Nach dem Aus für das Einkaufszentrum Haven Höovt nach 15 Jahren soll bekanntlich mehr als die Hälfte der Bausubstanz abgerissen werden. Auf dem Areal, das am historischen Hafen liegt, ist eine neue Bebauung, Nutzung und Gestaltung geplant. Nach der Ausschreibung eines Wettbewerbs sieht der Siegerentwurf der Architekten Wirth und Wirth an der Hafenkante eine Bebauung vor, die an die alten Baustrukturen am Hafen mit Werft und Fischerei erinnern soll: Zur Hafenkante hin sollen dreigeschossige Gebäude und zur Grohner Düne hin Bauten mit bis zu sechs Geschossen entstehen.
Hinter dem alten Werft-Speicher, in dem heute das Vegesacker Geschichtenhaus sitzt, soll jedoch ein neungeschossiges Wohnhochhaus gebaut werden. Der Planentwurf liegt bis zum 8. Juli öffentlich aus. Die neue Planung Haven Höövt 2.0 war im Vegesacker Geschichtenhaus jetzt Gegenstand einer öffentlichen Diskussion, bei der vor allem das geplante Hochhaus heftig kritisiert wurde. Unter der Moderation von Michael Brandt, Ressortleiter der NORDDEUTSCHEN, gaben zunächst vier Fachleute ihre Stellungnahme zum Bebauungsplan 1218 ab.
Christof Steuer, ehemaliger Leiter des Bauamts Bremen-Nord sah in dem geplanten Hochhaus mit neun Stockwerken immer noch eine erhebliche Beeinträchtigung – es würde die gesamte örtliche Situation am Vegesacker Hafen, zwischen Alt-Vegesack und dem „Schulschiff Deutschland“ dominieren. Die Argumente, die für das Hochhaus vorgebracht wurden, seien nicht stichhaltig: Das Zentrum von Vegesack brauche keinen solchen neuen „Leuchtturm“, um Modernität und Weltläufigkeit zu zeigen, noch müsse durch weitere Verdichtung notwendiger Wohnraum geschaffen werden.
Durch das geplante Hochhaus in der Nähe der Grohner Düne könnten sich die sozialen Konflikte noch verschärfen. „Ein Hochhaus leistet keinen Beitrag zur Urbanität – um es herum ist tote Hose“, sagte Steuer, es stelle keinen respektvollen Umgang mit dem denkmalgeschützten Speicher und mit der Umgebung dar. Steuer forderte, dass sich dieses Gebäude vielmehr an Höhe und Volumen des viergeschossigen Speichers orientieren sollte und als Fortsetzung der übrigen geplanten Bebauung entlang der Hafenkante konzipiert werde. Das neue Stadtquartier könne dann für den historischen Speicher einen passenden Rahmen bilden, wobei er eine Begrünung der Fläche zwischen Speicher und dem dahinter liegenden Neubau vorschlug.
Die zweite Stellungnahme gab Oliver Platz, Präsident der Architektenkammer Bremen, ab, der ausdrücklich und ganz bewusst eine Position zugunsten des Hochhauskonzeptes einnahm. Nur ein Hochhaus könne auf wenig Grundfläche viel neuen Wohnraum generieren, und er empfahl, eher auf die Qualität dieses Wohnhauses und des gesamten Entwurfs zu achten, als pauschal die Zahl der Stockwerke zu kritisieren.
Georg Skalecki, Leiter der Denkmalpflege Bremen, kritisierte in seiner Stellungnahme, dass der Denkmalschutz bei der Planung weitgehend außen vor gelassen worden sei. So sei seine Behörde zum Beispiel beim Wettbewerb nicht stimmberechtigt gewesen und zur Beiratssitzung, auf der über die Planungen beraten und abgestimmt wurde, nicht eingeladen worden.
„Einiges im Verfahren ist nicht sauber, aber das ist bei Städteplanungen in Bremen üblich“, sagte Skalecki. Eberhardt Syring, Professor für Baugeschichte und Architekturtheorie an der Hochschule Bremen, war zwar nicht persönlich erschienen, hatte aber eine Stellungnahme vorbereitet, die verlesen wurde: Beim neuen Bebauungsplan sei die regionalistische Architektursprache mit seiner differenzierten Kleinteiligkeit überzeugend, nicht jedoch das geplante Hochhaus – weder in Form, Dimension noch Proportionen.
„Die Grohner Düne hat sich als Bausünde eingebrannt“, schreibt Syring in seiner Stellungnahme. Er äußerte die Befürchtung, dass durch das Hochhaus der Speicher optisch „verzwergt“ werde. „Zurückhaltung und Proportionsgefühl seien die besseren Strategien“, schreibt er und fragt: „Braucht dieser Ort einen solchen bombastischen architektonischen Auftritt?“
In der anschließenden Diskussion überwogen die kritischen Stimmen zum geplanten Hochhaus bei Weitem: „Alle Hochhäuser in Bremen-Nord haben sich als sozial schwierig erwiesen“, sagte Claus Jäger, Vorsitzender des Deutschen Schulschiffvereins, und dieses Hochhaus gefährde darüber hinaus den historischen Standort.
Angesichts dieser Planungen sei sogar zu überlegen, ob man nicht einen anderen Standort für das „Schulschiff Deutschland“ suchen solle. Ein Diskussionsteilnehmer warnte, dass bereits vor 20 Jahren, als das Haven Höövt geplant wurde, vom früheren Investor vieles versprochen und wenig eingehalten wurde, wie zum Beispiel Bowlingbahn oder Kino.
Rainer W. Buchholz, in der ausgehenden Legislaturperiode baupolitischer Sprecher der FDP in der Bremischen Bürgerschaft, schlug vor, die Sozialquote aus dem Bebauungsplan herauszunehmen, denn sie sei ringsum übererfüllt. Dann entfalle ein Zwang, dies mit mehr Wohnungsfläche zu kompensieren. Buchholz wandte sich ebenfalls gegen das Hochhaus: „Kein Gebäude sollte höher sein als der Alte Speicher.“
Muss es wirklich sein?
Von einer Teilnehmerin wurde gefragt, was die Bürger bei der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanentwurfs denn überhaupt noch bewirken könnten? Christof Steuer erläuterte, dass die Bürgerbeteiligung der Kern aller Bauvorhaben sei. Bei den schriftlichen Stellungnahmen der Bürger, die auf jeden Fall begründet werden sollten, könne der Beirat Vegesack Unterstützungsarbeit leisten.
Ein weiterer Teilnehmer brachte die Diskussion abschließend auf den Punkt: „Das Hochhaus ist das Einzige, woran sich alle reiben – deshalb stellen wir an Max Zeitz, den Geschäftsführer der Projektentwicklungsgesellschaft Haven Höövt, die Frage, ob es wirklich sein muss.“