Der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern ist groß. Das hat zur Folge, dass bremenweit rund 900 Kitaplätze nicht genutzt werden können. Um dem entgegenzuwirken, hat die senatorische Behörde für Kinder und Bildung vor gut einem Jahr die sogenannte Kindertagespflegeoffensive gestartet. Mit der will die Behörde Tagesmütter und -väter als Zweitkräfte in den Kindergarten locken. Was diese Möglichkeit für die Einrichtungen im Bremer Norden bedeutet, wurde nun bei einer Zusammenkunft von Pädagogen und Politikern im Grohner Dünenweg erörtert.
Zu den Einrichtungen, die Kindertagespflegepersonen beschäftigen, gehört unter anderem die Kita Bremer Wolle Kids. "Bei uns arbeiten zurzeit vier Tagesmütter", erzählt Einrichtungsleiterin Kim Dierks. Die Zusammenarbeit mit den neuen Kolleginnen sei durchweg positiv. "Wir waren von Anfang an offen für dieses Projekt und sind nach wie vor sehr zufrieden", berichtet sie. Die Kindertagespflegeoffensive habe in ihrer Einrichtung zum Beispiel dazu geführt, dass sie eine Praktikantin, die sie sehr gerne dauerhaft in ihrem Team haben wollte, für die Qualifizierung begeistern und nun als Zweitkraft einstellen konnte.
Gleiche Aufgaben bei ungleicher Qualifikation
Einen Unterschied zwischen staatlich anerkannten Erzieherinnen und Erziehern und Kindertagespflegepersonen macht Dierks nicht. "Wir arbeiten auf Augenhöhe", betont sie. "Ob wir Projekte planen oder Elterngespräche führen: Wir machen alles gemeinsam."
Auch wenn Tagesmütter und -väter bei Weitem nicht so gut ausgebildet sind wie staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher, so gebe es trotzdem vonseiten der Eltern keinerlei Vorbehalte. "Den Müttern und Vätern ist wichtig, von welcher Person ihre Kinder betreut werden", so Dierks. Die könnten sich die Mädchen und Jungen selbst aussuchen. Und bei dieser Entscheidung spiele es keine Rolle, welche Ausbildung die jeweilige Kraft habe.
Ömer Kaya gehört zu denjenigen, der insbesondere Frauen dazu motiviert hat, sich zur Kindertagespflegeperson weiterbilden zu lassen. "Die Damen haben sich auf eine Reise begeben, um sich zu verwirklichen", sagt der Quartiersmanager für Lüssum-Bockhorn. Den Teilnehmerinnen, die vielfach alleinerziehend seien, ginge es in erster Linie darum, ein Vorbild für ihre Kinder zu sein. Den Müttern sei es wichtig, dass ihr Nachwuchs hier ankommt. Und das funktioniere eben nur, wenn sie berufstätig sind.
Nicht jede bekommt einen Job
Das Problem sei aber, dass nicht alle Frauen, die an der Weiterbildung teilgenommen haben, nun auch in einem Kindergarten arbeiten. "Manche bekommen nicht einmal die Chance, in einer Einrichtung zu hospitieren", berichtet er. Das liege daran, dass viele Kitas bereits Tagespflegepersonen beschäftigen würden und damit keine weiteren Zweitkräfte mehr einstellen könnten. Schließlich sei die Anleitung aufwendiger als bei einer staatlich anerkannten Kraft. "Das birgt bei den Kindertagespflegepersonen allerdings die Gefahr, dass die Motivation wieder abnimmt." An diesem Punkt sei aus seinem Quartier bisher aber noch niemand. Wer keinen Job hat, würde sich nach wie vor eifrig bewerben. Trotzdem hat er eine klare Forderung: "Die Träger müssen sich öffnen und ihre Vorurteile gegenüber Nicht-Fachkräften abbauen", so Kaya. Das ginge am besten im Rahmen einer Hospitation.
Dass nicht alle Kindertagespflegepersonen einen Job gefunden haben, belegen auch die Zahlen der Behörde. Demnach haben bisher rund 100 Personen die Weiterbildung absolviert, 70 davon seien in Arbeit und zwei im Praktikum. Fünf müssten ihre Prüfung noch einmal wiederholen.
Im Bremer Norden arbeiten zurzeit rund 30 Kindertagespflegepersonen in einer Kita. "Für die Einrichtungen ist es total gut, diese Unterstützung zu haben", sagt Kinder- und Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD). Dennoch sei ihr bewusst, dass es einen Unterschied mache, ob die Einrichtungen eine Kindertagespflegeperson oder eine Fachkraft mit pädagogischer Berufsausbildung einstellen. "Dass die Kindertagespflegepersonen trotzdem nicht als Hilfskraft behandelt werden, empfinde ich als mutmachend", so die Senatorin.
In den Gruppen erfüllen die Tagesmütter eine wichtige Aufgabe. "Viele der Frauen haben – wie auch die Kinder in den Einrichtungen – Deutsch nicht als Muttersprache", sagt Aulepp. "Für die Mädchen und Jungen ist es hilfreich, wenn sie in der Kita jemanden haben, der ihre Muttersprache spricht." Schließlich sei es wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder, die fit in ihrer Muttersprache sind, deutlich besser Deutsch lernen. Bei diesem Prozess könnten die Kindertagespflegepersonen die Kleinen sehr gut unterstützen.