Welch verlockender Arbeitsplatz für Menschen, die gern Süßes naschen. Kekse und Kuchen in greifbarer Nähe. Besonders würzige Kekse hatte dieser Bäckerstand auf dem Vegesacker Wochenmarkt in der Vorweihnachtszeit im Angebot. "Süchtigmacher" warnte ein dazu aufgestelltes Schild die Kunden. Aber wollte jemand den humorvoll gemeinten Hinweis wirklich ernst nehmen? Weihnachten ist schließlich nur einmal im Jahr. Beruhigenderweise gefolgt von der Fastenzeit. Warum also die Finger lassen von all den Leckereien? Wenn doch schon bald Maßhalten und Verzicht anstehen. Was aber auch nicht für immer sein muss. Schließlich sind Kekse, Kuchen und Co. das ganze Jahr hindurch "Süchtigmacher".
Ob auch der Mann hinter der üppig bestückten Auslage während seiner Arbeit zum Naschen kommt? Die meiste Zeit ist Ismail Kunth damit beschäftigt, den Kundinnen und Kunden all die Kekse und Kuchen einzupacken und über den Tresen zu reichen. Und natürlich Brot. Der Holzofenbäcker aus Augustfehn ist dafür bekannt, dass er die jahrhundertealte traditionelle Backkunst pflegt. Dafür steht auf den Wochenmärkten neben dem Verkaufswagen ein großer Ofen. Er ist Ismail Kunths Metier. Schon sehr früh am Morgen hat der 36-Jährige Scheite von Eichen- und Buchenholz in den Backofen gelegt und das Feuer angezündet, damit die Schamottsteine ordentlich auf Temperatur gebracht werden.
Röststoffe und dicke Kruste
"Locker 500 Grad" Hitze würden die Steine ausstrahlen, weiß der gelernte Bäcker. Man könnte meinen, dass die Brote darin im Nu verkohlen. Aber das sei nicht so, erklärt der Fachmann. Obwohl die Temperatur höher sei, wirke die Strahlungswärme weniger aggressiv als in Öfen mit Luftumwälzung. Aber die höhere Hitze habe es dennoch in sich, schwärmt der Bäcker. Denn sie sorge für geschmacksintensivere Röststoffe. Außerdem bilde sich sehr bald eine dicke Kruste, die die Feuchtigkeit im Brot einschließe und es so länger frisch halte. Die Holzofenbrote seien am Stand der Renner. "Sie sind am meisten gefragt."
Das Anfeuern des Backofens ist nur der erste Arbeitsschritt für Ismail Kunth. Ist die gewünschte Hitze erreicht, muss er die Asche vom Backofenboden ziehen und dann die Brote zum Backen hineinlegen. Im Fach darunter lodert weiterhin ein Feuer. Seit zwölf Jahren hat der Holzofenbäcker Ripken auf dem Vegesacker Wochenmarkt seinen Stand. Seit fünf Jahren gehört der junge Mann donnerstags zum Team. An den anderen Tagen steuert er andere Wochenmärkte an. Zum Beispiel in Cuxhaven oder Bremen-Findorff. Von Augustfehn aus nicht gerade ein Katzensprung.
Um halb drei klingelt der Wecker
"Morgens um vier fahren wir los", erzählt der Bäcker, der zum Ausgleich zu seiner Arbeit Krafttraining betreibt. Aufstehen muss Ismail Kunth "um kurz nach halb drei". Eine Uhrzeit, die manch einen Arbeitnehmer abschrecken könnte. Aber ihm gefalle das Marktgeschehen, erzählt der 36-Jährige. Dafür nehme er den überaus frühen Tagesbeginn in Kauf. "Der Reiz ist, dass man mit Menschen zu tun hat." Und zwar auf eine besondere Weise. Der Umgang mit den Kunden sei viel persönlicher als in einem Laden, berichtet Ismail Kunth. Man kennt sich. Nicht wenige der Männer und Frauen kann er mit Namen ansprechen. Manchmal entspinnt sich über Donauwelle, Apfelkuchen und Brötchen hinweg auch ein Gespräch. Und manchmal müsse er dabei "auch Psychologe sein", sagt der Bäcker.
Bleibt noch die Frage, ob Ismail Kunth selbst ein Fan der Produkte ist, die er anderen in Papiertüten packt. Darf er mal naschen? Aber klar, lautet die Antwort. Und wenn mal eine Lücke klafft in der Kundenschlange, dann nutzt er auch die Gelegenheit und greift zu, erzählt der Bäcker. Für seinen persönlichen Genuss gibt es einen Favoriten: "Schokobeißer". Ein Plundergebäck, erklärt er. Und fügt geschäftstüchtig hinzu: "Muss man probiert haben."