Wo heute zwei verwaiste Gebäude stehen und das Grundstück zu einem kleinen Wald geworden ist, soll in Zukunft gewohnt werden. Die Stadt will das Areal an der Borcherdingstraße 10 an eine Baugemeinschaft geben, damit die das Grundstück entwickelt. Bis Ende August können sich Gruppen noch mit ihrem Konzept für das Gelände bewerben.
Nach den Worten von Thomas Czekaj sind Baugemeinschaften ein Zusammenschluss von Menschen, die gemeinsam bauen wollen. "Im Anschluss daran leben sie auch zusammen, und zwar nicht anonym, sondern als Gemeinschaft", erklärt der Vertreter des Bauressorts, der den Bereich Baugemeinschaften betreut. "Im besten Fall wirken sie mit ihren Angeboten in das Quartier hinein und bereichern damit die Nachbarschaft oder stabilisieren sie."
Genau an so einen Zusammenschluss will die Stadt das Areal an der Borcherdingstraße 10 vergeben. "Wir bieten das Grundstück im Rahmen des Erbbaurechtes an", so Czekaj. Welche Baugemeinschaft den Zuschlag erhält, richtet sich ausschließlich nach dem Konzept. Bestimmte Bausteine dafür gibt die Behörde allerdings vor. Dazu zähle etwa, dass die Räume im Erdgeschoss der Allgemeinheit zur Verfügung stehen müssen. "Das kann sich ganz unterschiedlich ausbilden, da legen wir uns auch nicht fest", sagt er. "Stattdessen wollen wir die Schwarmintelligenz der Baugemeinschaften nutzen." Eine Gruppe, die den Dedesdorfer Platz in Walle entwickelt hat, habe in ihr Konzept etwa eine Fahrradselbsthilfewerkstatt sowie eine Kita integriert. Darüber hinaus müsse jede Baugemeinschaft Gemeinschaftsräume schaffen.
Die Möglichkeiten für die öffentliche Nutzung sind an der Borcherdingstraße allerdings begrenzt. Grund dafür sind unter anderem die baulichen Gegebenheiten. Laut Bauamtsleiter René Kotte befinden sich auf dem Areal zwei Schulen, die seit vielen Jahren leer stehen. "Das Schulhaus Alt-Aumund von 1860 steht unter Denkmalschutz", ergänzt Marc Brandwein, Stadtplaner beim Bauamt Bremen-Nord. "Der Erweiterungsbau gilt als erhaltenswert."
Für eine Baugemeinschaft sei der Denkmalschutz eine Last. "Um eine Gegenfinanzierung zu ermöglichen, haben wir geschaut, wie auf dem Areal zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden kann", sagt er. Die Stadtplaner haben so zwei unterschiedliche Modelle entwickelt, die die Baugemeinschaften in ihr Konzept integrieren können.
Während das Schulhaus erhalten werden muss, könnte der Erweiterungsbau auch abgerissen werden. Allerdings sprechen sich sowohl die Denkmalpfleger als auch das Bauamt dafür aus, dass die Immobilie stehen bleibt. "Das zweite Schulgebäude erzählt viel von der Geschichte des Ortes", sagt René Kotte. "Wenn wir die Konzepte bewerten, werden sicherlich die besser abschneiden, die den Erweiterungsbau integrieren."
Bevor das Gebäude genutzt werden kann, muss jedoch ein baurechtliches Problem gelöst werden. "Das Gebäude befindet sich an der Grundstücksgrenze und hat Fenster", erläutert der Bauamtschef. Dieser Umstand führt dazu, dass die Immobilie nicht ohne Weiteres als Wohnhaus genutzt werden kann. Schließlich diente es bisher als Büro.
Um das Problem zu lösen, hat das Bauamt Kontakt mit der evangelischen Kirche aufgenommen, die direkter Nachbar ist. "Die Kirche könnte auf ihrem Grundstück eine Baulast aussprechen und sich damit verpflichten, in einem Abstand von drei Metern nicht zu bauen", so Kotte. Eine Entscheidung hierzu stehe vonseiten der Kirche allerdings noch aus. Sollte die nicht zustimmen, müssten die Fenster ausgebaut werden, was die Nutzung des ehemaligen Schulgebäudes massiv einschränken würde. Denkbar wäre dann zum Beispiel, dass dort Autos untergebracht werden.
Einen Bebauungsplan wird es für das Areal nicht geben. "Daraus resultiert, dass Gebäude, die auf dem Grundstück entstehen, sich in das Stadtbild einfügen müssen", sagt Marc Brandwein. "Ein gläsernes Hochhaus zum Beispiel wird damit an der Stelle nicht möglich sein."
Dass das Areal von einer Baugemeinschaft und nicht von einem Investor entwickelt werden soll, hat René Kotte zufolge einen bestimmten Grund. "Einerseits geht es uns um die Nachbarschaft, andererseits um das historisch wichtige Grundstück", sagt der Bauamtsleiter. "Vor diesem Hintergrund wollten wir nicht unbedingt die uns bekannte Investoren-Architektur an diesem Ort sehen."
Welches Konzept am Ende umgesetzt wird, entscheidet eine Jury. Der wird neben der senatorischen Behörde auch die Beiratssprecherin beziehungsweise der Beiratssprecher sowie die Eigentümerin des Grundstücks, Immobilien Bremen, angehören. Steht fest, welche Baugemeinschaft den Zuschlag erhält, tagt ein Gestaltungsgremium. Für sämtliche Gesprächsrunden, die nach der Vergabe stattfinden, hat die Behörde elf Monate kalkuliert. Baustart könnte demnach frühestens im August 2024 sein.