Sobald es friert, geht es zum Üben ins Wasser. So machen es die Rettungstaucher immer. Am vergangenen Wochenende haben sie sich quasi auf dieses Wochenende vorbereitet – auf Leute, die beim Schlittschuhlaufen ins Eis einbrechen oder unters Eis geraten. Die Nordbremer Einsatzkräfte der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft rechnen damit, dass sie ab Freitag einiges zu tun bekommen. Die Eisdecken auf den Seen und Teichen sind dünn. Den ersten Notruf hatten sie schon.
Für Heye Walter sind es immer dieselben, die vor allen anderen auf dem Eis sein wollen: Kinder und junge Erwachsene. Die einen, sagt der Bezirkschef der Nordbremer Rettungskräfte, treibt die Neugier, die anderen der Übermut. Dass die Taucher am Mittwochmorgen alarmiert wurde, hat aber weder mit Kindern noch jungen Erwachsenen zu tun. Sondern mit einem Hund. Der war aufs Eis gelaufen – und die Halterin wollte hinterher. Walter sagt, dass es in diesem Monat der zweite Fall ist, bei dem ein Tier einen Einsatz auf dem Eis auslöste. Der erste war auf dem Werdersee, der jetzige auf dem Mahndorfer See.
Beide sind zwar nicht im Norden der Stadt, verständigt wird die Aumunder Wache der ehrenamtlichen Helfer trotzdem. Zur Sicherheit. Je mehr Kräfte vor Ort sind, meint Philipp Postulka, desto besser. Der Sprecher des Landesverbandes der Lebensretter sagt, dass das im Grunde für alle Einsätze gilt, aber besonders für solche auf und unterm Eis. Nach seiner Rechnung muss alles mindestens doppelt vorhanden sein: Weil Lungenautomaten einfrieren können, wird mit zweien getaucht. Und weil die Retter wegen der Eisdecke nicht überall nach oben können, geht es für sie an zwei Leinen in die Tiefe.
Behörde warnt
Laut Postulka ist nicht jeder Taucher der Lebens-Rettungs-Gesellschaft deshalb auch ein Eistaucher. Am Wochenende waren die Nordbremer Einsatzkräfte zu acht im Wasser des Unisees, um sich auf den Ernstfall vorzubereiten. Der Verbandssprecher sagt, was auch der Bezirkschef meint: dass die Eisdecken auf Seen und Teichen noch dünn und darum gefährlich sind. Davon geht auch die Umweltbehörde auf. Obgleich der Frost seit Tagen anhält und voraussichtlich noch weitere Tage anhalten wird, warnt sie davor, Eisflächen zu betreten.
Nach Angaben von Jens Tittmann wird es keine Freigaben von Gewässern geben – auch dann nicht, wenn die Kälte über Wochen andauern sollte. Der Sprecher von Umweltsenatorin Maike Schaefer sagt, dass vom Ressort bereits seit Längerem keine Liste veröffentlicht wird, aus der hervorgeht, wo Schlittschuhlaufen möglich ist und wo nicht. Aus einem simplen Grund, wie er meint: Weil sich die Behörde nie sicher sein kann, dass das Eis tatsächlich hält und Klagen von vornherein ausschließen muss, gibt sie auch nichts frei. Wer Eisflächen betritt, sagt Tittmann, betritt sie auf eigene Gefahr.
Bisher hat die Feuerwehr in diesem Winter bremenweit drei Einbrüche ins Eis registriert. Jedes Mal ging es um einen Hund, der gerettet werden musste. Aus Sicht von Christian Patzelt ist das ein sicherer Beleg dafür, dass niemand auf eine zugefrorene Fläche gehen sollte: Die Eisdecken, sagt er, sind so dünn, dass sie nicht mal Tiere tragen. Wie häufig Menschen in vergangenen Wintern eingebrochen sind, kann der Feuerwehrsprecher nicht ad hoc sagen. Fest steht ihm zufolge nur, dass sich die Fälle zu Beginn einer Kälteperiode häufen und an ihrem Ende. Zahlen hat auch die Lebens-Rettungs-Gesellschaft nicht.
Auch wenn Winter mit Frost seltener geworden sind und mit ihnen Unfälle im Eis, ist das Equipment der Nordbremer Hilfskräfte für Einsätze in der kalten Jahreszeit erweitert worden. Sie haben neuerdings, was die Feuerwehr schon länger hat: einen sogenannten Eisretter. Der Bezirkschef beschreibt ihn so wie andere ein Schlauchboot beschreiben. Nur, dass der Eisretter keinen Boden hat. Walter sagt, dass die Helfer sich mit ihm zu Fuß auf einer zugefrorenen Oberfläche fortbewegen. Bricht sie, gehen die Retter nicht unter, weil sie sich an den Gummiwänden festhalten.
Dass die Helfer investiert haben, kommt für Verbandssprecher Postulka nicht von ungefähr. Er sagt, dass man im Sommer auf dem Wasser schnell sein muss, um jemanden vor dem Ertrinken zu retten – und im Winter auf dem Eis noch schneller. Wer eingebrochen ist, verliert nach seinen Worten eher die Kraft, weil er in der Regel Stiefel und Winterjacke trägt, die ihn schwerer machen und nach unten ziehen. Hinzu kommt noch, dass durch die Kälte des Wassers die Muskeln verkrampfen. Darauf weist auch die Umweltbehörde in ihrer Warnung hin. Ihr zufolge kühlt ein Körper so schnell aus, dass er innerhalb von Minuten gelähmt ist.