Bedienstete des Ordnungsamtes haben im vergangenen Jahr rund 150.000 Knöllchen an Falschparker verteilt. Diese Zahl könnte künftig noch drastisch steigen, denn die Regierungskoalition von SPD, Grünen und Linken will deutlich mehr Personal für die Parkraumüberwachung einsetzen. Bisher gibt es nach Angaben des Innenressorts 21 Vollzeitstellen für die Parkraumüberwachung im Außendienst. Die Zielzahl im Koalitionsvertrag lautet 100 Kontrolleure.
Mit den Knöllchen hat die Stadt im vergangenen Jahr rund 2,3 Millionen Euro eingenommen. Durchschnittlich mussten Falschparker 15 Euro pro Fall bezahlen. Dieses Verwarngeld wird zum Beispiel fällig, wenn zu nah an Einmündungen geparkt wird.
Klar ist: Die Verfünffachung der Mitarbeiterzahl wird nicht von heute auf morgen kommen. Zunächst soll eine neue Arbeitsgruppe über das weitere Vorgehen beraten. Dazu gibt der Koalitionsvertrag vor: „Die Senatsressorts für Verkehr und Inneres werden unter Beteiligung des Wirtschaftsressorts eine gemeinsame Arbeitsstruktur schaffen, um die Bereiche Verkehrssicherheit, Verkehrslenkung und Parken besser zu koordinieren und das jeweilige Vorgehen eng aufeinander abzustimmen.“ Vor allem soll dabei die Frage im Fokus stehen: Wie können die Wohnstraßen von Falschparkern entlastet werden?
Die drei beteiligten Ressorts sollen ein Konzept „Parken in den Quartieren“ entwickeln. Dabei geht es um Themen wie Anwohnerparken, Quartiersgaragen, kleinräumiger ÖPNV und Carsharing einerseits sowie Kontrollen andererseits. „Auf Grundlage dieses Konzeptes streben wir eine Personalstärke von hundert Vollzeitkräften für die Überwachung des ruhenden Verkehrs an“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Es geht nicht ums Abzocken der Autofahrer, sondern um mehr Verkehrssicherheit“, sagt Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Aus mehreren Stadtteilen, besonders aus Schwachhausen, Findorff, der Neustadt und der Östlichen Vorstadt, kämen immer wieder Klagen über rücksichtsloses Parken. Die Konflikte zwischen Autofahrern, Fußgängern mit Rollatoren oder Kinderwagen, Rollstuhlfahrern und Rettungsfahrzeugen führen seit vielen Jahren zu großem Frust und Verdruss.
Mehr Anwohnerparken
Der Koalitionsvertrag kündigt an: „Wir werden Falschparken konsequent verhindern, insbesondere an Einmündungsbereichen. Die Praxis des aufgesetzten Parkens wollen wir zurückdrängen und dazu das Gespräch mit den Beiräten suchen. Hierbei ist auch Anwohnerparken einzubeziehen. Nur so können sich Menschen mit Kinderwagen, Rollatoren und im Rollstuhl barrierefrei und sicher bewegen, können die Müllabfuhr und Rettungsfahrzeuge ohne Hindernisse durch die Straßen kommen.“
Das Anwohnerparken sieht Saxe als bewährtes Mittel an, das Tohuwabohu der in Wohnstraßen geparkten Autos in geordnete Bahnen zu lenken. Bisher bestehen 13 Zonen in der Innenstadt und citynahen Wohnquartieren. „In Abstimmung mit den Beiräten sollten diese Zonen deutlich ausgeweitet werden, zum Beispiel auch in Findorff und in der Neustadt“, sagt Saxe. Konkret bedeutet das: Anwohner dürfen frei parken, müssen allerdings eine Jahresgebühr für den Parkausweis entrichten. Alle anderen Autofahrer müssen den Parkscheinautomaten füttern. Die Konsequenz sei, dass dort dann auch kontrolliert werden müsse, betont Saxe.
Für mehr Anwohnerparken und als Konsequenz daraus mehr Kontrollen spricht sich auch Heiko Strohmann, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion aus. „Dieser Weg ist richtig, und es ist unverständlich, warum SPD und Grüne nicht früher dafür aktiv geworden sind“, sagt Strohmann. Gegen die Zielzahl 100 Überwacher sei nichts einzuwenden, allerdings könne die Finanzierung problematisch sein: „Erfahrungsgemäß können nur 70 bis 80 Prozent der Personalkosten durch die Verwarngelder gegenfinanziert werden.“
ADAC-Sprecher Nils Linge kann einer deutlichen Erhöhung der Zahl der Parkraumüberwacher nichts abgewinnen. „Das greift zu kurz“, sagt er, „so werden nur die Autofahrer bestraft, die verzweifelt im Wohnumfeld nach einem Parkplatz suchen, nichts finden und dann notgedrungen Regeln missachten. Ein umfassenderes Konzept ist nötig.“
Ganz anders ist die Haltung des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs. “Wir begrüßen die Ausweitung der Parkraumüberwachung“, sagt ADFC-Sprecherin Hannah Simon. Falsch parkende Autos würden besonders die schwächsten Verkehrsteilnehmer gefährden: Kinder und Menschen mit Rollstühlen, Kinderwagen und Rollatoren, die keinen Platz mehr auf dem Gehweg finden. Bremen habe die Parkraumüberwachung stark vernachlässigt. Das zeige auch der Fahrradklima-Test, bei dem die Bremer die Kategorie „Falschparker-Kontrolle auf Radwegen“ in der Hansestadt mit „mangelhaft“ bewertet haben.
Wie andere Städte kontrollieren
Wie gehen andere Städte gegen Falschparker vor? Der WESER-KURIER fragte in fünf Städten nach. Das Ergebnis: In Oldenburg, Hannover und Kiel werden jeweils zwischen 20 und 30 Kontrolleure für den ruhenden Verkehr eingesetzt, in Hamburg sind es 95 und in Köln sogar 226. Der Hamburger Personalaufwand wirkt sich auch auf die Einnahmen aus: 21,3 Millionen Euro wurden nach Angaben des Hamburger Innenressorts 2018 allein aus Anzeigen im ruhenden Verkehr erzielt. Dem lagen rund 1,1 Millionen Ordnungswidrigkeiten zugrunde. Köln betreibt noch mehr Aufwand und hat für die Überwachung des ruhenden Verkehrs derzeit 277 Planstellen (Vollzeit), von denen 226 besetzt sind. Bearbeitet wurden dort im vergangenen Jahr rund 893.000 Fälle. Aufgrund einer Software-Umstellung könnten die entsprechenden Einnahmen derzeit nicht zugeordnet werden, heißt es aus Köln. Hannover hat 28 Stellen im Außendienst und verzeichnete im vergangenen Jahr 218.000 Verfahren mit einer Gesamteinnahme von rund 3,5 Millionen Euro. Die Stadt Oldenburg setzt aktuell 24 Verkehrsüberwacher ein, die allerdings auch für Tempokontrollen mit speziell ausgerüsteten Fahrzeugen zuständig sind. 2018 wurden rund 60 000 Parkverstöße geahndet, die Einnahmen daraus betrugen laut Pressesprecher der Stadt 834 000 Euro. Die Stadt Kiel setzt rund 30 Kräfte inklusive Innendienst für die Überwachung des ruhenden Verkehrs ein. Die Einnahmen könnten nicht zugeordnet werden, weil Verstöße im fließenden und ruhenden Verkehr statistisch nicht getrennt erfasst würden, heißt es.