Die neue Kauflandfiliale ist Ankermieter im „Kontor zum alten Speicher“, das im November vergangenen Jahres am Vegesacker Hafen eröffnete. Viele Arbeitsplätze würden dadurch geschaffen, teilte Kaufland damals mit. Und zwar langfristig. Doch nun sagen Sabine Dehl und Tanja Fuchs, zwei Beschäftigte der betroffenen Filiale, unabhängig voneinander: Knapp ein Drittel der 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen ihrer Einschätzung nach seit der Eröffnung entlassen worden sein. Und das ohne Angabe von Gründen und in verschiedenen Geschäftsbereichen. Sie sprechen von 18 Kündigungen bis heute.
Die beiden Angestellten von Kaufland heißen nicht so, wollen aber ihre richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Beide sind von den Kündigungen betroffen. Die entsprechenden Schreiben liegen der Redaktion vor. Gründe für die Entlassung werden darin nicht genannt. „Hallo ... , hiermit kündigen wir das mit dir bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist [...]“, heißt es in dem an Tanja Fuchs lediglich. Unterschrieben sind sie von der Haus- und Warenbereichsleitung.
Die Hausleitung in Vegesack gibt an, von den Kündigungen nichts zu wissen. Für Entlassungen sei die Personalabteilung, für Presseauskünfte die zentrale Pressestelle Kauflands zuständig. Die Pressestelle, ansässig in Neckarsulm, teilt auf Anfrage mit, dass es erfahrungsgemäß immer einen geringen Anteil von Mitarbeitern gebe, die von sich aus während der Probezeit kündigen oder nicht übernommen werden. Die Frage, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Vegesack tatsächlich von Kündigungen betroffen sind, lässt das Unternehmen unbeantwortet.
Zwar soll eine Mitarbeiterin von sich aus gegangen sein, sagt Fuchs, die übrigen Personen allerdings seien entlassen worden. Und die gekündigten Mitarbeiterinnen geben an, zum Zeitpunkt ihrer Kündigung gar nicht mehr in der Probezeit gewesen zu sein. Auf kurz nach dem Jahreswechsel sind die entsprechenden Schreiben an sie datiert. Ihre Verträge liefen da bereits seit mehr als drei Monaten – und damit länger als die vertraglich vereinbarte Probezeit.
Im Kündigungsfall bei der Arbeitnehmerkammer beraten lassen
Rechtswidrig sind die Entlassungen deshalb aber nicht. „Grundsätzlich sind Kündigungen innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses schwer angreifbar“, sagt Martina Werlich von der Arbeitnehmerkammer in Bremen-Nord. Der Grund: Das Kündigungsschutzgesetz, das Arbeitnehmer davor schützen soll, durch einen Rauswurf in Existenznot zu geraten, greift erst nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens sechs Monaten. Werlich rät Arbeitnehmern im Kündigungsfall deshalb dazu, sich bei der Arbeitnehmerkammer kostenfrei beraten zu lassen. „Auch wenn man den Arbeitsplatz nicht erhalten kann“, sagt sie, „sollte das Arbeitsverhältnis zumindest sauber beendet werden. Da geht es schließlich auch um Ansprüche auf Urlaub, Arbeitszeugnisse oder Fahrtgeld.“
Dehl und Fuchs gehen davon aus, dass sie gegen günstigere Arbeitskräfte ausgetauscht werden sollten. „Wir erfahrenen Mitarbeiterinnen wurden für das Weihnachts- und Silvestergeschäft gebraucht“, sagt Dehl. „Und jetzt geht es nur darum, Kosten zu sparen.“ Schon im Dezember habe man jüngere Kolleginnen eingearbeitet. „Da wusste ich: Hier stimmt etwas nicht“, sagt Dehl. Es steht Aussage gegen Aussage, denn bei Kaufland sieht man das anders. Grundsätzlich bezahle man allen Mitarbeitern ein Gehalt, das über dem geltenden Tarif im Einzelhandel liege. Und geringfügig Beschäftigte, also sogenannte Minijobber, würden in Vegesack gar nicht beschäftigt.
Die Stimmung unter den Mitarbeitern jedenfalls, sei inzwischen am Tiefpunkt angelangt, sagt Fuchs. „Eine ältere Kollegin weiß nicht, ob sie noch einmal eine Arbeit bekommen wird. Eine andere hatte extra für Kaufland ihre vorherige Arbeit gekündigt – nach zehn Jahren. Die Stimmung ist schlecht. Und alle haben Angst, dass sie die Nächsten sind.“ Auch Dehl weiß nicht, wie es nun für sie weitergeht. „Beim Einstellungsgespräch hieß es: Hier können Sie alt werden. Kein halbes Jahr später kam die Kündigung, und ich habe nur noch geheult.“
Damit gerechnet, gekündigt zu werden, hätten sie nicht, sagen Dehl und Fuchs. Gespräche oder Abmahnungen habe es bei ihnen nicht gegeben. Kaufland dementiert auch das. Selbstverständlich habe man mit allen betroffenen Mitarbeitern Gespräche geführt, teilt das Unternehmen auf eine entsprechende Anfrage mit.
Derzeit hat Kaufland für die Filiale in Vegesack eine Stelle im Kassen- und Informationsbereich ausgeschrieben. Frei gewordene Stellen, erklärt dazu die Pressestelle, würden ersetzt. Und tatsächlich sieht es so aus, als würden auch zukünftig Stellen ausgeschrieben. Aktuell, so heißt es aus der Belegschaft, soll mindestens eine weitere Kündigung ausgesprochen worden sein.