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Ehemalige Schrottimmobilie So lebt es sich auf einer 15-stöckigen Baustelle in Tenever

Die Gewoba renoviert seit mehreren Monaten ein Wohnhochhaus in Tenever. Die Bewohner leben auf einer Dauer-Baustelle, aber für die Sanierung der Schrottimmobilie nehmen sie das gern in Kauf.
10.04.2025, 05:00 Uhr
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So lebt es sich auf einer 15-stöckigen Baustelle in Tenever
Von Christian Hasemann

Im Erdgeschoss ein frisch eingerichtetes Conciergebüro, Handwerker, die bei strahlendem Sonnenschein hin und her eilen, röhrende Bohrer und Gehämmer: Das Wohnhochhaus Neuwieder Straße 3 in Tenever gleicht in diesen Tagen einem emsigen Bienenstock. Zwischen all dem Treiben der laufenden Sanierung finden sich die Bewohner, die noch mehrere Monate auf einer Baustelle leben müssen. Ein Leiden, das sie in Kauf nehmen, denn ein Ende ist absehbar.

Nach nur wenigen Minuten vor dem eingerüsteten Haus, das mit seinen 15 Stockwerken zu den höchsten Wohngebäuden Bremens zählt, fällt etwas auf, was Außenstehende vielleicht so nicht vermuten würden. Es wird gegrüßt, es gibt Small Talk, ein kleiner Plausch hier, ein kurzes Gespräch dort, die Bewohner kennen sich, man schätzt sich. Von der vermuteten Anonymität eines Wohnhochhauses ist nichts zu spüren.

Zuversicht bei Mietern

Einer von ihnen ist Josef Gjoni. Er wohnt seit zehn Jahren in der Neuwieder Straße, von hier ist es nicht weit zu seiner Arbeit im Weserpark – ein Grund trotz der jahrelangen Mängel hier wohnen zu bleiben. "Die Fahrstühle und Treppen waren dreckig, jeder konnte in das Haus, die Fahrstühle waren kaputt und der Vermieter hat nur abkassiert", zählt er auf. "Alle haben hier gezahlt, aber keiner hat etwas gemacht", beschreibt er das Verhalten der Voreigentümer.

Das hat sich geändert. "Seit die Gewoba es gekauft hat, ist es laut, aber das geht vorbei", sagt Gjoni. Bei ihm werde derzeit das Badezimmer saniert. "Am Montag kommt die Küche dran." Das bringt durchaus Umstände für ihn als Mieter mit sich. "Ich schlafe deswegen gerade im Wohnzimmer, aber das stört mich nicht, die Handwerker sind ab 16 Uhr ja weg. Das nehme ich in Kauf." Dass gegenüber mit dem Nordquartier auch ein Supermarkt entsteht, hält er für richtig. "Es gibt hier viele Menschen mit Rollstuhl oder Rollator, die nicht mehr so weit kommen."

Eine weitere Mieterin lässt einen Blick in ihre sanierte Wohnung zu. Melanie Böttcher wohnt seit einem Jahr in der Neuwieder Straße 3. Das Bad erneuert, zweckmäßig aber zeitgemäß, vor der Haustür ein Handwerker, er legt Fliesen in einer Nachbarwohnung. "Es freuen sich sehr viele Menschen, auch wenn es viele noch gar nicht glauben wollen", sagt Böttcher. Natürlich sei eine Sanierung belastend. "Aber wenn hier alles fertig ist, dann gibt's eigentlich kaum etwas, worüber man sich beschweren kann."

Dass es zu einer Sanierung der Neuwieder Straße kommt und gegenüber ein neuer Supermarkt entsteht, ist nicht allein der Gewoba und der Innenstadtpolitik zu verdanken. Tatsächlich haben sich kurz nach dem Aus des letzten Supermarkts in Tenever vor annähernd neun Jahren die Bewohner organisiert, haben protestiert, waren vor und in der Bürgerschaft. Unterstützung bekamen sie vom Beirat Osterholz, vom Ortsamt Osterholz und dem Quartiersmanagement. Letztlich zahlte sich der dauerhafte Protest aus Tenever aus.

"Die Proteste vor Ort haben geholfen", ist Quartiersmanagerin Katrin Höpker überzeugt. Immer wieder waren die Zustände in der Neuwieder Straße und das Fehlen eines Supermarktes Thema in den vom Quartiersmanagement geleiteten Stadtteilgruppensitzungen. Durch die Proteste sei der Stadt klar geworden, dass in Tenever 10.000 Menschen ohne Nahversorgung lebten. Höpker macht aber auch deutlich, dass die Verantwortlichen für die Misere nicht in Bremen saßen.

Langes Ringen für Verbesserungen

Beim ehemaligen Supermarkt hat der Eigentümer Aldi per Kaufvertrag eine weitere Nutzung des Grundstücks als Supermarkt ausgeschlossen. Aus dem Aldi wurde dann eine Kita. Das Gebäude in der Neuwieder Straße 3 war wiederum in den Händen privater Immobilienkonzerne. Letztlich war es also die Privatwirtschaft, die das Leben mancher Menschen in Tenever nicht unbedingt einfacher gemacht hat. Gelöst wurde es durch die Bewohner selbst, die Stadt und ein städtisches Unternehmen – auch wenn es Jahre gedauert hat.

"Mit der Gewoba haben wir nun einen verantwortungsbewussten Akteur vor Ort, der sich auskennt", betont Höpker. Dass es verhältnismäßig lange gedauert habe, liege an den äußeren Umständen. "Für den Supermarkt musste ein Nahversorgungskonzept entstehen, Baurecht geschaffen werden, dann kam noch Corona dazwischen."

Zum Gespräch gesellt sich Nesim Arslan. Er ist Beiratspolitiker für das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) und selber jahrelang Mieter in der Neuwieder Straße gewesen. Gerade hat er seine Kinder zu den Großeltern gebracht, die in dem Haus wohnen. Ob die Menschen frustriert seien, dass es so lange gedauert hat? "Es ist den Menschen relativ einfach zu erklären, und jetzt sieht man ja auch, dass es hier läuft, das etwas passiert." Die Bewohner seien zufrieden und positiv überrascht. "Es lohnt sich, dran zu bleiben", sagt er. Katrin Höpker sieht in der engen Zusammenarbeit aller Akteure den erfolgreichen Ansatz für den Kauf und die Sanierung des Wohnhochhauses. "Jobcenter, Sozialzentrum, Bauressort, Mieterschutzbund, Ortsamt, Beirat, Quartiersmanagement – alle waren an einem Tisch." Vielleicht ein Vorbild für andere Schrottimmobilien in Bremen.

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