Nun hat Werder Bremen in Sachen Trainer Nägel mit Köpfen gemacht. Vor dem finalen Spieltag in der Fußball-Bundesliga wurde bekanntlich Florian Kohfeldt freigestellt und durch Thomas Schaaf ersetzt. Doch dieser Schachzug zahlte sich letztlich nicht aus. Die Grün-Weißen mussten nach 1979/80 zum zweiten Mal runter in die 2. Bundesliga. Markus Anfang, der zuletzt beim Zweitligisten SV Darmstadt 98 tätig war, soll es nun bei Werder richten und den Karren aus den Dreck ziehen.
Aber passt Markus Anfang überhaupt zu Werder, und wohin geht für die Grün-Weißen die Reise in der 2. Bundesliga? Gelingt der direkte Wiederaufstieg, oder muss Werder den Weg des Hamburger SV gehen, der nun schon zum dritten Mal in Folge den Sprung in die deutsche Eliteklasse verpasst hat? Sollten neue Leitwölfe an die Weser gelotst werden, wie es zuvor zum Beispiel Davy Klaassen und Max Kruse waren? Muss personell noch etwas in der Abwehr und vor allem im Mittelfeld passieren, und braucht der künftige Zweitligist im Sturm einen alten Haudegen, so wie Erwin Kostedde, der den SVW in der Saison 1980/81 wieder zurück in die erste Bundesliga schoss? Die Sportredaktion der „NORDDEUTSCHEN“ hat sich ein Meinungsbild verschafft.
Thorsten Koppo (55) spielte beim SV Grohn, SV Eintracht Aumund und der SG Aumund-Vegesack Fußball: "Werder kann nun in der zweiten Bundesliga einen Neuanfang starten. Ich finde zudem, dass die Spieler in der ersten Liga einfach zu viel Geld verdienten. Nun können neue junge, hungrige Akteure in der tieferen Spielklasse zeigen, was sie können. In puncto Trainer hätte Werder sich früher von Florian Kohfeldt trennen müssen, so konnte Thomas Schaaf im letzten Saison-Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach nichts mehr ausrichten. Ich glaube und habe auch gehört, dass der neue Werder-Coach Markus Anfang seine Sache bisher gar nicht so schlecht gemacht hat. In Sachen Wiederaufstieg stirbt die Hoffnung zuletzt, und so hoffe ich, dass ein neuer Schwung bei Werder Bremen dafür sorgen wird, dass die Grün-Weißen so schnell wie möglich in die erste Bundesliga zurückkehren. Alte Haudegen sind für eine Mannschaft immer sehr wichtig, aber man sollte die jungen Spieler dabei nicht zu kurz kommen lassen, um dem Werder-Team neuen Pfiff zu geben. Ich freue mich auf die vielen Nordderbys in der zweiten Bundesliga, vor allem gegen den HSV. Abschließend wünsche ich mir aber, dass die zweite Liga für Werder Bremen und Markus Anfang ein Sprungbrett ist, für erfolgreiche Zeiten in der ersten Bundesliga. So wäre es dann für den SVW und Markus Anfang ein neuer Anfang."
Andreas Hrtusz (55) war Vereinsmitglied beim SV Grohn: "Markus Anfang ist endlich mal ein Trainer, der schon Erfahrungen einbringt. Kein Eigengewächs aus der zweiten Mannschaft des SV Werder Bremen. Jemand, der die zweite Liga kennt und dem die Aufgabe nicht unbekannt ist. Bisher hat er mit seinen Mannschaften (Kiel, Köln, Darmstadt) versucht, spielerische Lösungen zu finden und den Gegner weit vom eigenen Strafraum fernzuhalten. Schnelles Umschaltspiel und viele Tore waren immer sein Anspruch. Doch all das ist nur möglich mit einer entsprechenden Mannschaft. Diese muss er nun in sehr kurzer Zeit zusammen mit Frank Baumann aufbauen. Vielleicht bringt er ja auch einen seiner Ex-Spieler aus Kieler, Kölner oder Darmstädter Zeit mit nach Bremen, einen guten Sechser mit einer offensiven Ausrichtung oder vielleicht einen Spielmacher. Der erste wichtige Schritt ist gemacht und ein Trainer wurde gefunden. Aber auch der braucht eine gute Mannschaft, um erfolgreich zu sein. Jetzt muss geklärt werden, welche Spieler in Bremen bleiben. Wo muss ich Ersatz finden. Die Ausrichtung in der zweiten Liga muss eine ganz andere sein. Jetzt muss Werder der Favorit sein und das Spiel bestimmen. Keine großen Abwehrschlachten mehr. Und wenn wir als Gerüst einige Spieler wie Jojo Eggestein, Füllkrug, Möhwald und vielleicht so einen wie Maxi Eggestein halten können, dann kann es auch im nächsten Jahr zum Wiederaufstieg kommen. Gute Beispiele aus der Vergangenheit sind zum Beispiel Lukas Podolski und Jonas Hector, die mit ihrem 1. FC Köln in die 2. Liga gegangen sind.
Klaus Malorny (51) spielt bei der SG Aumund-Vegesack Tischtennis: "Warum Werder eigentlich abgestiegen ist, weiß ich nicht. Ich habe nach dem Sieg gegen Bielefeld damit nicht mehr gerechnet. Klar kamen danach noch dicke Brocken, aber dass diese Negativspirale bis zum letzten Saisonspiel dauerte, hatte mehrere Gründe. Dass man nach der letzten Saison den Fokus auf die Defensive legte, war verständlich – und hat zu Beginn ja auch ganz gut geklappt. Trotzdem konnte Werder die ganze Saison über keine Torgefahr versprühen, und das wurde nach dem besagten Bielefeld-Spiel schlimmer und schlimmer. Wenn dann der Kopf dazu kommt und die direkte Konkurrenz auch noch gegen Bayern und Leipzig gewinnt, dann wird es schwer. Des Weiteren gab es keinen echten Führungsspieler mehr. Kruse und Klaassen waren in meinen Augen die letzten. Keiner konnte diese Rolle annähernd ausfüllen. Formtief, Verletzungen oder einfach fehlende Erfahrung sind hier ausschlaggebend. Ob man Florian Kohfeldt hätte früher entlassen sollen, weiß ich nicht. Aber sicherlich nicht am vorletzten Spieltag. Diese Zeit war auch für Thomas Schaaf zu kurz. Ob und wann Werder wieder aufsteigt, ist echt schwer zu sagen. Es wird bei Werder einen großen Umbruch geben und der Kader sich massiv verändern. Mein Gefühl sagt mir, oben mitspielen, ja, aber gleich wieder aufsteigen, eher nicht. Das haben schon andere Nordklubs versucht und sind gescheitert. Jedenfalls ist der Name des neuen Trainers Programm. Ob Markus Anfang der Richtige ist, wird die Zeit zeigen. Aber er hat Erfahrung in der zweiten Liga, und das ist sehr wichtig. Die neue Saison wird sehr spannend bei mittlerweile so vielen Traditionsvereinen. Ich freue mich drauf. Ich bin Fan von Werder Bremen und nicht von der ersten Liga.
Tim Kropp (59), Mitglied im Vegesacker Ruderverein: " Ich bin schon Werder-Fan, da standen noch der Torwart Günter Bernhard und Horst-Dieter Höttges auf dem Platz. Der erste Abstieg war für mich unvorstellbar. Die ersten Spiele in der zweiten Liga waren, wenn ich mich richtig erinnere, auch nicht gleich so richtig toll. Dann kamen Kuno Klötzer und Otto Rehhagel als Trainer, plus "Tanne" Fichtel (Klaus Fichtel, Anm. d. Red.) und Erwin Kostedde. Es waren Spieler-Senioren, deren Potenzial Rudi Assauer erkannt hatte und die die jungen Spieler aufrichten und mitreißen konnten – der direkte Aufstieg klappte. Nun stehen wir wieder am Anfang. Mit einem neuen Werder-Weg? Angefangen beim Aufsichtsrat bleibt Werder zuverlässig und geradlinig, oder bekommen wir die Probleme wie beim HSV? Leider haben wir Marco Bode nicht mehr als AR-Vorsitzenden – den Menschen Marco Bode schätze ich sehr. Warten wir also ab, was das ABC (Anfang, Baumann, Clemens Fritz) in der kommenden Saison erreicht. Einfach wird es bestimmt nicht, aber sicherlich spannend, da alle Absteiger gerne zurück in die erste Liga wollen. Vielleicht strebt Bayern aber auch den Abstieg an, um mal wieder gegen Vereine mit vermeintlich großen Namen zu spielen. Transfers wie zum Beispiel die von Selke & Co. stehen hoffentlich nicht an. Werder braucht nun echte Typen, eine gesunde Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern, an denen sich auch die jungen Menschen dieser Stadt orientieren können. Bei meinem Onkel und seinem Enkel aus Darmstadt muss ich noch anrufen und mich entschuldigen, dass wir ihren Trainer Markus Anfang verpflichtet haben. Ich persönlich wünsche Werder Bremen alles Gute für die neue Saison.
Das sagt die Sportredaktion
Olaf Schnell: Die Fußstapfen von Otto Rehagel, der vor 40 Jahren mit Werder Bremen den direkten Wiederaufstieg schaffte, sind sehr groß. Erstens war es sicherlich eine andere Zeit und zweitens wird in der Saison 2021/22 die zweite Bundesliga so stark wie noch nie sein. So warten auf Werder nicht nur die Nordderbys gegen den Hamburger SV, FC St. Pauli, Hannover 96, Hansa Rostock und Holstein Kiel, sondern auch die reizvollen Begegnungen unter anderem gegen Schalke 04, Fortuna Düsseldorf, Dynamo Dresden und den 1. FC Nürnberg. Aber der neue Trainer Markus Anfang kennt sich nach den drei Stationen in Kiel, Köln und Darmstadt ja gut in Liga zwei aus und wird die zuletzt arg gebeutelten Werderaner sicherlich wieder in die Spur bringen.
Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Markus Anfang zu diesem Zeitpunkt die richtige Entscheidung war. Nur müssen die Grün-Weißen um Frank Baumann im personellen Bereich aber so richtig Gas geben. Schon am 23. Juli fällt der Startschuss in der zweiten Bundesliga. Da die Mannschaft sich ja auch noch einspielen muss, sollte das SVW-Gerüst so schnell wie möglich stehen. Auf jeden Fall sollte in der Abwehr, auf der Sechser-Position und im Sturm noch etwas passieren – damit der Anfang mit Markus Anfang nicht in die Hose geht.