen Praxis warte man in bestimmten Bereichen nach wie vor Monate auf Ergebnisse. „Aus Ermittlersicht ist das nicht haltbar.“ Und es spiele den mutmaßlichen Tätern in die Hände, weil es durch die lange Verfahrensdauer häufig immer schwieriger werde, ihnen etwas nachzuweisen.
Es habe bereits Verfahren gegeben, die aus diesem Grund eingestellt werden mussten, merkte Wilhelm Hinners in der Innendeputation an. Aus anderer Perspektive betrachtet dies dagegen Strafverteidiger Horst Wesemann, der als parteiloses Mitglied für die Linke in der Innendeputation sitzt. Die jahrelange Bearbeitungsdauer insbesondere bei der Untersuchung von Drogenfunden sei wegen der damit verbundenen Ungewissheit im Strafverfahren auch für die mutmaßlichen Täter unakzeptabel.
Rückgang bei DNA-Analytik
Der Bearbeitungsrückstand der KTU im Fachbereich Chemie beläuft sich aktuell auf 1670 Vorgänge und bewegt sich damit weiterhin auf hohem Niveau, erklärt Nils Matthiesen, Pressesprecher der Polizei, auf Anfrage des WESER-KURIER. Ende 2017 waren es 1619 Vorgänge. Ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr ist laut Matthiesen dagegen im Fachbereich DNA-Analytik zu verzeichnen. Hier stehen derzeit 653 unbearbeitete Vorgänge zu Buche. Ende 2017 waren es 714, Ende März dieses Jahres sogar 877. Im Bereich Computerforensik warten 20 Vorgänge auf Bearbeitung (Ende 2017: 25), bei der Mobilfunkforensik sind es 97 im Vergleich zu 68 zum 31. Dezember 2017.