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Nach 500.000-Euro-Sanierung Anwohner kritisiert Pflaster am Werdersee als "behindertenfeindlich"

Ärger an der Kleinen Weser: Ein Anwohner kritisiert die Aufwertung der Werdersee-Terrassen scharf. Die Pflasterung sei "behindertenfeindlich". Das Umweltressort weist die Kritik von sich.
09.09.2024, 05:00 Uhr
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Anwohner kritisiert Pflaster am Werdersee als
Von Lennart Bonk
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Einmal mit seiner Tochter auf den neu gestalteten Terrassen am Werderseeufer sitzen, gemütlich den Blick über das Wasser und das Treiben auf der anderen Uferseite schweifen lassen. Was so einfach klingt, ist für Gunar Stempel mit Mühen verbunden. Denn seine schwerstbehinderte Tochter sitzt im Rollstuhl. Das Kopfsteinpflaster im Übergangsbereich zur Rampe und auf der Fläche direkt am Ufer nennt er "behindertenfeindlich".

Eigentlich sollte es nach den Modernisierungsarbeiten am Ufer der Kleinen Weser auf Höhe des Deichscharts keine Barrieren mehr geben. Dafür sind im Zuge des Bauprojektes "Aufwertung Deichschart" zwei Rampen seitlich der neu gestalteten Terrassen gebaut worden. Sie sollen Menschen mit Rollator oder Rollstuhl den barrierefreien Zugang zum Sitzen am Wasser ermöglichen.

Doch aus Stempels Sicht verfehlt die Planung des für 500.000 Euro sanierten Areals ihr Ziel. Deswegen hatte er beim Landesbehindertenbeauftragten Arne Frankenstein eine Beschwerde eingereicht. Frankenstein setzt sich für eine Nachbesserung ein. Die Chancen darauf stehen allerdings schlecht.

Was kritisiert Stempel am barrierefreien Zugang zum Werdersee?

Im Herbst 2022, gut ein halbes Jahr vor Fertigstellung der Arbeiten, machte Stempel schon auf die Problematik des Bauvorhabens aufmerksam. Der pensionierte Allgemeinarzt kennt beruflich und privat die Alltagshürden für mobilitätseingeschränkte Menschen bestens. Am barrierefreien Zugang am Werdersee kritisierte er hauptsächlich das Kopfsteinpflaster am Anfang und Ende der Rampe sowie im Sitzbereich der Terrasse.

Für Menschen im Rollstuhl sei seiner Erfahrung nach der unebene Untergrund mit seinen Fugen ein ernsthaftes Problem. Der Aufenthalt in dem Bereich werde dadurch nicht nur erschwert, sondern auch gefährlich, wenn jemand die Kontrolle über seinen fahrbaren Untersatz verliere.

Was sagt das zuständige Umweltressort zu der Beschwerde?

Im Vorfeld des Baus habe es eine "intensive Abstimmung mit dem Landesbehindertenbeauftragten" gegeben, betont das Umweltressort auf Nachfrage. Dadurch sei es möglich gewesen, sowohl neue als auch vorhandene Steine zu verbauen. "Hier gab es in der Planungsphase keine kritischen Nachfragen in Bezug auf die verwendeten Natursteine", teilt Ramona Schlee, die Pressesprecherin der zuständigen Senatorin, mit. Ohne Hinweise auf mögliche Probleme könnten diese auch nicht bei der Planung berücksichtigt werden.

Wie ordnet Bremens Landesbehindertenbeauftragter die Lage ein?

Der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein widerspricht der Darstellung des Umweltressorts. Er habe über seine Mitarbeiterin schon während der Bauplanung darauf hingewiesen, dass Steine zu verwenden sind, die "rutschhemmend, eben, fugenarm und erschütterungsarm befahrbar" sind. Im Zuge von Stempels Beschwerde forderte er im Sommer 2023 vom Umweltressort, das nachträgliche Abschleifen der huckeligen Steine zu prüfen. Das geht aus einer Stellungnahme hervor, die dem WESER-KURIER vorliegt.

Nicht zuletzt stellt er klar, dass Natursteinpflaster verwendet werden kann, aber nur dann, wenn es abgeschliffen wird. "Eine solche Behandlung des Oberflächenmaterials ist im Rahmen des Planungsprozesses jedoch leider nicht erfolgt", sagt Frankenstein.

Wie geht es jetzt weiter am Werderseeufer?

Für das Umweltressort erfüllt die Anlage am Werdersee die Anforderungen an die Barrierefreiheit. "Die Wege sind durch die Rampen barrierefrei. Alle anderen Flächen sind Aufenthaltsräume", unterstreicht die Pressesprecherin. Das heißt konkret: Bei städtischen Bauvorhaben müssen laut Umweltressort lediglich die Wege barrierefrei gestaltet werden. Die barrierefreie Gestaltung des Sitzbereichs sei nicht verpflichtend.

Zudem habe das Ressort Frankensteins Vorschlag geprüft. Das Ergebnis: Eine nachträgliche Bearbeitung würde zu "bautechnischen Problemen" führen. Die Verfugung könnte zerstört werden, wodurch möglicherweise Unkraut die Anlage überwuchern könne.

Zudem sei das Abschleifen der Kopfsteinpflasterung teuer. Die Kosten dafür liegen laut dem Umweltressort im sechsstelligen Bereich. "Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die ausführende Firma die Gewährleistung für das Gesamtbauwerk nach dem Abschleifen ablehnen würde und damit nicht kalkulierbare weitere Risiken abgedeckt werden müssten", betont die Pressesprecherin.

Gunar Stempel will die Antwort des Umweltressorts nicht hinnehmen. Er will nichts unversucht lassen, bis er problemlos mit seiner Tochter den Blick auf das Wasser genießen kann. "Ich werde die Behörden weiterhin für das Thema Barrierefreiheit sensibilisieren", kündigt er an.

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