Wie steht es um die Tagespflege in Vegesack? Um das zu erfahren, hat die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll (SPD), die Einrichtung des Sozialwerks der Freien Christengemeinde im Stadtteil besucht. Dabei hat sie unter anderem erfahren, dass die Institution heute weniger Menschen betreut als noch vor der Pandemie.
Jens Bonkowski nutzte den Besuch, um der Pflegebevollmächtigten vom Personalmangel in der Tagespflege zu berichten. "Damit wir unsere 18 Tagesgäste betreuen können, brauchen wir zwei Fachkräfte, eine Hilfskraft und eine Betreuungskraft", sagte der Bereichsleiter. "Gerade qualifizierte Leitungskräfte sind unheimlich schwer zu finden." Für eine andere Tagespflegeeinrichtung habe das Sozialwerk der Freien Christengemeinde ein dreiviertel Jahr nach einer geeigneten Kraft gesucht. "In der Tagespflege wird grundsätzlich nur von Montag bis Freitag zwischen 8 und 16 Uhr gearbeitet", schilderte er. "Entsprechend müsste der Arbeitsplatz eigentlich hochattraktiv für Pflegekräfte sein."
Die Personalsorgen des Trägers überraschten Claudia Moll. "Das ist komisch", sagte die examinierte Altenpflegerin. "Weil es in der Tagespflege weder Wochenend- noch Feiertagsdienste gibt, bin ich wieder zur Tagespflege zurückgekehrt."
Zeitgleich unterstrich sie die Bedeutung der Tagespflege. "Gerade für die Angehörigen ist es sehr wichtig, dass es diese Einrichtung gibt", sagte Moll. In den Stunden, in denen ihre Familienmitglieder betreut werden, könnten sie selbst etwa zum Arzt gehen oder sich einfach mal ausruhen. Entsprechend schwierig sei es, wenn beispielsweise die Eltern nicht bereit sind, das Angebot wahrzunehmen. "Eigentlich bräuchten wir einen anderen Namen", sagte Einrichtungsleiterin Susanne Gill. "Wenn Menschen den Begriff 'Tagespflege' hören, denken viele, dass sie abgeschoben werden." Genau diese Angst müsste den Tagesgästen genommen werden. "Den Menschen muss vermittelt werden, dass sie jeden Tag wieder nach Hause kommen", erklärte Moll.
In dem Zusammenhang verwies Jens Bonkowski auf die Angebote der Einrichtung. "Wir richten unser Wochenprogramm an den Bedürfnissen der Menschen aus", sagte er. "Dreimal in der Woche gibt es Bewegungsangebote." Ziel dabei sei, die Mobilität der Tagesgäste zu erhalten. Darüber hinaus gebe es ein Gedächtnistraining, um die kognitiven Fähigkeiten zu trainieren. "Wir setzen uns aber auch mit dem Tagesgeschehen auseinander und bieten einmal in der Woche eine Zeitungsrunde an", berichtete Bonkowski. Da der Träger christlich geprägt ist, gebe es einmal wöchentlich auch einen Gottesdienst. Außerdem hätten die Menschen die Möglichkeit, sich selbst mit Vorschlägen einzubringen.
Ein weiteres Thema des Gesprächs war die Corona-Pandemie. "Das war eine harte Zeit für uns", erzählte er. "Drei Monate mussten wir, wie andere Einrichtungen auch, komplett schließen. Danach haben wir uns mit einer Teilöffnung langsam wieder herangetastet und die Menschen gruppenweise betreut." Schwierig sei das nicht nur vor Ort, sondern auch auf dem Weg in den Kleinbussen gewesen. Schließlich mussten auch dort die Hygienevorschriften eingehalten werden. "Durch die Pandemie haben wir Besucherverluste erlitten, die wir noch nicht ausgleichen konnten", so Jens Bonkowski.
Angesetzt war der Besuch für zwei Stunden. Doch nach gut 45 Minuten musste Claudia Moll wieder gen Nordrhein-Westfalen aufbrechen. Der Streiks wegen, wie sie betonte. Dadurch blieb keine Zeit mehr für ein Gespräch mit den Angehörigen, das eigentlich noch vorgesehen war. Den Austausch werde sie aber im August nachholen. Dann wolle sie ein weiteres Mal in die Tagespflege nach Vegesack kommen. "Bei der Gelegenheit werde ich einen halben Frühdienst mitmachen", sagte die Sozialdemokratin zu.