Selten haben sich so viele Gesprächspartner zu einer Ausschusssitzung zugeschaltet wie zu dieser. Sechs Akteure konnte Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt zur jüngsten Sitzung des Ausschusses für die Betreuung von Geflüchteten und Asylbewerbern in Vegesack begrüßen. Von ihnen hat das Gremium erfahren, wie die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine in Vegesack läuft. Ein Überblick:
Die Verteilung: Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Wege, wie Menschen aus der Ukraine in Bremen aufgenommen werden. "Wer Verwandte in der Stadt hat, kommt bei ihnen unter", sagte Petra Kodré von der Sozialbehörde. Diese Menschen bräuchten zwar keinen Wohnraum, würden sich aber trotzdem beim Amt für Soziale Dienste melden, etwa wenn sie einen Krankenschein oder soziale Leistungen benötigen. "Wer nicht privat unterkommen kann, wendet sich in der Regel an die Erstaufnahmestelle an der Lindenstraße", so die Behördenvertreterin.
In der ersten Zeit sind durch die bundesweite Umverteilung verstärkt Busse aus Berlin in Bremen angekommen. "Das hat sich jetzt aber geändert, weil wir in den vergangenen zwei Wochen sehr stark bei der Registrierung aufholen konnten", berichtete Kodré dem Ausschuss. Zunächst sei die Anmeldung nicht so schnell gelaufen, weshalb ein Teil nachgearbeitet werden musste. Nun seien aber alle Geflüchteten registriert. "Dadurch ist deutlich geworden, dass Bremen bei der Umverteilung überproportional berücksichtigt wurde", erläuterte sie. "Deshalb sind wir aktuell von den Bustransfers ausgenommen." Das liege aber auch daran, dass in einer der Messehallen ein Fall von Windpocken aufgetreten sei. Deshalb könnten dort zurzeit keine weiteren Geflüchteten mehr aufgenommen werden.
Im Moment nehme der Flüchtlingsstrom in die Hansestadt ohnehin etwas ab. "Aber das kann sich natürlich schnell wieder ändern, je nachdem, wie sich die Situation in der Ukraine entwickelt", sagte Kodré. Zudem sei unklar, wie die Lage in den anderen Bundesländern ist und ob es deshalb noch einmal zu Umverteilungen innerhalb der Bundesrepublik kommt. "Zwischenzeitlich war es aber schon so, dass gar nicht die Erstaufnahmestelle an der Lindenstraße die erste Anlaufstelle für Geflüchtete war, sondern der Messekomplex auf der Bürgerweide", informierte Petra Kodré. "Doch die sind nun auch voll, sodass jetzt teilweise schon die Turnhallen zum ersten Anlaufpunkt werden."
Erstaufnahme an der Lindenstraße: "Das Haus ist voll", sagte Matthias Wolf, Leiter der Einrichtung. "Dadurch, dass überall in der Stadt kurzfristig Notunterkünfte eröffnet worden sind, können wir einen großen Teil der Menschen dort unterbringen." Begrenzt aufnahmefähig ist aber auch die Erstaufnahmestelle, nämlich immer dann, wenn Geflüchtete von dort in eine andere Einrichtung wechseln können. "Wir erleben den Zuzug als sehr dynamisch, wodurch es für uns sehr schwierig ist vorherzusehen, wie viele Menschen tatsächlich kommen", so Wolf. "In den ersten Wochen waren es täglich zwischen 100 und 200 Menschen. In den vergangenen 14 Tagen ist die Zahl auf rund 50 pro Tag gesunken."
Jacobs University: Eigentlich wollte die Hochschule internationale Projekte auf ihrem Campus umsetzen und hat deshalb etliche Zimmer in einem Gebäude für Gäste freigehalten. Doch pandemiebedingt haben diese Veranstaltungen nicht vor Ort stattgefunden. "Deshalb waren 57 Zimmer frei", sagte Predrag Tapavicki von der Jacobs University. "Mithilfe der Arbeiterwohlfahrt und des Roten Kreuzes haben wir die Kapazität auf 124 Betten in diesen 57 Zimmern erhöht." Aktuell seien allerdings noch nicht alle Plätze belegt.
Das Projekt läuft inzwischen in der dritten Woche. "Die Uni stellt die Zimmer mietfrei zur Verfügung", sagte er. "Die Geflüchteten haben die Möglichkeit, im benachbarten College Nordmetall in der Mensa zu essen." Damit die Menschen dort in Ruhe ihre Mahlzeiten einnehmen können, habe man für sie ein eigenes Zeitfenster eingerichtet, in der die Mensa nicht von den Studierenden genutzt werde.
Darüber hinaus unterbreitet die Universität den Geflüchteten verschiedene Angebote, die sukzessive ausgebaut werden. "Es gibt eine große Gruppe von Studierenden, die verschiedene Ideen mit den Geflüchteten umsetzen will", erklärte Tapavicki. Denkbar seien etwa Deutschkurse. Was darüber hinaus angeboten werden könne, würde sich in den kommenden Wochen zeigen.
Ein Teil der Geflüchteten wird aber auch von Verwandten betreut, die zurzeit an der Jacobs University studieren. "Wir haben 21 Studierende aus der Ukraine bei uns auf dem Campus", informierte Predrag Tapavicki. Von ihnen hätten etwa 25 Angehörige Zuflucht in Grohn gefunden, darunter Mütter und Geschwister.