Am Briefkasten an der Straße steht nur die Hausnummer, kein Name. Ebenso wenig wie an der Klingel am schmiedeeisernen Tor. Dafür gibt es gleich mehrere Überwachungskameras. Zum Grundstück führt eine hundert Meter lange Zuwegung. Man lebt zurückgezogen hier in Oberneuland. Unauffällig, aber gut geschützt. Doch nicht an diesem Tag. In den frühen Morgenstunden dringen Spezialkräfte der Bundespolizei mit Gewalt in das Haus ein. Abschluss einer wochenlangen Observierung und Teil einer deutschlandweiten Aktion von Bundespolizei und Zoll. Es geht um illegales Einschleusen von Ausländern, um Menschenhandel und organisierte Schwarzarbeit. Der mutmaßliche Kopf der Organisation wird in dem Gebäude an der Oberneulander Landstraße vermutet.
Mittwochmorgen, 7.30 Uhr – die Ruhe nach dem Sturm: Drei Transporter der Bundespolizei versperren den Weg zum Gebäude. Vermummte Polizisten verstauen ihr Material in den Fahrzeugen, die Aufräumarbeiten haben begonnen. Dazu gehören auch die Scherben der Glasfront des Wintergartens. Hier waren die Beamten mit einer Ramme ins Haus gelangt. Der Verdächtige ist festgenommen, befindet sich aber noch im Gebäude. Er wird um kurz nach 9 Uhr mit einem weißen Gefangenentransporter der Bundespolizei weggebracht.
Razzien von Zoll und Bundespolizei in zwölf Bundesländern
Aktionen wie diese fanden am Mittwochmorgen in ganz Deutschland statt. In zwölf Bundesländern durchsuchten insgesamt rund 2200 Kräfte von Bundespolizei und Zoll Wohnungen von Beschuldigten, Firmen, Geschäftsräume, Logistikzentren und Wohnunterkünfte von Arbeitnehmern. In Bremen wurden zwei Objekte durchsucht, zwei weitere in Ritterhude und Delmenhorst. Es geht um Organisierte Kriminalität. Diesmal nicht um Clankriminalität, die Spuren weisen nach Osteuropa. Die Polizei spricht von einer "Täterorganisation vorwiegend russischer und deutscher Staatsangehörigen". Der Schleuserbande wird vorgeworfen, in Deutschland und im Baltikum Unternehmen gegründet zu haben, von denen aus im großen Stil Leiharbeiter an Logistikunternehmen sowie Groß- und Einzelhandel in Deutschland entsendet werden.

Nach der Festnahme wird das Haus von Bundespolizei und Zoll durchsucht.
Die überwiegend aus osteuropäischen Nicht-EU-Staaten, hier vor allem aus der Ukraine und Moldawien stammenden Leiharbeiter wurden dafür mit falschen Identitäten und gefälschten Dokumenten zu EU-Bürgern gemacht, erläutert die Bundespolizei das Vorgehen der gewerbsmäßigen Schleuser. Die Bande lässt sich von den Leiharbeitern für die Arbeitsvermittlung, die Beschaffung der gefälschten Dokumente und die Unterbringung in Deutschland bezahlen, kassiert darüber hinaus auch einen Teil des Lohnes der Arbeiter ein. Zusammen mit dem Nichtabführen von Sozialausgaben erzielt die Bande auf diese Weise Millionengewinne, sagt die Polizei. Nach bisherigem Stand der Dinge seien bislang über 1000 Arbeitnehmer nach Deutschland eingeschleust worden.
Polizei sichert Beweise in Oberneuland
In Oberneuland verlassen zwei Sanitäter der Bundespolizei das Grundstück. Nach dem Einsatz von Spezialkräften ein weiterer Hinweis darauf, was aus Sicht der Polizei denkbar war an diesem Morgen – der Gebrauch von Schusswaffen zum Beispiel. Das nächste Fahrzeug, das über die Hofauffahrt anrollt, hat einen Anhänger. Die vierbeinigen Spezialisten des Zolls rücken an. Zwei Spürhunde, der eine trainiert auf Sprengstoff, Waffen und Munition, der andere auf Bargeld.
Im Haus sind inzwischen die Fachermittler der Bundespolizei im Einsatz. Nach dem spektakulären Auftakt der Aktion am frühen Morgen setzt jetzt die eher dröge Alltagsroutine ein: Es gilt, Berge von möglichen Beweisen zu sichern.