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Ömer Kaya Besuch beim neuen Quartiersmanager für Lüssum-Bockhorn

Über Jahrzehnte hat Heike Binne das Lüssumer Quartier gemanagt, jetzt macht das Ömer Kaya. Wer der Neue ist und was er bisher gemacht hat – ein Besuch.
18.01.2023, 18:00 Uhr
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Besuch beim neuen Quartiersmanager für Lüssum-Bockhorn
Von Christian Weth

Früher hat sich Ömer Kaya vor allem um Jugendliche gekümmert, jetzt ist er für alle da: Frauen, Männer, Kinder, Anwohner, Vereinsmitglieder, Projektemacher, Politiker, Verwaltungskräfte. Und alle, das hat der Sozialarbeiter schnell gemerkt, wollen etwas von ihm. Vor allem ihn kennenlernen. Seit Wochen schüttelt Kaya immer wieder Hände und sagt Leuten, die er zum ersten Mal sieht, wer er ist – der neue Quartiersmanager für Lüssum-Bockhorn.

An diesem Vormittag musste er sich noch niemandem vorstellen. Die Frauen und Männer, mit denen er als Erstes zu tun hat, kennen ihn inzwischen. Es ist QM-Sitzung. Die beiden Buchstaben stehen für Quartiersmanager. Rund ein Dutzend gibt es in der Stadt. Per Videoschalte tauschen sie sich über Projekte aus. Kaya sagt, dass er momentan noch viel zuhört. Auch bei anderen macht er das. Zum Beispiel bei seiner Vorgängerin. Heike Binne hatte Ende September ihren letzten Tag und er Anfang Oktober seinen ersten.

Beim Mittagessen im Haus der Zukunft an der Lüssumer Heide sitzen beide nebeneinander. Es gibt Labskaus mit Spiegelei. Das Küchenteam hat auch gebacken. Es wird vom Verein gemanagt, den Binne weiterhin leitet und der das Haus gebaut hat. Vor 25 Jahren war das und sie seither die Quartiersmanagerin. Später wird Kaya sagen, dass viele große Erwartungen an ihn haben, weil die Fußspuren, die sie hinterlässt, riesig sind. Nur will er gar nicht in diese Fußspuren treten. Er will seinen eigenen Weg gehen.

Kaya, 43, Brille, Bart, kurzes Haar, weiß nicht, ob es das war, was die Jury am Ende überzeugt hat, sich für ihn zu entscheiden. Vielleicht war es auch seine Herkunft und den Entscheidern wichtig, dass jemand, der in einem anderen Land geboren ist, ein Quartier übernimmt, in dem 40 Nationen aufeinandertreffen. Oder alles zusammen. Kaya weiß nur, dass er sich gegen drei Bewerber durchgesetzt hat. Und er froh darüber ist, wieder das zu machen, was er anfangs ehrenamtlich gemacht hat. Er nennt es Gemeinwesenarbeit.

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Seine Familie stammt aus Kiwex, einem Dorf im Südosten der Türkei. Sie musste von dort weg, weil sie kurdisch ist und wegen ihres Glaubens verfolgt wurde. Die Flucht war deshalb anders als bei anderen: Seine Eltern, seine drei Brüder und er wurden ausgeflogen – und nicht in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht, sondern gleich in einer Wohnung. Kaya war damals fünf und ab sofort ein Hemelinger. Dort ging er zur Schule, machte sein Abitur und wurde Akademiker, wie fast alle seiner Brüder.

Kaya hat Soziale Arbeit studiert. Die Behörde, für die er im Einsatz ist, heißt ähnlich. Es ist das Amt für Soziale Dienste. Davor war er bei einem freien Träger und davor Teammitglied eines Jugendtreffs. Und davor ein Kind, das nach der Schule nicht gleich nach Hause ging, sondern in ein Freizeitheim, um zu essen und Hausaufgaben zu machen. Und weil das auch Lüssumer Kindern so geht, glaubt er, ihnen anhand seiner Vita belegen zu können: Lernen kann sich lohnen – egal, aus welchem Viertel du kommst.

Er ist im Grunde einer von ihnen. Was er einen Vorteil nennt. Genauso wie sein bisheriger Schwerpunkt im Job: die Arbeit mit Jugendlichen. Erst hat er Freizeitprojekte für sie initiiert, dann war er dafür zuständig, jene, die straffällig wurden, zu resozialisieren, später arbeitete er mit jungen Flüchtlingen. Und nun sind unter denen, um die er sich als Quartiersmanager zu kümmern hat, auch Erwachsene und Senioren. Kaya spricht davon, dass er dabei ist, einen Blick für alle zu entwickeln.

Ins Haus der Zukunft ist an diesem Tag auch eine Gruppe von Senioren zum Mittagessen gekommen. Kaya winkt ihnen zu, die Frauen und Männer winken zurück. Er kennt alle mit Namen. Und sie seinen. Für manche ist er schon lange nicht mehr der Neue. Und für ihn das Quartier auch kein Neuland. Kaya war vor Jahren häufiger in Lüssum. Er trat dort mit seiner Hemelinger Fußballmannschaft an. Für ihn hat sich das Viertel seither deutlich verändert. Und ist jetzt dabei, sich noch mehr zu verändern.

Am Nachmittag macht Kaya eine Runde durchs Quartier. Es geht vorbei an Häusern, die neue Balkone haben, an aufgeschütteten Erdhaufen, mit denen Freiflächen neu angelegt werden sollen, und Gebäuden, die wegkommen. Wie das Parkdeck am Ende der Lüssumer Heide. Der Sozialarbeiter ist froh darüber, dass die Stadt das Gebiet erneut zum Fördergebiet erklärt hat. Und dass seine Vorgängerin sich mit Anwohnern dafür eingesetzt hat. Er findet, zu einer Zeit ins Quartier gekommen zu sein, die spannender nicht hätte sein können.

Umziehen wird er trotzdem nicht. Kaya will im Südosten Bremens bleiben. Wegen seiner Frau und den drei schulpflichtigen Kindern. Auch wenn das bedeutet, dass er innerhalb der Stadt einen der längsten Wege zum Arbeitsplatz hat. Einmal quer durch Bremen. Von Arbergen, wo er inzwischen wohnt, nach Blumenthal. Und zurück. Anfangs ist er mit der Bahn gefahren, jetzt fährt er mit dem Auto. Weil das schneller geht und seine Arbeitstage länger werden. Alle wollen etwas von ihm, manchmal auch bis halb neun abends.

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