Mobilisierungsgewinne auf breiter Front haben den historischen Wahlerfolg der CDU in Bremen möglich gemacht. Laut einer Schnellanalyse von Infratest-Dimap konnten die Christdemokraten vor allem ehemalige Nichtwähler zur Stimmabgabe bewegen. Rund 13 000 machten ihr Kreuz bei der Partei von Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder. Der SPD gelang dies bei immerhin 10 500 Nichtwählern der Bürgerschaftswahl von 2015 – doch reicht diese Zahl nicht an den CDU-Wert heran. Letztlich ausschlaggebend für den Wahlausgang war die Wählerwanderung zwischen CDU und SPD. Beim Wanderungssaldo, also die Differenz von gewonnenen und verlorenen Wählern, können die Christdemokraten ein mächtiges Plus von 8000 Wählern verbuchen.
Der CDU gelang es auch, fast allen anderen größeren Parteien Stimmenkontingente im knapp vierstelligen Bereich abzujagen. Selbst vom zweiten Sieger des Wahlsonntags, den Grünen, konnte die CDU rund 2000 Wähler erobern. Auch FDP und Linke mussten gegenüber der CDU ein negatives Wanderungssaldo hinnehmen. Lediglich der AfD gelang es, mit 1000 Wählern ein positives Saldo zu erreichen.
Die Auswertung von Infratest-Dimap liefert auch Zahlen über die Motive für das Wahlverhalten. So zeigten sich annähernd 40 Prozent der CDU-Wähler von anderen Parteien enttäuscht. Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder war für 22 Prozent der Befragten der Hauptgrund, ihr Kreuz bei der CDU zu machen. Die Kampagne für den vor einem Jahr fast unbekannten Quereinsteiger war offenbar ein Erfolg.
SPD mit Minus beim Generationenwechsel
Für die SPD sind die ermittelten Werte zur Wählerwanderung hingegen unerfreulich. Sie hat Wähler an alle anderen Parteien verloren, unter anderem 2000 an die Linke. Neben den zur CDU abgewanderten Wählern hat die SPD ein weiteres Problem: Beim Generationenwechsel, also einem Saldo des Wahlverhaltens von Jungwählern und Verstorbenen, ergibt sich bei der SPD ein Minus von 4000 Personen.
Bei den Motiven zum Wahlverhalten nannten immerhin rund 30 Prozent eine starke Bindung zur Partei, die allerdings im Vergleich zu 2015 leicht nachlassend ist. Bürgermeister Carsten Sieling konnte keinen größeren Amtsbonus ausspielen, nur für 18 Prozent der SPD-Anhänger war der Spitzenkandidat der Grund, die SPD zu wählen.
Eine Überraschung zeigt die Wanderungsbewegung bei den Grünen. Obwohl sie sich laut aktueller Hochrechnung auf 17,6 Prozent verbessern können, müssen sie Verluste an CDU, Linke und FDP verkraften. Wettgemacht wurden diese Einbußen durch die Mobilisierung von Nichtwählern. Das gelang in 7500 Fällen. In gleicher Höhe erreichten die Grünen auch den Spitzenwert beim Saldo von Zu- und Fortgezogenen. Mögliche Erklärung: viele Studenten, die der Ökopartei ihre Stimme gegeben haben.
Motivwandel bei den Anhängern
Erstaunliches offenbart auch die Bilanz bei den Linken. Sie verlieren rund 1000 Wähler – ausgerechnet an die CDU. Bei Sozialdemokraten und Grünen holt die Linke hingegen Stimmenkontingente im leicht vierstelligen Bereich. Auch rund 4000 Nichtwähler von 2015 machten ihr Kreuz bei dieser Partei. Ebenfalls bemerkenswert ist ein Motivwandel bei den Anhängern. Nur noch 28 Prozent von ihnen gaben an, die Partei vornehmlich aus Protest zu wählen. Vor vier Jahren waren das noch 41 Prozent. Bei der Analyse erklärten viele der Befragten, dass „Sachlösungen“ sie zur Stimmabgabe bewogen hätten.
Die FDP hat 4500 Nichtwähler hinzugewonnen. Doch die Partei verliert leicht an CDU und AfD. Leichte Gewinne kann sie hingegen bei den Grünen einfahren. Bemerkenswert: Lencke Steiner erreicht den drittbesten Wert aller Spitzenkandidaten hinter Meyer-Heder und Sieling. Für jeden siebten Wähler der Liberalen war sie das vordergründige Motiv, der FDP die Stimmen zu geben.
Auch die AfD hat ihre Stimmengewinne bei der Bürgerschaftswahl vor allem den ehemaligen Nichtwählern zu verdanken. Gleich 5000 von ihnen kann die Partei für sich mobilisieren. Der Zustrom von anderen Parteien kommt dabei jeweils zu gleichen Teilen von SPD, CDU und FDP. Auffällige Werte zeigt die Frage nach der Wahlmotivation. Jeder zweite AfD-Wähler gibt als Hauptgrund an, von anderen Parteien enttäuscht zu sein. Die AfD ist damit für viele Menschen nach wie vor eine Protestpartei.