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Anzeige erstattet Beirat Vegesack: Sitzung mit Folgen

Die April-Sitzung des Vegesacker Beirates hat ein Nachspiel: Zwei Stadtteilpolitiker haben Anzeige erstattet. Es geht um Beleidigungen und darum, dass die Sitzung verbotenerweise auf Twitch gestreamt wurde.
08.05.2025, 17:40 Uhr
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Beirat Vegesack: Sitzung mit Folgen
Von Aljoscha-Marcello Dohme

Es war die zweite Sitzung des Vegesacker Beirates, die offiziell hybrid – also sowohl im Ortsamt als auch im Internet – stattfand. Doch nachdem der parteilose Heiko Werner darüber informierte, dass die Beratungen auch über die Videoplattform Twitch verbreitet werden, entschied das Gremium kurzerhand, die Übertragung abzubrechen. Bereits davor soll er Personen beleidigt haben.

Die senatorischen Behörden hatten zwei Referenten nach Vegesack entsandt, die die Fraktionen über den Hitzeaktionsplan informieren sollten. Werner hielt die Ausführungen für wenig glaubwürdig. Ähnlicher Auffassung seien auch diejenigen, die die Sitzung via Twitch verfolgen, informierte er den Beirat. Das ergebe sich aus dem Chat zur Übertragung, so Werner weiter. Anschließend nutzte der Stadtteilpolitiker zum Teil vulgäre Begriffe, die als Beleidigung aufgefasst werden könnten.

Die bezeichnet Beiratssprecherin Heike Sprehe (SPD) als "unglaubliche Entgleisung des Kollegen." Genauso kritisch sieht sie, dass der Stream bei Twitch geteilt wurde. "Für uns hat das zur Folge, dass wir nicht wissen, in welchen Kreisen unsere Äußerungen die Runde machen – und unter Umständen auch verändert werden", sagt Sprehe.

Anzeige erstattet

Rechtliche Schritte will sie aber trotzdem nicht einleiten – weder wegen der Verbreitung des Streams noch wegen Werners Wortwahl. Schließlich dürfte dabei wenig herauskommen, argumentiert sie. Ihr Parteikollege Norbert Arnold war dagegen am Montag dieser Woche bei der Polizei und hat Anzeige gegen das parteilose Beiratsmitglied erstattet. "Ich habe das nicht aus Solidarität für den gesamten Beirat gemacht, sondern für mich", sagt er. "Herr Werner hat zu mir rübergeschaut und den Mittelfinger gezeigt." Dadurch habe er sich persönlich angesprochen gefühlt. Neben ihm seien aber auch die Referenten angegangen worden.

Thomas Pörschke (Grüne) hat die Situation anders wahrgenommen. "Die beleidigenden Einlassungen galten dem Gremium insgesamt, dem Ortsamt sowie nicht zuletzt den Referenten", sagt er. Trotzdem geht auch er juristisch gegen Werner vor. "Das tue ich nicht nur als Bürger, sondern auch als gewähltes Beiratsmitglied", so Pörschke. "Nach meiner Auffassung und Wahrnehmung wurde die Würde des Hauses insgesamt infrage gestellt." Und das verlange nach einer eindeutigen Reaktion.

Schon während der Sitzung beantragte Pörschke deshalb, dass Werners Einlassungen im vollständigen Wortlaut festgehalten werden. "Das ist wichtig, damit sie in angemessener Weise geprüft und gegebenenfalls weiterverfolgt werden können", erklärt der Fraktionssprecher.

Senatskanzlei involviert

Die Vorkommnisse werden nicht nur in Vegesack aufgearbeitet, sondern auch in der Innenstadt. Nach den Worten von Christian Dohle erreichte die Senatskanzlei am Tag nach der Sitzung ein Anruf aus dem Ortsamt, in dem die zuständige Abteilung über die Geschehnisse informiert wurde. "Es ist davon auszugehen, dass das Verhalten von Herrn Werner den Straftatbestand einer Beleidigung erfüllt", so der Sprecher der Senatskanzlei. "Diese ist jedoch ein Antragsdelikt, das heißt, es wäre Sache der Betroffenen, also der Beiratsmitglieder, Strafanzeige zu stellen." Da die Beleidigung in einer öffentlichen Versammlung gegen Personen des politischen Lebens begangen worden sein könnte, könne sich auch ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung ergeben. Ob dem so ist, müsse die Strafverfolgungsbehörde prüfen.

Darüber hinaus könnten sich rechtliche Konsequenzen aus der Übertragung via Twitch ergeben. So müsse geprüft werden, ob die Persönlichkeitsrechte der Anwesenden verletzt wurden. Denn nach dem Ortsgesetz über Beiräte und Ortsämter ist es nur dem Beirat sowie der Presse gestattet, Sitzungen zu übertragen oder aufzuzeichnen. Zudem müsse im Vorfeld über die Verbreitung beziehungsweise Speicherung informiert werden. "Dadurch, dass die Sitzung auf einem anderen als dem vom Beirat gewählten Medium Zoom verbreitet wurde, ohne dass der Beirat dies genehmigt hatte und die Übertragung zudem nicht vorher angekündigt wurde, erfolgte die Weiterleitung auf Twitch unrechtmäßig", sagt Dohle. Die Senatskanzlei werde nun zusammen mit dem Ortsamt und dem Beirat das weitere Vorgehen beraten. Dabei ginge es primär darum, eine erneute Übertragung über andere Plattformen zu verhindern.

Vegesacks Ortsamtsleiter Gunnar Sgolik betont, dass die Geschäftsordnung des Beirates ohnehin geändert werden soll. "Bei der Gelegenheit wird sicherlich auch festgeschrieben, dass Streams des Beirates nicht verbreitet werden dürfen", sagt er. Ob das Gremium in der Zwischenzeit auf hybride Sitzungen verzichten oder sie wie gewohnt fortsetzen wird, steht noch nicht fest. Sprehe zufolge obliege die Entscheidung dem Sprecherausschuss, ob die Mai-Sitzung eine hybride sein wird oder nicht. Dabei könnte auch eine Rolle spielen, ob es technische Möglichkeiten gibt, um das Teilen des Streams zu verhindern. Denn eines ist für die Beiratssprecherin klar: Eine Abkehr von hybriden Sitzungen ist keine Option.

Heiko Werner erwägt, sich in der übernächsten Woche zu den Vorkommnissen zu äußern. Aus Termingründen, teilt er auf Nachfrage der NORDDEUTSCHEN schriftlich mit, könne er sich nicht eher dazu verhalten.

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