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Förderprogramm Geflüchtete Lehrer sollen an Bremer Schulen unterrichten

Ein Förderprogramm des Bürgerzentrums Neue Vahr qualifiziert ausländische Lehrerinnen und Lehrer für die Arbeit an Bremer Schulen. Die ersten Pädagoginnen aus Syrien und Algerien haben Arbeitsverträge bekommen.
26.01.2023, 05:00 Uhr
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Geflüchtete Lehrer sollen an Bremer Schulen unterrichten
Von Christian Hasemann

"Die Schulen brauchen uns", sagt Esraa Domyati. Sie ist Teilnehmerin eines Kurses im Bürgerzentrum Neue Vahr, der Pädagoginnen und Pädagogen mit ausländischen Wurzeln für die Arbeit in Bremer Schulen qualifiziert. Eine anstrengende, aber lohnende Arbeit, wie die Teilnehmenden berichten.

Domyati stammt aus Syrien, lebt seit sechs Jahren in Deutschland. In Syrien hat sie englische Literatur studiert und als Lehrerin gearbeitet. Dann kam der Krieg, der sie nicht nur aus ihrer gewohnten Umgebung riss, sondern auch aus dem Berufsleben. "Ich habe mich dann um die Kindererziehung gekümmert", sagt Domyati. Mit drei Kindern ist die Familie vor Krieg und Verfolgung geflüchtet, ein viertes wurde in Deutschland geboren. Domyatis Berufswahl ist nicht ganz zufällig, schon ihre Eltern seien Lehrer gewesen, erzählt sie im Bürgerzentrum. Und der Wunsch war immer groß, wieder in dem Beruf zu arbeiten. "Es ist mein Traumjob", bekräftigt sie.

Sprachliche Hürden

Für ausländische Pädagogen gibt es aber Hindernisse, ihre Qualifikation anerkennen zu lassen. Insbesondere sprachliche Hürden gilt es zu überwinden. In vielen Bundesländern muss für den direkten Einstieg das Sprachniveau C2 nachgewiesen sein. C2 bedeutet Sprachkenntnisse auf Muttersprachenniveau.

Sprachkurse haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kurses alle belegt, aber ohne Arbeit wird das Sprechen nicht so sehr trainiert und ohne die Sprache zu trainieren, ist es nicht leicht, eine Arbeit zu bekommen.

Das erzählt Ranim Dyab: "Ich habe die B1- und B2-Kurse gemacht, um die Sprache zu beherrschen, war aber dann bei meiner Tochter zu Hause." Sie habe keine Chance gehabt, über eine Arbeit ihr Deutsch zu verbessern. "Aber Arbeit ist wichtig für mich, um mit Leuten in Kontakt zu kommen", sagt sie. Sie ist 2014 mit ihrer Familie aus Homs in Syrien geflüchtet. Dyab hat in der syrischen Stadt Englisch studiert und als Lehrerin gearbeitet.

Von dem Programm habe sie unterwegs über die sozialen Medien erfahren. "Ich habe noch in der Straßenbahn eine E-Mail geschrieben", sagt sie. "Ich war sehr motiviert, obwohl ich immer mindestens eine Stunde aus Huchting mit der Straßenbahn hierher fahren musste."

Anfang des Schuljahres haben die Teilnehmerinnen ein Praktikum in verschiedenen Schulen Bremens gemacht. "Das war super für mich", sagt Dyab, "wir sind in den Klassen, um Kinder zu unterstützen und helfen."

Leila Cheriet ist Französischlehrerin und stammt ursprünglich aus dem algerischen Constantine. Sie hat sechs Jahre in einer Oberschule als Lehrerin gearbeitet. "Ich wollte in Deutschland wieder als Französischlehrerin arbeiten", erklärt sie. Erst B1, dann B2, einfache Hilfsarbeiten – sie arbeitet sich langsam hoch. "Aber der Weg zu C2 ist sehr lang", sagt Cheriet. "Ich habe dann aufgegeben." Sie habe viel Zeit verloren, sagt sie bedauernd. Neuen Mut fasste sie, als sie von der Weiterbildungsmöglichkeit hörte. "Und jetzt bin ich richtig glücklich, weil ich in sehr guten Händen bin."

530 Stunden Praxis in der Schule

Saher Khanaka-Kükelhahn hat das Projekt ins Leben gerufen. "Wir wollen Lehrer, die in ihrer Heimat studiert und unterrichtet haben, die Möglichkeit geben, wieder an Schulen zu arbeiten." 280 Stunden Theorie und 530 Stunden Praxis als Assistenzkraft in einer Schule gehören zu der Fortbildungsmaßnahme. Die Schulen bekämen dringend benötigte Assistenzkräfte, die Teilnehmer können sich weiterbilden und ihre Sprachkenntnisse ausbauen. "Sie verbessern sich enorm", hat Kükelhahn beobachtet. Sie betont die gute Aufnahme der Teilnehmer in den Schulen und die Zusammenarbeit mit der Bildungsbehörde. "Das war eine super Zusammenarbeit, und wir haben sehr schnell, die Genehmigung für die Maßnahme bekommen."

In der vergangenen Woche dann der Erfolg: Leila Cheriet hat einen Tarifvertrag als Lehrkraft in einer Willkommensschule unterschrieben. "Wir können nachvollziehen, wie Kinder sich in Vorkursen fühlen, die gar kein Deutsch können. Wir wissen, was sie brauchen", betont Cheriet, die an der Oberschule Ronzelenstraße ihren Praxisteil gemacht hat. Für sie ende eine elfjährige Zeit, in der sie nicht so glücklich gewesen sei. "Jetzt habe ich den richtigen Weg gefunden und alleine hätte ich das nicht geschafft", sagt sie mit Blick auf Saher Khanaqa-Kükelhahn.

Für die Teilnehmer bedeutet der Sprung in das deutsche Schulsystem auch eine Umstellung. Davon spricht Shaza Kablan, die ihren Praxisteil der Weiterbildung an der Oberschule Kurt-Schumacher-Allee (KSA) ablegte. "In Syrien haben die Schulen nicht so viel Material." Technik sei vor allem den Universitäten vorbehalten. Noch ein Unterschied: Schuluniformen. Durchaus ein Punkt, dem Kablan positive Seiten abgewinnt. "Ich mag Schuluniformen, da kann keiner sehen, wer reich ist, wer arm ist." Auf der anderen Seite sieht sie viel Positives: "Es gibt mehr Offenheit, mehr Kommunikation, Meinungsfreiheit." Die Kinder könnten mehr mitreden und mitbestimmen. "Die Kinder haben mehr Rechte als in Syrien", sagt Kablan, die in Damaskus französische Literatur studiert hat.

Im Bürgerzentrum Neue Vahr hat Kablan das Sprachcafé mit Kinderbetreuung besucht, um ihr Deutsch zu üben. Dort erfuhr sie von dem Projekt. In der KSA ging es dann ganz schnell für Kablan: "Ich wurde als Zweitkraft für Französischunterricht eingestellt, aber dann kam die Lehrerin nicht." Aus der Zweitkraft wurde eine Vertretungskraft. Nach zwei Wochen Vertretung dann der erste Vertrag: Sie arbeitet nun als unterstützende Französisch-Lehrerin an der KSA, zunächst für vier Stunden, aber es sollen mehr werden. "Ich freue mich sehr darüber", betont Kablan, die ebenfalls einen Vertrag an einer Willkommenschule unterschrieben hat.

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