Beschlossen ist er schon, der 1,2 Milliarden Euro schwere Bremen-Fonds, mit dem der rot-grün-rote Senat die Folgen der Corona-Pandemie abfedern will. Aber wofür genau sollen und dürfen diese Sonderkredite verwendet werden, wenn man rechtliche Probleme vermeiden will? Zu diesen Fragen hatte der Senat im Frühsommer zwei wissenschaftliche Expertisen in Auftrag gegeben, eine juristische und eine ökonomische. Jetzt liegen sie vor, und es zeigt sich: Die Leitplanken für das Corona-Hilfsprogramm des Landes sind an einigen Stellen doch etwas enger, als es dem Senat lieb sein kann. Er muss die Bindung der geplanten Ausgaben an die Überwindung der Corona-Krise jeweils genau begründen – denn nur dieser Nachweis erlaubt die Aufnahme neuer Schulden, die eigentlich ab 2020 verboten sind.
Bei der Konzeption des Bremen-Fonds hatte die Landesregierung im Frühjahr vier Handlungsfelder definiert, auf denen das Geld eingesetzt werden soll. Da sind zunächst die Maßnahmen zur unmittelbaren Krisenbekämpfung, also etwa die laufenden Unterstützungsprogramme für das Kleingewerbe, steigende Sozialleistungen und die Kosten der Corona-Ambulanzen. Diese Ausgaben aus dem Bremen-Fonds zu bestreiten, ist aus Sicht des Münchener Rechtswissenschaftlers Stefan Korioth ebenso unproblematisch wie das Handlungsfeld zwei, auf dem es um die „Verhinderung struktureller Einbrüche in Wirtschaft und Gesellschaft“ geht. Unter dieser Überschrift sind Rettungsschirme für öffentliche Unternehmen und Organisationen aus dem Wohlfahrtsbereich einsortiert, aber auch Hilfen für private Firmen.
Kredite nicht übertragbar
Deutlich kritischer sieht Korioth die beiden anderen Themenkreise, für die der Senat Geld aus dem Bremen-Fonds ausgeben möchte. Da ist zum einen das Stichwort „Abwendung sozialer Verwerfungen“. Gedacht ist hier in erster Linie an die Bereiche Schulen und Kitas sowie diejenigen städtischen Quartiere, die auch vor der Krise schon instabil waren. Hier ist es aus Sicht des Gutachters schon deutlich schwieriger, kreditfinanzierte Ausgaben mit einem direkten oder zumindest indirekten Bezug zur Corona-Pandemie zu begründen. Erst recht gilt das aus seiner Sicht für das vierte Handlungsfeld. Dort geht es um die „Unterstützung des gesellschaftlichen Neustarts nach der Krise“, also um gezielte Investitionen in die Digitalisierung, die Technologie- und Innovationsförderung und andere zukunftsgerichtete Bereiche. Bremen, so die Hoffnung, soll durch diese mittelfristigen Verbesserungen gestärkt aus der Krise hervorgehen. Nach Ansicht des Gutachters sind solche Zukunftsinvestitionen auf Pump im Rahmen des Bremen-Fonds allerdings nur in sehr begrenztem Maße machbar.
Nicht wirklich freuen wird man sich im Senat noch über eine weitere Klarstellung von Professor Korioth. Die 1,2 Milliarden Euro, die die Bürgerschaft als Kreditrahmen für den Bremen-Fonds bereitgestellt hatte, können nicht teilweise in die kommenden Haushaltsjahre übertragen werden. Mit dem Geld dürfen nur Projekte bezahlt werden, die noch 2020 abgewickelt oder zumindest angefangen werden. Das dürfte den Senat vor Probleme stellen. Er hat nämlich gar nicht so viele fertig geplante, beschlussreife Maßnahmen in der Schublade. Gut möglich also, dass deswegen für das kommende Jahr ein Bremen-Fonds II beschlossen werden muss.
Das wirtschaftswissenschaftliche Gutachten wurde gemeinsam von der Kölner Beratungsfirma IW Consult und dem Ökonomen Jens Südekum erstellt. Es entwickelt ein Prüfschema für die Zulässigkeit von Projekten insbesondere in dem vergleichsweise heiklen Handlungsfeld Zukunftsinvestitionen. Die Verfasser der Studie machen aber auch ganz konkrete Vorschläge, wie man Geld aus dem Bremen-Fonds intelligent einsetzen könnte, um den Strukturwandel voranzubringen. So können sich die Ökonomen zum Beispiel Investitionen in den Bereichen Künstliche Intelligenz und digitaler Handel vorstellen.
Auch auf dem Gebiet der ökologischen Erneuerung der Wirtschaft wäre aus Sicht von IW Consult und Jens Südekum ein finanzielles Engagement des Landes sinnvoll und begründbar. Etwa bei Projekten zum Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft, beim Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge und bei Modellvorhaben für emissionsfreie Innenstadtverkehre. In ihrem Instrumentenkoffer zur Verbesserung der Bremer Wirtschaftsstruktur findet sich außerdem die Idee, eine „Zukunftsagentur“ ins Leben zu rufen und Unternehmensgründer stärker zu unterstützen, etwa durch Eigenkapitalzuschüsse.
Bremen-Fonds
900 Millionen Euro an Kreditermächtigungen für das Land, 300 Millionen für die Stadt Bremen: Diesen Beschluss hatte die Bürgerschaft kurz vor der Sommerpause gefasst. Wie andere Bundesländer, die ähnliche Konjunkturpakete geschnürt haben, erhofft sich Bremen von seinem 1,2 Milliarden Euro schweren Bremen-Fonds eine Linderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Dass dieser Sondertopf überhaupt eingerichtet werden kann, wird durch eine Bestimmung in der Landesverfassung ermöglicht. Sie erlaubt eine Abweichung vom Verbot der Aufnahme neuer Kredite (Schuldenbremse) für den Fall einer außergewöhnlichen Notlage. Die Corona-Krise mit ihren gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen gilt als eine solche Situation.