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Teures Leben Wenn man knapp bei Kasse ist: Wie einem der Staat hilft

Bei manchen Menschen reicht das Geld nicht zum Leben – trotz Arbeit. Da Deutschland ein Sozialstaat ist, hilft er in der Not. Doch welche staatlichen Leistungen gibt es? Beraterin Sabine Hummerich klärt auf.
18.07.2025, 17:45 Uhr
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Von Philipp Tappe

Gefühlt wird alles immer teurer – und zwar schneller als noch vor Jahren. Wegen der Corona-Pandemie konnte nicht so zügig produziert werden wie bisher, sodass Produkte mehr kosteten als sonst. Dann kam der Ukraine-Krieg, der zusätzlich für Lieferengpässe sorgte und die Preise noch mal nach oben trieb. Und nun drohen Zölle die Inflation zu befeuern. In der Serie „Teures Leben“ wollen wir aufzeigen, wie sich der Alltag für die Menschen verändert hat, wozu Helfer raten und wie Anlaufstellen und Firmen gegensteuern. In der fünften Folge geht es um staatliche Unterstützung im Land Bremen.

Sabine Hummerich kennt die verschiedenen Leistungen. Die Juristin arbeitet seit zwei Jahren als Beraterin für die Niederlassung Bremen-West (Grenzstraße 122 in Walle) der Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürger (Agab). An die wenden sich Bürgerinnen und Bürger, wenn sie arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht oder mit ihrem Job unzufrieden sind. "Wir bieten arbeitsmarktbezogene Sozialrechtsberatungen an", sagt Hummerich. Die Klienten kommen ihr zufolge aus dem gesamten Stadtgebiet. In den vergangenen Monaten haben aber mehr Nordbremer als früher die Beratungsstelle aufgesucht.

Wer staatliche Unterstützung erhalten möchte, kann sich bei Agab also beraten lassen. Hummerich beantwortet in ihrer Arbeit Fragen wie: "Welche Anträge kann ich für welche Lebenssituation stellen?" Oder: "Welche Anforderungen brauche ich für einen Antrag?" Sie hilft zudem, wenn jemand einen Antrag schlichtweg nicht versteht. Doch welche staatlichen Leistungen gibt es in Bremen überhaupt? Und für wen sind sie gedacht? Ein Überblick.

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Bremen-Pass

Wer seinen Bremen-Pass vorzeigt, bekommt ermäßigten Eintritt in Museen, Theatern sowie in der Kunsthalle und kann günstiger Angebote der Volkshochschule und der Stadtbibliothek wahrnehmen. Zudem lässt sich damit das billigere Stadtticket erwerben, das für alle öffentliche Verkehrsmittel des Verkehrsbunds Bremen / Niedersachsen im Stadtgebiet gilt. Den Bremen-Pass können Menschen beantragen, die Bürgergeld, Grundsicherung im Alter oder bei Krankheit und Asylbewerberleistungen beziehen oder Bewohner einer stationären Einrichtung sind. "Ich empfehle, mit Ausweis und Bescheinigung zum Amt für Soziale Dienste zu gehen. Da geht es am schnellsten und man ist dort auch offener gegenüber Kundenkontakt als beim Jobcenter", sagt Hummerich.

Bildungs- und Teilhabepaket

"Während der Bremen-Pass nur für Menschen ist, die fast kein Geld haben, richtet sich das Bildungs- und Teilhabepaket auch an Kinder aus Haushalten mit unteren und mittleren Einkommen", erklärt Hummerich. Eltern können Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragen, wenn ihr Kind unter 25 Jahre alt ist, gerade eine Kita oder Schule besucht und keine Ausbildungsvergütung bekommt. Die Voraussetzung ist nicht zwingend, dass die Antragssteller eine Grundsicherung erhalten. Auch Menschen, die Wohngeld oder Kinderzuschlag ausgezahlt bekommen, können einen Antrag stellen.

Das Bildungs- und Teilhabepaket beinhaltet verschiedene Leistungen. Für die Kinder ist zum Beispiel das Mittagsessen in der Kindertagesstätte oder der Schule kostenlos. Es werden Klassenfahrten und Nachhilfe sowie Zuschüsse für die Schulausrüstung gezahlt. Zudem stehen 15 Euro pro Monat zur Verfügung, wenn das Kind ein Sport-, Spiel- oder Kulturangebot wahrnehmen möchte. Laut Hummerich lässt sich ein Antrag oft über den Sportverein stellen. "Ich rate, mit der dortigen Geschäftsstelle zu reden", sagt die Juristin.

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Kinderzuschlag

"Wenn ich gerade vom Jobcenter weggekommen bin, muss ich plötzlich Rundfunkgebühren und Klassenfahrten zahlen", schildert Hummerich. Für Eltern, die trotz Arbeit nicht den Unterhalt für die Familie zahlen können, gibt es zusätzlich zum Kindergeld noch den Kinderzuschlag. Betrachtet werde laut Hummerich immer die Situation in den vergangenen sechs Monaten. So könne es durchaus sein, dass man erst mal kein Geld bekomme, obwohl man gerade bedürftig sei.

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Einmalige Bedarfe

Vor den Hartzreformen konnten Bürgerinnen und Bürger einmalige Bedarfe und Mehrbedarfe beantragen. Heutzutage gibt es nur noch wenige dieser Leistungen, erklärt Hummerich. Werdende Mütter werden zum Beispiel bei der Ausstattung für das erste Baby unterstützt. Sie müssen nur ihren Mutterpass vorzeigen. "Dann gibt es nichts zu diskutieren, beim zweiten Kind wird es mit der Erstlingsausstattung schon schwieriger", erläutert die Juristin. Wer bei null anfängt, wie es Hummerich formuliert, und eine Wohnung beziehen möchte, kann in bestimmten Fällen die Einrichtung gestellt bekommen. Das ist zum Beispiel möglich, wenn die Eltern Sozialhilfe beziehen, die vorherige Wohnung abgebrannt ist oder man von seinem Partner aus der Wohnung geworfen wurde. "Das Jobcenter prüft das sehr genau", sagt Hummerich.

Wer die Sozialhilfeempfänger sind

Sabine Hummerich hat anhand ihrer Arbeit den Eindruck, dass mindestens 75 Prozent der Bürgergeldempfänger zeitweise arbeiten. "Gewisse Arbeitgeber kalkulieren es ein, dass es Sozialhilfe gibt. Der Mindestlohn hat zwar Abhilfe geschaffen, aber wenn man Familie hat, reicht es trotzdem nicht immer", sagt sie. Gerade Angestellte bei Lieferdiensten müssen ihr zufolge aufstocken. Denn die Arbeitgeber bieten ihnen oft nur Teilzeit-Verträge an, zudem haben die Beschäftigten beim Schichtdienst auch keine Zeit für einen Zweitjob.

Ob mehr Menschen die Beratungsstelle aufsuchen

Laut Hummerich gebe es immer wieder Phasen, in denen besonders viele Menschen die Beratungsstellen von Agab aufsuchen. So berichteten die Medien einst über den Kinderzuschlag, woraufhin sich viele Leute bei Agab über diese Leistung informierten. Wie die Beraterin zudem beklagt, müssen die Bürgerinnen und Bürger inzwischen viele Anträge beim Jobcenter digital einreichen. "Das führt zu einem erhöhten Beratungsbedarf."

Welche Preissteigerungen besonders hoch sind

"Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt ist für viele sehr belastend", sagt Hummerich. Denn auch Bürgergeldempfänger müssen manchmal umziehen, weil ihnen der Vermieter kündigt, sich Schimmel in der Wohnung gebildet hat oder sie Probleme mit den Nachbarn haben. "Eine neue Wohnung ist fast immer teurer", stellt die Beraterin klar. Folglich könne es sein, dass das Jobcenter nur noch den Betrag der bisherigen Miete zahle.

Info

Bremen-Pass und Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket können beim Amt für Soziale Dienste und beim Jobcenter beantragt werden. Für den Kinderzuschlag ist die Agentur für Arbeit zuständig. Für einmalige Bedarfe ist das Jobcenter zuständig.

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