Erst waren sie Impfzentren, mittlerweile sind die Messehallen auf der Bürgerweide erste Anlaufstellen für Flüchtlinge aus der Ukraine. Bremen versucht, immer mehr Platz für Menschen aus der Kriegsregion zu schaffen. Und Firmen, Verbände, Willkommensinitiativen und Privatpersonen helfen dabei. Wie unkonventionell die Unterstützung manchmal ausfällt, warum die Sozialbehörde keine genauen Statistiken führen kann und worauf sie sich in den nächsten Monaten einstellt. Eine Momentaufnahme.
Die Stadt macht inzwischen, was immer mehr Kommunen machen: Sie funktioniert Turnhallen zu Notunterkünften um. Nach Angaben von Gabriele Brünings, stellvertretende Sprecherin von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne), ist das bisher zweimal geschehen, im Stadtteil Osterholz und in Bremerhaven. Ihr zufolge hat das Ressort außerdem Verträge mit zwei Hotels geschlossen, um zusätzliche Kapazitäten zu schaffen, und im Bremer Norden einen Partner gewonnen, der fast genauso viele Plätze schafft wie eines der Hotels: die Jacobs University. Seit vergangener Woche stellt sie Wohnheimräume für 124 Menschen aus der Ukraine bereit.
Weil die Behörde damit rechnet, dass noch mehr Platz gebraucht wird, hat sie den Umbau der Notunterkunft in der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Vegesack erst einmal gestrichen. Noch Anfang des Monats waren Entscheider der Behörde davon ausgegangen, dass der Termin für die Handwerker, die im April kommen sollten, gehalten werden kann. Es ist das zweite Mal, dass die Arbeiten verschoben werden. Im Vorjahr waren so viele Flüchtlinge unter anderem aus Afghanistan gekommen, dass der Gebäudeflügel der Anlaufstelle, der Baustelle werden soll, nicht geräumt werden konnte. Auf mehreren Etagen sollen Behelfszimmer zu regulären Zimmern werden.
Wie der Ukraine-Krieg die Situation in Bremens größter Flüchtlingseinrichtung verändert hat, beschäftigt in der nächsten Woche die Politik. Anfang nächster Woche kommen die Mitglieder des Vegesacker Ausschusses für Geflüchtete und Asylbewerber zusammen – auch deshalb, weil die Fraktionsvertreter wissen wollen, welche weiteren Möglichkeiten im Bremer Norden inzwischen geschaffen wurden, um Menschen aus der Ukraine unterzubringen. Den Stadtteilparteien geht es dabei nicht nur um das Engagement der Behörde, sondern auch um das von Unternehmern und Privatleuten, die Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben. Oder das noch vorhaben.
So wie Jochen Windheuser. Der Sprecher der Vegesacker Willkommensinitiative hat jetzt eine Souterrainwohnung in seinem Haus mehreren Hilfsorganisationen angeboten, die Menschen aus dem Kriegsgebiet unterbringen wollen. Demnächst will er die Räume auch dem Sozialressort melden. Wie viele Nordbremer das schon getan haben beziehungsweise noch tun wollen, darüber kann Windheuser nur spekulieren. Mit Sicherheit weiß er dagegen etwas anderes: Dass die Zahl der Initiativenmitstreiter in letzter Zeit nicht zu-, sondern abgenommen hat. Und dass die meisten von ihnen noch die Menschen betreuen, die vor Jahren nach Bremen geflüchtet waren.
Wie viele es jetzt allein aus der osteuropäischen Krisenregion sind, kann Behördenmitarbeiterin Brünings nur ungefähr sagen. Das hat damit zu tun, dass Ukrainer für 90 Tage ohne Visum einreisen können und deshalb nicht verpflichtet sind, sich sofort bei den Behörden zu melden. Nach Brünings' Rechnung haben das landesweit bisher 5365 Menschen aus dem Kriegsgebiet getan – 4306 im Bremer Stadtgebiet und 1059 im Bremerhavener. Sie geht fest davon aus, dass die Zahl weiter steigen wird. Und mit ihr auch die der Notunterkünfte und Behelfslösungen. Brünings spricht von Mobilbauten, Zelten und zusätzlichen Turnhallen als letztes Mittel.