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Lesung von Rolf Becker Texte gegen den Krieg

Der Lyriker Erich Fried warb stets für den Frieden. Schauspieler Rolf Becker las jetzt in Vegesack aus seinen Texten. Durch den Krieg in der Ukraine bekam der Abend einen besonderen Bezug.
27.02.2022, 17:00 Uhr
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Von Friedrich-Wilhelm Armbrust/FWA

Er mahnte und warb, er bat und flehte, er fragte und hinterfragte, er hoffte und erwünschte Frieden und ein einvernehmliches Miteinander der Menschen. Dieses Bild zeichnete Schauspieler Rolf Becker von Erich Fried (1921 bis 1988). Der Lyriker Fried wuchs in Wien als einziges Kind einer jüdischen Familie auf. Eingeladen hatte Becker die Initiative "Nordbremer Bürger gegen den Krieg“.

In dem voll besetzten Saal der evangelisch-methodistischen Christuskirche Vegesack las der 86-Jährige Texte des österreichischen Lyrikers. Wobei lesen eher eine Untertreibung ist. Seine Stimme war kraftvoll, sowieso. Darüber hinaus verlieh die Mimik Beckers den Texten ein eigenes Gewicht. Mit Gesten drückte er seine Leidenschaft für das Gesagte aus. Das waren auch Gedichte und Texte von Erich Fried in Bildern.

Der Abend selbst stand unter dem Thema „Texte gegen Krieg und Entfremdung“. Er bekam durch die aktuellen Ereignisse in der Ukraine einen besonderen Bezug. Darauf ging auch als Veranstalter Gerd-Rolf Rosenberger ein, Mitbegründer der Initiative "Nordbremer Bürger gegen den Krieg". Unter Applaus sagte er: „Die Waffen müssen schweigen. Es dürfen keine Bomben fallen.“ Nur „Diplomatie mit den richtigen Leuten“ sei die Lösung.

Insofern ging es nahe, als Becker vortrug: „Wenn ein großes Land ein kleines überfällt – und die Freunde des großen Landes halten es nicht davon ab – ist es Mord – und die Freunde sind seine Spießgesellen – oder sind seine Sklaven.“ Dabei spiele es keine Rolle, ob dies im Norden, im Süden, Westen oder Osten, vorgestern, gestern, heute oder morgen geschehe.

Selbstzeugnisse des Dichters

Dabei ging der Schauspieler auch auf die Vita des Lyrikers ein und verlas Selbstzeugnisse des Dichters. Demnach ließ Fried wissen, dass er zwar Menschen geholfen habe. Gleichwohl habe es Menschen gegeben, denen er hätte helfen sollen oder auch wollen. „Denen ich aber nicht geholfen habe und die ich dadurch im Stich gelassen habe.“ Für sein Können sei keiner verantwortlich, räumte er ein. „Das stimmt, aber manchmal hat es wahrscheinlich nicht gestimmt.“

Ebenfalls kamen Frieds Gedanken zum Tode seines Vaters und zu seiner Mutter zur Sprache. Sie habe sich für ihn „abgearbeitet“. „Mutig“ sei sie dem Gestapo-Mann gegenübergetreten, der seinen Vater umgebracht habe.

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Becker selbst hat Fried nach eigenen Worten im Herbst 1969 in Bremen in einem Buchladen persönlich kennengelernt, einem „Treffpunkt der damaligen Szene“. Fried habe interessiert, was zu den Schülerunruhen geführt habe, so der 86-Jährige. Anlass war die Erhöhung der Straßenbahnpreise. „Frieds Fragen richteten sich auf ein mögliches freundschaftliches Zusammengehen von Studenten- und Arbeiterbewegung, auf die von ihm erhoffte Verbreiterung des Widerstands gegen den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetzgebung, die Hetze der Springerpresse“, sagte der Vortragende.

Eingeleitet hatte Becker seinen Auftritt mit Worten des Österreichers Ernst Jandl (1925 bis 2000). Der bezeichnete seinen Landsmann als einen Menschen „in Sorge um unsere geschundene Welt mit dem Wunsch nach Frieden, Freiheit, Liebe“, nicht nur nach ein wenig mehr davon, sondern nach allem davon. Denn jedes der drei sei unteilbar.

Dies kam auch in den Versen zum Ausdruck: „Wir lieben die Menschen! Doch jene nicht, die andere nicht frei leben lassen. Wir kämpfen, dass ihre Herrschaft zerbricht. Weil wir lieben, müssen wir hassen!“ Die Gewalt könne man vielleicht nie mit Gewalt überwinden“, sagte Fried. „Aber vielleicht auch nicht immer ohne Gewalt.“ 

Schrecknisse von Krieg und Gewalt

Themen, Gedanken und Fragen gab es weiter ausführlich zu „Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich“, zum sogenannten Radikalenerlass im Januar 1972, zu Widerstand gegen das Aufkommen von radikal-tödlichen diktatorischen Systemen, zu Deutschland, zur Roten Armee Fraktion (RAF). Immer wieder ging es um Krieg mit seinen Schrecknissen wie dem in Vietnam. Und um Gewalt: „Das Grundgesetz der Gewalt lautet: ,Recht ist, was wir tun. Und was die anderen tun, das ist Gewalt'.“ Dem zweiten Teil des Abends widmete sich Becker mit Texten von Fried dem Gegeneinander von Juden – Zionisten – Palästinensern.

Die Menschen seien positiv und tief beeindruckt gewesen, hat Gerd-Rolf Rosenberger ausgemacht. Gefreut habe er sich als Veranstalter über den Zuspruch: „Wir waren sozusagen ausverkauft. Die Mehrzahl der Besucher und Besucherinnen waren Außenstehende.“ Mehr als 60 Personen seien nicht zugelassen gewesen. Diese Besucherzahl sei ausgeschöpft worden. Ihn persönlich habe besonders die Passage zu Ulrike Meinhoff und die RAF angesprochen, sagte der 70-Jährige. Weiter zeigte sich Rosenberger dankbar für die eingesammelten Spenden in Höhe von 400 Euro, die an ein soziales Projekt der evangelisch-methodistischen Christuskirche Vegesack und an das Auschwitz-Komitee Hamburg gehen sollen.

Zur Sache

Über den Schriftsteller

Erich Fried wurde am 6. Mai 1921 als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren und verstarb am 22. November 1988. Ab 1938 lebte er in London im Exil. Er gilt als ein Hauptvertreter der politischen Lyrik der Nachkriegszeit, war Übersetzer und verfasste als Essayist Texte. Bekannt ist er auch für seinen Gedichtband „Es ist was es ist – Liebesgedichte, Angstgedichte, Zorngedichte“.

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