Zahlreiche Bürger aus Bremen-Nord wurden im „Dritten Reich“ Opfer der Judenverfolgungen durch die Nationalsozialisten. Ein Brennpunkt des Geschehens war – im wahrsten Sinne des Wortes – die Synagoge in Aumund am jetzigen Jacob-Wolff-Platz: Sie wurde im Rahmen der „Reichskristallnacht“ am 10. November 1938 niedergebrannt und brachte zahlreiche Gewaltmaßnahmen gegen Juden im Deutschen Reich mit sich. Jacob Wolff, der letzte Vorsteher der Synagogengemeinde Aumund-Blumenthal-Vegesack, wurde später im Konzentrationslager Theresienstadt inhaftiert und starb dort an den Folgen seiner Haft im Dezember 1942.
Nach einem Gedenkgottesdienst in der Kirche Alt-Aumund versammelten sich auf dem Jacob-Wolff-Platz mehrere Gruppen, um der Nordbremer Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken: die Kirchengemeinde Aumund-Vegesack, der Beirat und der Jugendbeirat Vegesack sowie die Internationale Friedensschule Bremen. Für die Zusammenkunft gab es zwei Anlässe: Zum einen jährte sich die Befreiung der KZ-Häftlinge aus Auschwitz und Birkenau zum 80. Mal, zum anderen wurde das neu installierte Straßenschild „Jacob-Wolff-Platz“ symbolisch unter Beteiligung der Gemeinde enthüllt.
Gedenken geht auf Herzog zurück
Nachdem Ortsamtsleiter Gunnar Sgolik die rund 70 Teilnehmer begrüßt hatte, übergab er der Beiratssprecherin Heike Sprehe das Wort, die an den 27. Januar 1945 erinnerte, als die Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz durch Soldaten der Roten Armee befreit wurden. „Im Jahre 1996 wurde vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog der Tag des Gedenkens für die Opfer des Nationalsozialismus eingeführt“, sagt Heike Sprehe. „Er betonte damals, wie wichtig es sei, eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Der Gedenktag soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken“, sagt Heike Sprehe. Seitdem wird dieser Gedenktag jährlich am 27. Januar begangen. Sie wies darauf hin, dass heute von der AfD unter dem Schlagwort „Remigration“ eine neue Freund-Feind-Haltung und Diskriminierung vertreten werde, die verhindert werden müsse. Als Alice Weidel am 11. Januar zur Spitzenkandidatin der AfD gewählt wurde, sprach sie sich ausdrücklich für eine „Remigration“ aus, also eine massenhafte Rückführung von Menschen aus anderen Ländern in ihre Herkunftsregion. „Dabei werden Menschen aus anderen Ländern in Deutschland dringend gebraucht, zum Beispiel in Krankenhäusern, in der Pflege oder im Handwerk“, sagt die Beiratssprecherin und mahnt, dass bei rund 20 Prozent Zustimmung zur AfD das Thema „Remigration“ sehr ernst genommen werden müsse. „Doch Menschen dürfen wegen ihrer Hautfarbe, Religion, einer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung nicht ausgegrenzt oder verfolgt werden“, fordert sie.
Wiltrud Ahlers von der Internationalen Friedensschule Bremen zitierte einen Schüler, der jüngst über die Zerstörung der Synagoge in Aumund gearbeitet hätte. Er habe sich gefragt, warum es denn damals keinen Widerstand gegen die Aktionen gegeben hätte? Der Hauptgrund sei die Angst vor Sanktionen gewesen, hatte Heike Sprehe ihm geantwortet und wies darauf hin, dass es bereits vor der Machtergreifung der Nazis im Jahre 1933 Ressentiments gegen Juden, Behinderte oder Sinti und Roma gegeben habe, die Nazis aber systematisch gegen diese Gruppen vorgegangen seien.
Anschließend lasen Mitglieder des Jugendbeirats Vegesack die Namen der jüdischen Nordbremer Opfer des Nationalsozialismus vor und nannten auch die Orte, an denen die Menschen ums Leben kamen: zum Beispiel in den KZs von Treblinka, Theresienstadt, Minsk oder Auschwitz, aber auch während der Todesmärsche der KZ-Häftlinge in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs, bei denen zahlreiche Menschen erfroren, verhungerten oder von den SS-Wachmannschaften erschossen wurden. Ortsamtsleiter Gunnar Sgolik leitete nachfolgend eine Schweigeminute ein.
Bereits am 9. November hatte Bürgermeister Andreas Bovenschulte den Jacob-Wolff-Platz eingeweiht. Damals fehlte noch das Straßenschild, und auch die jüdische Gemeinde konnte nicht anwesend sein. Am Sonntag war sie aber dabei und das Schild fertig, das zum Abschluss der Gedenkveranstaltung feierlich enthüllt wurde.