Nicht immer ist eine Geburt ein freudiges Ereignis. Wenn Babys bereits im Mutterleib sterben oder tot zur Welt kommen, bedarf es oft einer psychologischen Begleitung. Doch daran mangele es im Klinikum Bremen-Nord. Darauf hat das Nordbremer Netzwerk Frühe Hilfen in einem Brandbrief an die Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard hingewiesen. Das Netzwerk besteht aus Trägern, die sich um die Belange von Schwangeren und Frauen mit Kindern unter drei Jahren kümmern. Unterstützung erhält das Bündnis von der CDU.
Warum schlägt das Bündnis Frühe Hilfen Alarm?
„Wir sind in letzter Zeit vermehrt darauf gekommen, dass nach schwierigen Geburten hohe psychische Belastungen stattgefunden haben, die aufgefangen werden mussten“, berichtet Maren Maetze, Geschäftsführerin des Elternvereins für psychomotorische Entwicklungsförderung (Epsymo). Offenbar hatte es für die betroffenen Frauen keine ausreichende psychologische Versorgung im Krankenhaus gegeben. „Wir haben nachgefragt und festgestellt, dass die psychologische Begleitung in drei Abteilungen fehlt – im Kreißsaal, in der Wochenstation und in der Frauenstation."
Diese Situation hält das Netzwerk für kritikwürdig. Die Frauen befänden sich etwa bei drohenden Frühgeburten, bei Fehlbildungen oder bei stillen Geburten, bei der die Frau ein Kind ohne Lebenszeichen zur Welt bringt, in einem Ausnahmezustand. „Diese Frauen dürfen nicht allein gelassen werden, und es kann nicht Aufgabe von Hebammen sein, das aufzufangen“, betont die Diplom-Psychologin Maren Maetze. Das Netzwerk hat sich deshalb ans Gesundheitsressort und die gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktionen gewandt.
Warum ist der Bedarf an Begleitung aktuell so hoch?
Die Geburtenzahl im Klinikum Nord ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Waren es 2015 noch 1805 Geburten, lag die Zahl im vergangenen Jahr bereits bei 2243 Geburten. „Mit der gestiegenen Geburtenzahl in Bremen-Nord gibt es heute automatisch auch mehr Fälle, in denen psychologische Betreuung rund um die Geburt nötig wird“, berichtet Timo Sczuplinski Pressereferent der Geno. Hinzu käme, dass in Bremen-Nord auch vergleichsweise viele Risikogeburten auf hohem Niveau betreut werden, sodass oft ein größerer Bedarf entsteht.
Wie stellt die Geno die psychologische Versorgung aktuell sicher?
"Wir finden es wichtig, dass diese Diskussion geführt wird. Der gestiegene Bedarf an psychologischer Betreuung in diesem Bereich und eine Erweiterung der Angebote ist bei uns bereits seit vergangenem Jahr ein wichtiges Thema, das wir sehr ernst nehmen", sagt der Geno-Sprecher. Die Geno habe einen aus ihrer Sicht guten Weg gefunden, eine umfassendere Betreuung zu gewährleisten: Im Bedarfsfall zieht die Geno eigenen Angaben zufolge Psychologen aus dem Psychiatrischen Behandlungszentrum hinzu. „Zusätzlich haben wir nun noch zwei Weiterbildungsstellen geschaffen. So befinden sich aktuell eine Hebamme und eine Pflegekraft in Weiterbildung und bereits im Einsatz, sodass sie genau bei diesen Fragestellungen als Expertinnen zusätzlich unterstützen können.“
Wie bewertet das Gesundheitsressort die Situation?
Das Haus von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard strebe eine kontinuierliche Stärkung des bereits existierenden Angebots für Schwangere und junge Familien in Bremen an, berichtet Sprecherin Diana Schlee. In Planung sei für das Klinikum Nord unter anderem das "Tipp-Tapp-Projekt", das Beratung zu Gesundheitsfragen, Hausbesuche im ersten Lebensjahr, Schulärztlicher Dienst und Stellungnahme zu Frühförderung biete.
Das aktuelle Gesundheitsberufemonitoring habe gezeigt, dass gerade in sozial schwächeren Stadtteilen – auch in Bremen Nord – die Nachsorge durch Hebammen nicht immer ausreichend gewährleistet werden kann. Diese Versorgungslücke soll mit der Etablierung geplanter Hebammenzentren geschlossen werden. Die Behörde prüft Schlee zufolge darüber hinaus einen Änderungsantrag zu einer entsprechenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) einzubringen, mit dem Ziel die psychologische Versorgung von Frauen in der Geburtshilfe zu verbessern.
Was fordert die CDU?
„Neben der pflichtgemäßen Erfüllung gesetzlicher Vorgaben ist auch eine qualitätsorientierte und bedarfsgerechte psychologische Versorgung von Schwangeren und Müttern nachhaltig zu gewährleisten“, fordert CDU-Gesundheitspolitiker Rainer Bensch. Er hat den Brandbrief der Frühen Hilfen zum Anlass für eine Berichtsbitte an die Gesundheitssenatorin genommen. Es sei während der Sitzung der zuständigen Deputation für Gesundheit klar geworden, dass hier deutlich nachgebessert werden müsse. Mutter- und Kindeswohl müssten höchste Priorität haben. Rainer Bensch: Ich erwarte von der Geno-Geschäftsführung und der Gesundheitssenatorin, dass den Ankündigungen nun konkrete Taten zur Verbesserung der psychologischen Versorgung von Schwangeren und Müttern folgen.“