Erst gab es Gespräche ausschließlich mit Claus Jäger, jetzt wollen Bremerhavener Verwaltungsvertreter mit allen Vorstandsmitgliedern des Schulschiff-Vereins sprechen: Nächste Woche soll ausgelotet werden, unter welchen Bedingungen ein Wechsel des schwimmenden Kulturdenkmals von Vegesack in die Seestadt möglich wäre – und wo genau der Dreimaster dort festmachen könnte. Das Treffen ist im Neuen Hafen von Bremerhaven geplant. Oberbürgermeister Melf Grantz hat dazu eingeladen.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Bremerhavener Verwaltungschef und der Vegesacker Vereinschef über das Schulschiff austauschen. Bereits im August telefonierten sie miteinander und schrieben sich. Magistratssprecher Volker Heigenmooser sagt, dass der Kontakt zwischen Jäger und Grantz bisher ein ausgesprochen konstruktiver Kontakt war. Und dass der Oberbürgermeister von Anfang an klargemacht habe, wie sehr er sich darüber freuen würde, wenn das Schulschiff in die Seestadt käme.
Kein störendes Hochhaus
Das haben auch andere getan. Etwa die Bremerhavener FDP und die Bremerhavener CDU. Erst boten die Liberalen Gespräche an, dann die Union. Zuletzt war Jäger bei einer Sitzung der CDU in der Seestadt. Laut Fraktionschef Thorsten Raschen ging es sowohl um theoretische wie konkrete Dinge: um die Infrastruktur am Liegeplatz und darum, auf welcher Seite des Hafens das Schiff festmachen könnte. Raschen meint, dass der Vereinschef den Eindruck vermittelt habe, großes Interesse an einem neuen Standort zu haben.
Für Jäger versteht sich das von selbst, wenn es an einem alten Probleme gibt. Er sagt, nie eine Hehl daraus gemacht zu haben, dass sich der Verein nach einem neuen Standort umsehen wird, wenn das Hochhaus am Hafen kommt. Und auch daraus nicht, dass Bremerhaven so viele Vorteile bietet, dass ein Liegeplatz in der Seestadt den jetzigen an der Lesum um Längen schlagen würde. Er findet, dass das neungeschossige Gebäude, das am Vegsacker Ufer geplant ist, die Attraktivität des Rahseglers mindert.
In Bremerhaven gibt es kein Hochhaus, das stören würde. Dort gibt es stattdessen eine historische Flotte, in der sich das Schulschiff als weiterer Hingucker toll machen würde. Davon ist jedenfalls Magistratssprecher Heigenmooser überzeugt und noch von anderem. Zum Beispiel davon, dass der Verein die Zahl der Schulschiffbesucher in Bremerhaven vervielfachen kann. Er sagt, dass das U-Boot beim Schifffahrtsmuseum pro Jahr auf 80 000 Gäste kommt – und es ihn wundern würde, wenn der Dreimaster nicht Ähnliches schafft.
Laut Heigenmooser ist mit Jäger auch über die Gründung einer maritime Stiftung gesprochen worden, die helfen soll, dass Vereine, die Traditionsschiffe zu erhalten versuchen, nicht allein auf den Kosten sitzen bleiben. Etwa dadurch, dass sie für Förderer sorgt, aber auch für Helfer, die wissen, wie Schiffe aus Holz restauriert werden. Heigenmooser sagt, dass die ehrenamtlichen Kräfte, die bislang beim Schulschiff mitanpacken, irgendwann nicht mehr da sein werden. Und dass die Probleme des Vereins dann riesengroß werden.
Eigentlich sind sie es jetzt schon. Weil immer weniger Besucher an Bord kommen, gab es nach Jägers Rechnung zuletzt eine Finanzierungslücke von 60 000 Euro. Künftig könnte sie noch größer werden. Der Vereinschef sagt, dass der Betriebsmeister des Schiffes in zwei Jahren geht – und mit ihm das Team an Ehrenamtlichen. Jäger zufolge haben die freiwilligen Helfer im Vorjahr eine Arbeitsleistung im Wert von 100 000 Euro erbracht – eine Summe, die der Verein nicht hat, um fortan eine Fremdfirma beauftragen zu können.
Jäger sagt, das auch dem Vertreter der Wirtschaftsbehörde erklärt zu haben, mit dem er kürzlich zusammensaß. Der Vereinschef wollte wissen, wie das Ressort den Verein, der bisher nie um finanzielle Hilfe gebeten hat, unterstützen könnte. Eine Antwort steht noch aus. Kai Stührenberg sagt, dass die Gespräche über eine Lösung fürs Schulschiff andauern. Wie die aussehen könnte, lässt der Sprecher von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) deshalb offen. Fest steht für ihn nur, dass es spätestens im November eine Stellungnahme des Ressorts geben wird.
Dann will Jäger nämlich die Mitglieder des Schulschiff-Vereins darüber abstimmen lassen, was nun werden soll: Bleiben oder gehen? Für die Vegesacker Beiratsfraktionen ist die Antwort klar. Sie haben sich dafür ausgesprochen, dass der Segler seinen Standort behält. Genauso wie jetzt neun Nordbremer Bürgerschaftsabgeordnete. Am Mittwoch erklärten sie in einem Papier, dass es aus ihrer Sicht keinen Sinn mache, das Schulschiff als wichtige Attraktion aus dem maritimsten Stadtteil Bremens abzuziehen.
Zugleich fordern die Politiker, dass dem Verein einerseits bei den Problemen geholfen wird, die durch Corona verursacht wurden – und andererseits dabei, den strukturellen Schwierigkeiten und damit dem Besucherrückgang zu begegnen. Ein Konzept soll her. Wer das erarbeiten soll und bis wann, steht nicht in dem Schreiben.