Das Lehrerzimmer heißt „Schoolmesterstuuv“, über dem Wegweiser im Flur steht in großen Buchstaben „Wat is wo?“ und jeden Morgen gibt es für alle Kinder und Erwachsenen in der Frühstückspause drei Minuten lang was auf die Ohren: op Platt. Dann meldet sich nämlich mit einem fröhlichen Jingle über den Schullautsprecher „dat Schönebecker Schoolradio“ zu Wort. Drei oder vier Schülerinnen und Schüler der vierten Klassen sind reihum Moderatorinnen und Moderatoren, die erzählen, wer an dem Tag Geburtstag hat und sich auf ein Lied freuen darf, welche Frage beim Quiz der Woche auf Antworten wartet, wie der Spruch der Woche lautet – de „Spröök vun de Week“ - und wie das Wetter wird.
Spätestens jetzt ist klar: Plattdeutsch steht an der Grundschule Schönebeck hoch im Kurs. „Platt ist an unserer Schule erste Fremdsprache“, sagt Schulleiterin Britta Riethmöller, die mit ihrer Stellvertreterin Myriam Kolbe sogar einen „native Speaker“ an ihrer Seite hat. Alle rund 200 Schulkinder – von der ersten bis zur vierten Klasse – erhalten in der Woche eine Schulstunde Plattdeutschunterricht. Kleine Kostprobe: Die Mädchen und Jungen der Klasse 4a stimmen sich mit "Paul und Emma" auf ihre nächste Schulstunde ein. Paul und Emma sind die beiden Hauptfiguren in dem peppigen plattdeutschen Lehrbuch aus dem Quickborn-Verlag, mit dem die Schülerinnen und Schüler arbeiten. An diesem Mittag zum Thema Taschengeld. Was sie sich davon gern kaufen würden, möchte Myriam Kolbe wissen und lässt Arbeitsblätter verteilen, auf denen die Kinder ihre Wünsche notieren. In vollständigen Sätzen – und op Platt versteiht sik. Später setzen sie sich nacheinander vor die Klasse und lesen vor. "Ik mag so geern een Handy hebben", hat ein Junge aufgeschrieben. "Vun mien Taschengeld kööp ik Möbel", liest ein Mädchen vor. "Tööv bit dat lies is", ermahnt die Lehrerin hin und wieder, wenn es in der Klasse zu unruhig wird. Dann ist wieder Gelegenheit für neue Wünsche. Heiß begehrt sind Drohnen - Drahn op Platt.
Plattdeutsch immer im Ohr
Auch wenn andere Fächer auf dem Stundenplan stehen, mischt sich immer mal wieder wie selbstverständlich Plattdüütsch ein. Dann kommt es vor, dass die Lehrerinnen "Sett di dal" oder "Maak de Döör to" sagen. Auch der tägliche Morgenkreis, bei dem die Schüler in den Klassen begrüßt werden, ist auf Platt. Das Kollegium sei sehr offen für das plattdeutsche Profil, freut sich die Schulleiterin. Es habe sich neugierig und tastend an die neue Sprache herangewagt. "Außerdem bilden wir uns laufend fort." Gerade lassen sich die Lehrerinnen der Grundschule Schönebeck wieder von Reinhard Goltz schulen, dem Leiter des Instituts für niederdeutsche Sprache.
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„Es ist uns wichtig, Plattdeutsch im alltäglichen Leben der Kinder stattfinden zu lassen“, schreibt die Schulleiterin in einem Artikel für die aktuelle Ausgabe der „Schulgeschichten“, die vom Freundeskreis des Bremer Schulmuseums herausgegeben wird, und die das Thema „Plattdüütsch in de School“ beleuchtet. Was an der Grundschule Schönebeck so „allmangs“ geschieht – nämlich das Plattdeutsche ganz selbstverständlich vor Augen und in den Ohren zu haben, ragt in der Bremer Schullandschaft heraus. Mit der Grundschule Schönebeck wurden im Jahr 2016 vier weitere Grundschulen als "Profilschule für Niederdeutsch" eingerichtet. Von denen seien noch vier dabei, weiß Walter Henschen, der vor seiner Pensionierung bei der Bildungsbehörde für Niederdeutsch-Unterricht zuständig war und später den "Runnen Disch Plattdüütsch för Bremen" mitbegründet hat und im "Bundesraat för Nedderdüütsch" mitwirkte. An den meisten dieser Profilschulen - wie im Bremer Norden an der Grundschule Burgdamm oder am Gymnasium Vegesack - wird Plattdeutsch allenfalls als AG angeboten.
Als Profilschule zertifiziert
An der Grundschule Schönebeck ging es in die andere Richtung. "Hier wird eine tiefere und breitere Verankerung des Plattdeutschen in der Schule und im Stadtteil praktiziert", sagt Walter Henschen. Dafür wurde die Grundschule 2018 vom damaligen Bürgerschaftspräsidenten Christian Weber als zertifizierte plattdeutsche Profilschule ausgezeichnet. Das Plattdeutsche an der Schule sieht Schulleiterin Britta Riethmöller wie einen "Tropfen, der ins Wasser fällt und Kreise zieht". Nicht nur in den Schulmauern bleiben, lautet das Motto. So haben die Schülerinnen und Schüler einen plattdeutschen Audio-Guide für das Overbeck-Museum eingesprochen und gerade erst mit dem Hamburger Schauspieler Christian-Richard Bauer op Platt ein Video gestaltet. Wer rund um die Schule unterwegs ist, wird jetzt auch wieder an den Laternenpfählen die weihnachtlichen Plakate entdecken, auf denen die Kinder den Menschen aus dem Ortsteil mit plattdeutschen Grüße, Wünschen, Sprüchen oder Gedichten eine Freude machen. Das machen sie seit sieben Jahren immer wieder in der Adventszeit und bekommen dafür von den Nachbarn "ganz tolle und liebe Mails und Briefe" als Dankeschön zugesandt.