Ein älterer Mann sitzt auf seinem Rollator und wirft Brötchenkrumen auf den Asphalt. Tauben scharen sich um ihn und picken die Brösel auf. "Er hat wahrscheinlich Freude daran. Es ist nett gemeint, aber für die Tiere nicht gut", sagt die tierschutzpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Silvia Neumeyer, während sie die Szenerie am Bahnhofsvorplatz in Vegesack beobachtet.
Hier und am Sedanplatz leben mehr Tauben als irgendwo sonst in Bremen. Das sagt auch eine Sprecherin der Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf (Die Grünen). Weil sie von der Felstaube abstammt, nistet die Stadttaube an Häuserfassaden und in Nischen, die an Orten wie dem Bahnhofsvorplatz zu finden sind. "Beim Kiosk wissen sie, dass Mal ein Stück Brot oder ein paar Pommes herunterfallen", sagt Neumeyer. Die Tiere ahnen dabei nicht, dass ihnen die darin enthaltenden Salze und Gewürze schaden.
Seit Jahren fordert Neumeyer, sogenannte Taubenhäuser beziehungsweise Taubenhotels zu bauen. Die Umweltsenatorin hat nun nach eigenen Angaben einen geeigneten Standort im obersten Geschoss eines Hauses in der Nähe des Bahnhofs Vegesack gefunden. "Derzeit wird die Umsetzung geprüft", heißt es. Die Senatorin stehe jedenfalls mit dem Bauamt Bremen-Nord über das weitere Vorgehen in Verbindung. Grundsätzlich überprüft die Behörde, ob ein Standort baulich geeignet und zugänglich ist, sowie sich genehmigen lässt. Schon einmal wurden 18 etwaige Standorte ein Taubenhaus rund um den Bahnhof geprüft. Aber entweder haben sie sich als nicht geeignet erwiesen oder die Eigentümer lehnten den Vorschlag ab.
Erfolgreiches Taubenhaus in der Innenstadt
In Bremen gibt es bisher ein Taubenhotel – und das erst seit rund einem Jahr. Es befindet sich auf dem Dach des Parkhauses am Brill in der Innenstadt. Taubenhäuser sind betreute Schläge. Hier bekommen die Vögel artgerechtes Futter und Wasser. Um ihre Population langfristig zu minimieren, werden die gelegten Eier durch Gipsattrappen ausgetauscht. Da die Tiere in höheren Lagen nisten, kommen für ein Taubenhotel auch nur höhere Standorte infrage.
"Es wird auch regelmäßig gereinigt. Und man sieht natürlich, ob ein Tier krank oder verletzt ist. Dann kann man es bei einem Tierarzt behandeln lassen", ergänzt Neumeyer. Die Vegesackerin schlägt vor, bei den Beiräten nachzufragen, ob in ihren Stadtteilen Bedarf für die Tierherberge bestehe. Für Vegesack fallen ihr gleich mehrere mögliche Standorte ein: zum Beispiel in dem demnächst zum Teil leer stehenden Polizeirevier.
"Das Taubenhotel in der Innenstadt wurde durch die Tiere gut angenommen und sie nisten dort zuverlässig. Das ist besonders wichtig, um die Eier regelmäßig gezielt austauschen zu können", erläutert die Sprecherin der Umweltsenatorin. Die Population werde auf diese Weise reduziert. Rund um das Taubenhaus ist Füttern nun verboten. Dafür versorgen die Bremer Taubenvereine die Tiere an festen Plätzen mit artgerechtem Futter. So lasse sich der sogenannte Hunger-Kot reduzieren, der besonders dünnflüssig und schwer zu entfernen sei. Außerdem führe das nicht-artgerechte Füttern häufig zu Mangelerscheinungen bei den Vögeln.
Ein Verbotmöchte die Umweltsenatorin für Bremen-Nord zurzeit nicht durchsetzen, da dieses eben ohne kontrollierte Fütterung nicht tierschutzgerecht sei. Die Senatorin möchte allgemein die Vögel nicht "tierschutzwidrig" vergrämen. Um die Population zu kontrollieren, werden – abseits vom Bau von Taubenhäusern – Brutplätze an Gebäuden und auf öffentlichen Plätzen geschlossen.
Neumeyer hat eine ähnliche Meinung zum Fütterungsverbot: "Wir können die Tiere doch nicht verhungern lassen. Das ist ein menschengemachtes Problem. Deswegen stehen wir in der Verantwortung." Wie die Christdemokratin ausführt, sind die Stadttauben die Nachkommen von ausgesetzten und abhandengekommenen Brief- und Haustauben.
Gegen Ansiedlung von Falken
Neumeyer lehnt es auch ab, Falken anzusiedeln, die Jagd auf das Federvieh machen sollen, oder Verhütungsmittel ins Futter zu mischen. "Tauben haben keine Lobby. Viele sagen ja auch 'Ratten der Lüfte'", beklagt sich Neumeyer und fügt hinzu: "Manche erschrecken sich, wenn eine große Gruppe angeflogen kommt. Andere denken, sie übertragen Krankheiten."
Ähnlich wie Neumeyer sieht die Senatorin für Umwelt vor allem ein Problem darin, dass die Tiere mit ihrem Kot öffentliche Bereiche und Gebäudefassaden verschmutzen. "Auch bei der Gastronomie und dem Einzelhandel bestehen hygienische Bedenken", so die Sprecherin. Silvia Neumeyer warnt: "Wir müssen etwas machen. Sonst kippt die Stimmung."